In dem Familienunternehmen in Kamenz steht ein Generationswechsel an. Der Gründer zieht sich nach mehr als 30 Jahren langsam zurück. So geht es jetzt weiter.
Von Reiner Hanke
Kamenz. Rund 15 Jahre in den USA hinterlassen Spuren. Die Offenheit von Marcel und Susanne Ruhland ist typisch für Amerikaner. Die haben sie jetzt nach Kamenz mitgebracht – zu Sachsenfahnen, wo Marcel Ruhland die Geschäftsführung übernommen hat.
In dem Kamenzer Familienunternehmen ist ein Generationswechsel im Gange. Nach über 30 Jahren an der Spitze zieht sich Seniorchef und Sachsenfahnen-Gründer Jürgen Ruhland mit 68 Jahren langsam aus dem Geschäft zurück, sagt Marcel Ruhland, der die Firma jetzt gemeinsam mit dem Vater führt. Seine Frau Susanne Ruhland leitet den Vertrieb, Bruder Dirk Ruhland verantwortet den Material-Einkauf.
Neues Werk in den USA aufgebaut
Erst vor wenigen Monaten sind Marcel und Susanne Ruhland nach Deutschland zurückgekehrt. 2004 sei er während des Studiums nach New York gegangen, erzählt der 42-Jährige. Dort habe er ein Praktikum bei einer Werbeagentur absolviert: „Ich habe dabei auch viel Marktrecherche betrieben.“ Das mündete in einer Firmengründung – und lief so gut, dass er in den USA hängengeblieben sei.
Daraus ist ein Werk mit jetzt 100 Beschäftigten entstanden. Die Firma heißt Tex Visions und stellt ähnliche Produkte wie Sachsenfahnen in Kamenz her. Sie liegt gut 300 Kilometer westlich von New York in Carlisle (Pennsylvania), einem Städtchen, das nicht viel größer ist als Kamenz.
15 Jahre lebte das Paar in den USA. Kennengelernt hatten sie sich aber in Deutschland, sie waren gemeinsam nach Amerika gegangen. „Wir haben die doppelte Staatsbürgerschaft, und unsere beiden Kinder sind da geboren“, sagt Marcel Ruhland. „Klar vermissen wir unsere neue Heimat – nach so vielen Jahren“, räumt er ein. Aber es gebe eben auch die andere Seite: „Wir sind beide hier in Sachsen geboren, und unsere Familien leben ganz in der Nähe. Das haben wir in den USA natürlich schon vermisst – so ganz ohne Familie, ohne Oma und Opa für die Kinder inklusive Erziehungshilfe, Geburtstage, Weihnachten…“

Den Umzug und den Ausstieg aus der US-Firma hätten sie sorgfältig überlegt und gründlich vorbereitet. Nun stehe Sachsenfahnen für sie beruflich im Zentrum.
Fahnen wehen auch an den Masten vor dem Firmengebäude im Kamenzer Gewerbegebiet am Ochsenberg. Aber die Produktpalette des Unternehmens geht weit darüber hinaus – von Werbefahnen bis Faltpavillons, Sitzwürfeln und Stoffbannern bis hin zu Stickern. Rund 1,5 Millionen Quadratmeter Stoff bedruckt die Firma im Jahr, sagt Ruhland.
Hohe Energiekosten zwingen zum Sparen
Die Dispersions-Siebdrucklinie steht gerade still. Mit einer Länge von über 60 Metern zählt sie zu den wenigen weltweit in dieser Größe. Sie kann Spannbänder mit Maßen von bis zu elf Metern am Stück bedrucken.
Früher liefen die Anlagen täglich, sagt der Chef. Aber extrem hohe Energiekosten würden auch den Fahnenhersteller zum Sparen zwingen. Etwa 4,5 Millionen Kilowattstunden verbrauche das Unternehmen im Jahr. Trotz Gaspreis-Deckel rechnet Sachsenfahnen mit einer Verdopplung der Kosten auf eine Million Euro im Jahr.
Das Unternehmen sammle nun Aufträge, damit es sich lohnt, die gigantischen Maschinen hochzufahren und die Bänder für den Siebdruck zu erhitzen. Außerdem lösen digitale Maschinen den Siebdruck auf immer mehr Einsatzfeldern ab.
Aufträge kommen aus Fernost zurück
In der Halle nebenan schiebt sich ein riesiges weißes T auf magenta-farbenem Stoff über zig Walzen durch eine weitere Mega-Maschine. Das Tuch kommt aus dem Digital-Drucker und wird nun gewaschen und getrocknet, erklärt Susanne Ruhland. Bei dem Prozess werde überschüssige Farbe entfernt und der Druck erst so richtig kräftig, die Farbe leuchtend. Der Digital-Druck mache gerade bei kleinen Aufträgen sehr flexibel. So könne man eben auch mal einzelne Fahnen bedrucken.

Zu den großen Kunden gehöre die Autobranche mit BMW und VW, auch Jägermeister, die Telekom. Österreich, die Schweiz, Frankreich, England seien die großen Märkte. In der Vergangenheit seien leider auch Großaufträge nach Fernost gewandert. „Wir sehen aber ein Umdenken, einen Trend zurück nach Deutschland.“ Corona und gestiegene Transportkosten würden da eine Rolle spielen. Man besinne sich auf sichere Lieferquellen, so Marcel Ruhland.
Mitarbeiter-Zahl soll wieder wachsen
Corona habe Sachsenfahnen allerdings heftig getroffen: keine Messen, Feste, Abendveranstaltungen, Konzerte und somit lange auch kein Bedarf an Werbefahnen, Stoffbannern… Der Umsatz sei eingebrochen, die Mitarbeiterzahl von über 200 auf 160 gesunken. So gebe es auch die große Außendienstler-Flotte nicht mehr. Corona habe diesen Vertriebsweg beendet. Einiges sei automatisiert worden.
Dafür wachse die IT-Abteilung – durch Programmierer, Grafiker, die firmeneigene Entwicklung. Der Webshop ist die Zukunft im Vertrieb, ist sich Marcel Ruhland sicher. Der Shop firmiert als Tochtergesellschaft unter dem Namen „Vispronet“. Dort könne der Kunde sein Produkt konfigurieren.
2022 habe Sachsenfahnen den Vor-Corona-Umsatz fast wieder erreicht. Schwer sei es derzeit, Fachpersonal zu finden, zum Beispiel in der Näherei. Trotzdem soll die Mitarbeiterzahl wieder wachsen, vielleicht auf 180. Dabei sollen auch weitere Investitionen in digitale Drucktechnik helfen, und es soll eine neue Produktlinie mit Partyzelten an den Start gehen.