Wovor der BMW-Chef bei der sächsischen CDU-Denkfabrik warnt

Eine große Leinwand mit Rednerpult steht auf der Veranstaltungsfläche im Dresdner Flughafen. Davor reihen sich viele Stühle mit einigen Gästen der Tagung.
Tagung im Dresdner Flughafen: Sachsens CDU hat zur "Denkfabrik" zu Themen wie Energiewende und Arbeitswelt eingeladen.

Von Georg Moeritz

Dresden. Das Dresdner Flughafen-Terminal als Tagungsort für mehr als 1.000 CDU-Mitglieder, dazu BMW-Konzernchef Oliver Zipse als Hauptredner – mit diesem Programm machte die sächsische CDU am Montagabend deutlich, was für sie zu einer Zukunfts-Denkfabrik gehört. Der BMW-Chef hielt einen Vortrag, in dem er sich für Technologie-Offenheit einsetzte.

Wer nur auf Elektromobilität setze, mache sich abhängig, sagte Zipse in Dresden. In einer Diskussionsrunde zum „Energiewandel“ argumentierte CDU-Fraktionschef Christian Hartmann ähnlich: Bei der Strom-Erzeugung dürfe nicht nur über Windenergie gesprochen werden. Es gebe Fotovoltaik, Geothermie und Biogas, er habe auch keine Berührungsängste vor Atomkraft, sagte Hartmann bei der CDU-Denkfabrik. Die Tagung fand zum 15. Mal statt, nach vier Jahren Pause.

Hauptredner Zipse sagte, im Jahr 2025 werde jeder vierte neue BMW elektrisch fahren. Noch vor dem Jahr 2030 werde es jeder zweite sein. Ob künftig mal alle Fahrzeuge seines Konzerns mit Batterieantrieb unterwegs sein würden, wisse er nicht. Das Unternehmen richte sich nach den unterschiedlichen Vorgaben der Staaten. Derzeit führen in Europa weniger als ein Prozent der 260 Millionen Autos elektrisch.

Im Januar und Februar 50.000 neue E-Autos in Deutschland

Fünf Antriebsarten seien für die Autoindustrie als künftige „Standbeine“ notwendig, sagte Zipse: vollelektrisch, hybrid, Diesel, Ottokraftstoff und Wasserstoff. In Wasserstoff werde vielerorts investiert, auch in den USA und China. Vor wenigen Wochen habe der Konzern in Antwerpen einen Prototyp vorgestellt, der mit Wasserstoff mehr als 500 Kilometer Reichweite schaffe und in weniger als vier Minuten aufgetankt sei. Im BMW-Werk Leipzig treibe Wasserstoff beispielsweise Gabelstapler an.

Der Konzernchef sagte, in dem 2005 gebauten BMW-Werk Leipzig seien bisher 3,3 Millionen Autos gebaut worden. Mehr als vier Milliarden Euro wurden dort investiert. Als 2013 das Modell i3 dort als erster vollelektrischer BMW vom Band lief, sei das Unternehmen „schon Pionier der Elektromobilität“ gewesen. Neun Jahre lang wurde dieses Fahrzeug gebaut, voriges Jahr war nach mehr als 250.000 Exemplaren Schluss mit dem i3. Ende November dieses Jahres beginnt in Leipzig die Produktion des Modells Mini Countryman. Nächstes Jahr gehen zwei Montagelinien für Hochvoltbatterien in Betrieb. Sollten manche Staaten elektrische Antriebe vorschreiben, biete sein Konzern E-Autos in allen Segmenten – von Mini bis Rolls-Royce, sagte Zipse.

Sachsen sei ein erfolgreicher Automobilstandort, sagte der BMW-Chef: „Porsche ist hier, wir sind hier“, sagte Zipse. Volkswagen erwähnte er nicht. Nach jüngsten Zahlen des Automobil-Experten Professor Stefan Bratzelt wurden in Deutschland im Januar und Februar 50.611 Elektroautos neu zugelassen – etwas mehr als vor einem Jahr, obwohl es weniger Subventionen gab. Die Förderung für Hybrid-Autos fiel weg, damit brach deren Absatz stark ein. Marktführer bei E-Autos in den beiden ersten Monaten war Tesla mit 11.952 Neuzulassungen vor VW mit 6.972. BMW stand auf Platz sechs mit 1.961 elektrischen Neuwagen.

Kretschmer: Eigentlich Zeit für Goldgräberstimmung

Gastgeber Michael Kretschmer als CDU-Landesvorsitzender lobte BMW: „Was für ein Unternehmen, was für tolle Fahrzeuge, bei uns hier im Leipzig!“, sagte er. Der Ministerpräsident sagte, nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln werde es auch künftig im ländlichen Raum nicht gehen. Individualverkehr bleibe notwendig.

