Zwei Autokorsos, offene Briefe und lauter Protest gegen die Energiepolitik: Fleischermeister Sebastian Herzog aus Spitzkunnersdorf konnte seine Sorgen am Montag Bundestagsabgeordneten vortragen. Er war nicht allein.
Von Jana Ulbrich
Er ist endlich gehört worden in Berlin! Am Montagabend war Sebastian Herzog mit vier weiteren Unternehmern aus Zittau und Umgebung zu einem Gespräch mit Regierungsvertretern in die Sächsische Landesvertretung beim Bund eingeladen. Ein halbes Jahr hat der Fleischermeister aus Spitzkunnersdorf dafür gekämpft. Hat zwei Autokorsos mitorganisiert. Hat Politiker in seinen Betrieb eingeladen. Er hat unzählige Briefe geschrieben, um gegen die aktuelle Energie- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu protestieren und darauf aufmerksam zu machen, wie Unternehmer, Handwerker und Gewerbetreibende durch diese Politik in Existenznot geraten. Die SZ hat am Tag danach mit dem 37-Jährigen gesprochen.
Wie war’s denn in Berlin, Herr Herzog?
Es war unglaublich anstrengend! Das Gespräch hat vier Stunden gedauert, bis kurz nach Mitternacht. Wir hatten ja auch einen ganzen Themenkatalog mit, den wir ansprechen wollten – alles, was uns Unternehmern, Handwerkern und Gewerbetreibenden derzeit Sorgen macht. Aber wir waren hinterher erleichtert und fahren jetzt auch mit einem guten Gefühl wieder zurück.
Sie haben also wirklich das Gefühl, etwas erreicht zu haben?
Ja. Zumindest konnten wir unsere Sorgen und Probleme direkt mit Vertretern des Bundestages diskutieren. Es war die ganze Zeit unser Anliegen, dass wir in Berlin gehört werden, von den Politikern, die diese Politik verantworten.
Wer war denn bei dem Gespräch in der Sächsischen Landesvertretung dabei?
Es war eine große Runde. Von unserer Unternehmer-Gruppe, die die Autokorsos organisiert hat, waren neben mir Osteg-Geschäftsführer Marco Matthäi, die Gewerbetreibenden Thomas Krusekopf und Jochen Groß und der Chef der Leutersdorfer Baumschulen Jens Freiberg mit dabei. Von der Bundesregierung sind mehrere sächsische Abgeordneten der Ampel-Koalition und der CDU gekommen, darunter Vertreter der Verkehrs- und Haushaltsausschüsse.
Worüber haben Sie gesprochen?
Das Wichtigste für uns war erst einmal eine verlässliche und wirksame Energiepreisbremse, die wir dringend auch für das Handwerk brauchen, für kleinere Betriebe und Gewerbetreibende. Wir haben erfahren, dass diese tatsächlich kommen soll, auch wenn es rückwirkende Preisgutschriften geben soll. Nur soviel: Wir sind in dieser Frage jetzt ziemlich beruhigt. Wir werden entlastet. Wir haben aber bemängelt, dass solche wichtigen Pläne und Entscheidungen, vor allem die nachträglichen Ergänzungen, nicht deutlich und allgemeinverständlich kommuniziert werden.
Worum ging es in dem Gespräch noch?
Natürlich – ganz brandaktuell – um die Infrastruktur. Es kann doch nicht sein, dass aufgrund einer Verkehrszählung, die vermutlich während der Pandemie 2020/2021 stattfand – der geplante Ausbau der A4 zwischen Dresden und Bautzen gestoppt wird, ohne den zukünftigen Verkehr auch nur ansatzweise zu berücksichtigen. Wir erleben jeden Tag, was auf dieser Autobahn los ist. Wir brauchen diese Verkehrsader gerade auch zukünftig im Hinblick auf den Strukturwandel. Hier siedelt sich doch keiner an, der nicht ordentlich und planbar herkommt! Das haben wir sehr deutlich gesagt.
Die Schnellstraße B178 von der Autobahn ins Dreiländereck ist auch noch nicht fertig.
Eben. Auch das haben wir in dem Zusammenhang angesprochen. Wir brauchen diese Straßen dringend. Der Verkehr wird ja weiter wachsen. Da haben wir die sächsischen Abgeordneten auch auf unserer Seite.
Sie hatten im Vorfeld gesagt, dass Sie einen langen Stichwortzettel für das Treffen in Berlin vorbereiten wollen. Konnten Sie alle Themen ansprechen?
Ja, deswegen hat das Gespräch ja auch vier Stunden gedauert. Ein wichtiger Punkt war für uns auch, die geringe Finanzausstattung der Kommunen anzusprechen. Die öffentliche Hand muss gerade in einer für Unternehmen so kritischen Situation, wie wir sie jetzt gerade erleben, eine Daseinsfürsorge übernehmen. Wir brauchen öffentliche Aufträge. Aber wie soll ein Landkreis, eine Gemeinde investieren und Aufträge vergeben, wenn kein Geld da ist? Das nächste Problem für uns ist die 3,5-Tonnen-Regelung, die gerade kleineren Handwerkern und Gewerbetreibenden das Genick brechen kann.
Sie meinen die geplante Ausweitung der Lkw-Maut auf Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen? Bisher müssen ja nur Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen auf Autobahnen und Bundesstraßen Maut bezahlen.
Ja, wenn das tatsächlich so beschlossen wird, wäre das eine Katastrophe für das Handwerk und das Kleingewerbe. Wir haben deutlich gemacht, dass es da unbedingt Ausnahmeregelungen für Handwerker und den sogenannten Werkverkehr geben muss.
Haben Sie nun am Ende tatsächlich das Gefühl, dass Sie mit diesem Gespräch etwas erreichen konnten?
Ich denke schon. Wir hatten richtig hitzige Diskussionen. Selbst die Vertreter der Ampel-Parteien sind sich bei einigen Themen ja nicht einig. Das haben wir deutlich gemerkt. Alle mussten aber zugeben, dass solche Gespräche mit den direkten Betroffenen für die Politik in Berlin, also die Politik der Abgeordneten sehr wichtig sind. Es war uns von Anfang an klar, dass wir nicht die Welt einreißen konnten. Es ist auch noch nicht alles so, wie wir uns das wünschen. Aber es ist schon mal ein Anfang. Und wir werden selbstverständlich am Ball bleiben.