Von Ulrich Wolf
Chemnitz/Zwickau. Ein mutmaßlicher Kapitalanlagebetrug um eine Firma im Vogtlandkreis nimmt beachtliche Dimension an. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz teilte auf Anfrage mit, die Beschuldigten hätten “Gelder in noch ungeklärter Millionenhöhe eingenommen”. Es werde ermittelt “wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in einer noch unbekannten Anzahl von Fällen” sowie wegen unerlaubter Bankgeschäfte. Nach Recherchen von Sächsische.de sind in den Fall auch Personen verwickelt mit Beziehungen ins Reichsbürger- und Rechtsextremen-Milieu.
Seit der Razzia im Vogtland Anfang Januar sitzen immer noch zwei Personen in Untersuchungshaft. Die Ermittler vermuten, dass eine Bande aus mindestens sechs Leuten Kapitalanlegern hohe Gewinne versprochen hatte. Die Renditen sollen aber nicht aus dem Profit, sondern aus frischem Anlagegeld finanziert worden sein. In diesem Fall spricht man von einem Schneeballsystem.
Die Finanzaufsicht ermittelt schon seit Jahren
Zumindest bis Mitte Januar gab es 20 Beschuldigte. Ihre Wohnsitze verteilten sich auf die gesamte Bundesrepublik, teils auch im Ausland. Mutmaßlicher Drahtzieher in dem Fall ist der 49 Jahre alte Vogtländer René S. Er ist der Bundesanstalt für Finanzaufsicht (Bafin) schon länger bekannt. S. wohnt im Eichigter Ortsteil Ebnath und ist eine der beiden immer noch inhaftierten Personen. Er fungierte als Chef der Anlagefirmen BC Connect GmbH und später der RS Systems+ GmbH.
Zu den Vertrauten des mutmaßlichen Bandenkopfs zählt eine ebenfalls beschuldigte Frau in Mecklenburg-Vorpommern sowie ein Anwalt in Plauen, mit dem S. vor mehr als zehn Jahren gemeinsam im Vorstand des Fußballklubs SV Merkur 06 Oelsnitz saß. Involviert in den Fall ist Torsten W., Eigentümer der maroden Uckermark-Passagen in Schwedt. W. soll zuletzt über eine Umweltstiftung mit Briefkastenadresse in London Anlegergeld gesammelt und an die Firma von René S. transferiert haben.
Ein Friedenswerk für Deutsche in der Region Kaliningrad
Ein weiterer Beschuldigter ist Godwin B., Vorsitzender des Vereins Deutsch-Russisches Friedenswerk mit Sitz in Kiel. Der 50-Jährige und sein Verein mussten bereits im Herbst 2020 eine von Staatsanwaltschaft Kiel angeordnete Durchsuchung über sich ergehen lassen, die Kieler Nachrichten ordneten den Verein der Reichsbürgerszene zu. Schon damals ging es um illegale Bankgeschäfte. Einem Bericht des US-politischen Newsletters Eurasia Daily zufolge besuchte Godwin B. regelmäßig die russische Region Kaliningrad, um dort “einen Platz für ein deutsches Dorf zu finden”. Godwin B. war auch der bislang letzte Bieter für die Schwedter Uckermark-Passagen von Torsten W. in der Zwangsversteigerung.
Befreundet mit Godwin B. ist wiederum Thomas T. mit Wohnsitz in Halle und Bulgarien. Auch T. gehört in dem Eichigt-Verfahren zu den Beschuldigten. Dessen Sohn ist nach Recherchen der Amadeu-Antonio-Stiftung involviert in den Fall des zu fünfeinhalb Jahren verurteilten Rechtsextremisten und Ex-Bundeswehroffiziers Franco A.
Anleger investierten wohl auch Schwarzgeld
Die Chemnitzer Oberstaatsanwältin Ingrid Burghart betont, es gebe derzeit keine Hinweise, dass die Beschuldigten der Reichsbürgerszene zuzuordnen sind, “auch wenn sie dem Staat eher skeptisch gegenüberstehen dürften”. Weitere Angaben könne sie aufgrund der “noch laufenden, umfangreichen Ermittlungen” derzeit nicht machen.
Anfang Januar hatte die Polizei mit 230 Beamten in dem Betrugsfall Immobilien in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen durchsucht. Die Beschuldigten sollen Geld von Anlegern in bar, durch Überweisungen und auch in Kryptowährungen erhalten haben. Vermutet wird, dass Anleger dabei auch Schwarzgeld investiert haben.
Bereits im Oktober 2021 hatten Ermittler die Objekte von René S. im Vogtland durchsucht. Einem Bericht der Freien Presse zufolge waren damals 2,5 Millionen Euro sowie 195.000 Schweizer Franken beschlagnahmt worden.