Kretschmer sagte, jetzt sei „eigentlich eine Zeit, in der man von Goldgräberstimmung sprechen könnte“. Wasserstoff, Aufbau der Energienetze, Digitalisierung und viele neue Technologien seien Beispiele für Chancen. Aber Restriktionen behinderten den Wettbewerb. Der CDU-Politiker warf der Berliner Ampelkoalition vor, in der Energiepolitik nur ambitionierte Ziele zu setzen: „Der Weg dahin ist überhaupt nicht klar.“

Statt Planwirtschaft seien Innovationen notwendig, denn niemand könne die technische Entwicklung in 20 Jahren voraussagen. Mehr Erneuerbare Energien würden aber gebraucht, betonte Kretschmer. Um sie zu bekommen, müsse es gelingen, mehr Menschen zu Verbündeten zu machen, beispielsweise mehr Bürger-Energiegenossenschaften zu gründen.

Energieversorger Envia-M: “Wir sitzen auf einem Schatz.”

Der Chef des Energiekonzerns Envia-M in Chemnitz, Stephan Lowis, griff das Bild von der Goldgräberstimmung auf: „Wir sitzen auf einem Schatz“, sagte Lowis. In seinem Stromnetzgebiet werde schon mehr Ökostrom produziert als verwendet. In Sachsen allerdings nicht, die Landesregierung habe sich da „ein bisschen verkämpft“. Lowis warnte: „Eure Nachbarn ziehen an euch vorbei.“ Die Wirtschaft brauche grüne Energie. Allerdings sei der Netzausbau zu langsam, sodass er die Energiewende auch nicht überblicke: „Ich habe noch keine Klarheit – als jemand, der agieren soll.“

Von Unsicherheit sprach auch der Landesobermeister der sächsischen Bäcker, Roland Ermer: „Mit welchen Medien können wir unsere Backöfen in den nächsten Jahren am Laufen halten?“ Aus dem Kreis der Zuhörer forderte einer, in Sachsen ein Probe-Kernkraftwerk zu bauen. Ein anderer schlug private Wasserstoffspeicher vor, als “Volkselektrolyseur” für zu Hause. Lowis riet ab: “Es wird sich für Sie nicht rechnen.”

Der Chef des Braunkohlekonzerns Leag, Thorsten Kramer, wies auf die geplanten Ökostromanlagen auf seinen Grundstücken hin. Er wiederholte das Versprechen, damit viel Industrie und neue Arbeitsplätze anzuziehen. Welche Energiespeicher in Zukunft wichtig würden, sei noch nicht entschieden. Kramer nannte auch Flüssigbatterien und Druckluftspeicher. Der Leag-Chef ging auf die Diskussion über das Datum des Kohleausstiegs ein: Es gebe Gruppierungen, die das Ende der Braunkohle bis 2030 voraussagen. “Wir sehen das nicht so.” CDU-Fraktionschef Hartmann sagte: “Wir halten am Kohleausstieg 2038 fest.”

Kretschmer sieht Zuwanderer als Riesen-Chance

Zu Beginn der CDU-Denkfabrik war ein kurzer Sachsenfilm gezeigt worden, der auf die vier Themenfelder einstimmte: Energiewandel, Wirtschaft und Innovation, Mobilität, Arbeitswelt der Zukunft. Im Film hieß es, Sachsen habe eine exzellente Forschungslandschaft „und zieht weltweit Fachkräfte an“. Kretschmer griff das in seiner frei vorgetragenen Begrüßung auf: Sachsen brauche Menschen von außen. „Das ist eine Riesen-Chance, das ist spannend, das kann so bereichernd sein.“

CDU-Generalsekretär Alexander Dierks warf in seiner Eröffnung der Bundesregierung in Berlin vor, sie trete “gouvernantenhaft” auf. Sie glaube zu wissen, was in 20 oder 30 Jahren Stand der Technik sein werde. Dierks begrüßte Kulturministerin Barbara Klepsch und eine lange Reihe männlicher Ehrengäste. Nach CDU-Angaben nahmen 1.200 Menschen an der ersten Denkfabrik nach der Corona-Pause teil, viele mussten stehen. Nicht alle waren Parteimitglieder, auch viele Verbandsvertreter waren geladen. In einer Broschüre zur Veranstaltung wurden unterstützende Firmen aufgelistet, von Fit bis Bruno Banani und vom Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister bis zum Tabakkonzern JTI.

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