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176 Jahre Pulsnitzer Familienbetrieb: „Ich möchte die Tradition bewahren“

Kevin Funke wird die „Textilpflege Schulz“ in Pulsnitz übernehmen. Damit ist er der erste Geschäftsführer, der nicht den Namen Schulz trägt. Dennoch bleibt das Traditionsunternehmen, welches ehemals 200 Mitarbeiter hatte, in Familienhand. Für die Kunden soll der Service viel einfacher werden. Was geplant ist.

Lesedauer: 3 Minuten

Pulsnitz. Die „Textilpflege Schulz“ an der Wettinstraße 19 in Pulsnitz bekommt ab dem 1. Januar 2025 einen neuen Geschäftsführer. Senior Jochen Schulz übergibt den Familienbetrieb dann in siebenter Generation an Kevin Funke, seinen Schwiegersohn. Die Schultz‘sche Tochter wollte diesen Beruf nicht ergreifen, doch sie hatte offenbar die richtige Wahl des Ehepartners getroffen, erzählt der 35-jährige Kevin Funke: „Zum 70. Geburtstag meines Schwiegervatis hat er bei der Belegschaftsfeier und auch bei der Familienfeier gesagt, dass es mit dem Betrieb weitergehen wird, aber nicht wie. Daraufhin hatte ich gesagt: ‚Ich mache es, aber willst du das auch?‘“

Ohne eine konkrete Antwort zu geben, seien die Schwiegereltern erst einmal für zwei Wochen in den Urlaub gefahren. „Sie haben das gemeinsam besprochen und als sie zurückkamen, lag ein Arbeitsvertrag auf dem Tisch“, erinnert sich Kevin Funke. Am 1. Juni 2019 sei Funke dann in den Betrieb eingestiegen. Seinen Job als selbständiger Finanzberaten habe er an den Nagel gehängt, denn „Tradition hat für mich einen hohen Stellenwert“. Seit März ist er nun auch Textilreinigungsmeister.

Wie die Kunden besser bedient werden sollen

Auch unter der neuen Leitung soll bei der „Textilpflege Schulz“ vorerst alles beim Alten bleiben, nur ein großes Ziel habe Kevin Funke bereits. Er möchte den Service für die Kunden erhöhen: „Oft haben wir es, dass die Frauen die Hemden und Anzüge ihrer Männer bei uns abgeben und völlig abgehetzt kurz vor Ladenschluss die Kleidung abholen. Ich möchte eine Art Onlineshop eröffnen, in dem die Kunden ihre Abholtermine eintragen. Dann holen wir auf unseren Fahrten die Kleidung zum Beispiel an deren Arbeitsstätte ab, und sie bezahlen entweder per EC-Karte oder beim Fahrer, wenn sie die Ware zurückbekommen“, so der Plan.

Bisher werden die verschmutzten Kleidungsstücke bereits von den 15 Annahmestellen im Umkreis von 50 Kilometern abgeholt. Die Kunden können sie zum Beispiel in Dresden, Königswartha, Thiendorf, Radeberg und Großröhrsdorf abgeben und auch wieder gereinigt abholen. Die einzige Textilreinigung in Pulsnitz bedient vor allem Privatkunden, aber auch kleinere Hotels, Pensionen, Gaststätten und Ferienwohnungen. Gereinigt werden Kleider, Anzüge, Jacken, Bettwäsche und Tischdecken.

Es werden auch Leder und große Teppiche angenommen, dann aber an eine Spezialreinigungsfirma weitergegeben. „Dadurch kann die Reinigung eines Teppichs zwischen einer und zwei Wochen dauern, die Teppiche werden immer mittwochs geholt und auch mittwochs wieder zu uns zurückgebracht“, erklärt Funke.

Für eine Anzug- oder Abendkleid-Reinigung müssten die Kunden mit einer Abholzeit zwischen sechs und zehn Tagen rechnen. Wobei ein Hochzeitskleid mit sieben Lagen aufwendiger sei, sagt er, denn alleine das Bügeln per Hand würde hier rund eine Stunde dauern.

Ein besonderer Reinigungs-Auftrag

An ein ganz besonderes Kleid erinnert sich der amtierende Geschäftsführer Jochen Schulz noch: „Das war ein Abendkleid mit vielen echten Federn im Wert von 13.000 D-Mark. Das haben wir hier von privat bekommen und gereinigt.“

Der Familienbetrieb beschäftigt derzeit zehn Mitarbeiter. Alle Arbeitsabläufe würden noch handwerklich ausgeführt, vor allem das Bügeln der Kleidung, denn man lege großen Wert auf Qualität, betont Funke. Bedient werden fünf Waschmaschinen, zwei Bügeltische, zwei Reinigungsmaschinen, jeweils zwei Garderoben- und Hosenformer und eine Mangel, welche noch täglich im Einsatz sei.

Die Beseitigung der Flecken erfolge oft in mehreren Schritten, vom Reinigen mit organischem Lösemittel in der chemischen Reinigungsmaschine bis zur händischen Fleckentfernung. Manchmal sind dafür mehrere Anläufe nötig, sagt Funke: „Ob der Fleck weg ist, sehen die Büglerinnen und auch deshalb legen wir Wert auf Handarbeit.“

Wie alles begann

Der erste Schulz‘sche Betrieb war von Karl-Friedrich Schulz am 15. März 1848 an der Goethestraße in Pulsnitz gegründet worden. Dieser Textilveredlungsbetrieb hatte um die vorherige Jahrhundertwende etwa 200 Mitarbeiter, wobei rund 100 von ihnen wohl mit Bürotätigkeiten befasst waren, sagt Jochen Schulz. Damals handelte es sich um eine Bleicherei und später wurde hier auch Eisengarn hergestellt. „Das ist ein Garn mit einer besonderen Festigkeit“, erklärt Schulz.

So sah das Familienunternehmen kurz nach der Gründung im 19. Jahrhundert aus.
So sah das Familienunternehmen kurz nach der Gründung im 19. Jahrhundert aus.
Quelle: Matthias Schumann

Später kam die Färberei hinzu. Erst 1956 sei die Textilreinigung hinzugekommen. „Ich kann mich erinnern, dass auch mein Vater noch gefärbt hat“, sagt der Senior-Chef. 1945 war der Betrieb durch „die Russen“ enteignet und zu DDR-Zeiten ab 1972 verstaatlicht worden. Der Familienvater sei in dieser Zeit als Betriebsleiter und später als Abteilungsleiter angestellt gewesen, sagt Jochen Schulz. Er selbst hat den Familienbetrieb 1990 reprivatisiert.

Jochen Schulz wird in den kommenden Monaten noch in beratender Anstellung dem Familienbetrieb zur Verfügung stehen. Ein richtiger Ruhestand sei noch nicht geplant, sagt er: „Alle meine Vorfahren haben die Rente nie erlebt, sie liebten die Arbeit so sehr, dass sie bis zum Schluss als Geschäftsführer blieben.“ Wie er es handhaben wird, ließ er offen.

SZ

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