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Alarmstimmung in ostdeutscher Autoindustrie

Viele Fabriken sind nicht stark ausgelastet, Lieferketten sind labil und die Nachfrage nach E-Autos ist nach Milliarden-Investitionen eher enttäuschend.

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht die Autowerkstatt von Volkswagen.
Die Nachfrage nach Elektroautos ist für die Hersteller wie VW enttäuschend. © dpa

Von Heiko Weckbrodt

Dresden. Nach außen üben sich die Auto-Manager in Euphemismen und beruhigenden Worten. Sie sprechen von „Anpassungen“, wenn die Umsätze sinken und sie ihre Belegschaften schrumpfen wollen. Sie reden von „komplexen Herausforderungen“, wenn ihnen tatsächlich die Lieferketten wegzubrechen drohen und sich Qualitätsprobleme häufen. Und dass nach den Milliardeninvestitionen der vergangenen Jahre in neue Elektroauto-Fabriken die Stromer-Absätze gelinde gesagt enttäuschend sind, umschreiben sie mit „mehr Aufklärungsbedarf“ beim Kunden.

Doch hinter den Kulissen schrillen die Alarmglocken in der ostdeutschen Automobilindustrie immer lauter. Das war am Mittwoch bei einer Konferenz des Branchenverbandes „Automobilcluster Ostdeutschland“ (ACOD) in der – bereits teilweise heruntergefahrenen – Manufaktur von VW Dresden recht deutlich geworden.

Was die CEOs, CFOs, Strategieberater und Werkleiter besonders nervös macht: Viele Fabriken sind nicht mal annähernd ausgelastet. Die Elektroauto-Fabriken von Volkswagen in Mosel etwa sollen dem Vernehmen nach nur mit etwa zwei Dritteln ihrer tatsächlichen Kapazitäten fahren. Und am ACOD-Konferenzort selbst, in der gläsernen Manufaktur, mussten die Gäste schon lange hinschauen, bis sich irgendwo ein Arbeiter oder Roboter bewegte. VW-Sachsen-Chef Danny Auerswald wollte auf Nachfrage keinerlei Kommentar zu den jüngsten Ankündigungen aus Wolfsburg abgeben, laut denen Werksschließungen und Personalabbau in Deutschland nicht mehr ausgeschlossen sind.

Er kündigte aber für 2025 euphemistisch eine „Fahrweise nach Auftragslage“ für das Zwickauer Werk an, will ganze Bereiche „verschlanken“, „Doppelarbeiten vermeiden“ und den Einsatz Künstlicher Intelligenz auch außerhalb der Kernproduktion vorantreiben. All dies ist umso bitterer, als Volkswagen gerade in Zwickau und Dresden alles auf eine Karte gesetzt und beide Fertigungsstätten mit hohem Aufwand gänzlich auf ID-Stromer umgestellt hatte – die sich nicht eben als Verkaufsrenner erwiesen.

Und es ist eben nicht nur der Volkswagen-Konzern, der kränkelt: Auch andere Autohersteller und -zulieferer in Sachsen, Thüringen und Brandenburg haben teils enorme Summen in Elektroauto-Fabriken, neue Fertigungslinien oder gar in eine eigene Batterie-Produktion investiert. Doch die Nachfrage nach deutschen Stromern hierzulande wie auch auf wichtigen Zielmärkten bleibt teils weit unter den ursprünglichen Erwartungen. Ein Beispiel ist das Mercedes-Werk in Ludwigsfelde: Das stellt rund 448.000 Vans pro Jahr her. Darunter sind nur 22.700 Elektro-Vans, also etwa fünf Prozent. „Wir könnten aus dem Stand heraus die Hälfte der Produktion ganz rasch auf elektrische Varianten umstellen und mit eher geringem Investitionsaufwand sogar auf 100 Prozent“, berichtet Werkleiter Jörg Homering. „Doch die Nachfrage dafür ist einfach nicht da.“ Das sei auch für ihn überraschend gewesen, da sich für Geschäftskunden, die Ludwigsfelde primär bedient, der Umstieg auf Elektro-Transporter viel schneller lohnt als für Privatnutzer. „Doch die wollen einfach nicht.“ Die Nachfrage sei schon irgendwie „enttäuschend“.

Hinzu kommt, dass der einst angeleierte elektromobile Kapazitätsaufbau noch nicht einmal abgeschlossen ist, obwohl viele Fabriken schon jetzt gar nicht ausgelastet sind. So bauen Hersteller wie Tesla in Grünheide oder Porsche in Leipzig derzeit noch ihre Kapazitäten aus. Doch viele Erweiterungsprojekte wurden vor über zwei Jahren entschieden, rühren also noch aus einer Zeit her, als die elektromobile Zukunft in Deutschland noch rosig erschien. „Heute würden wir diese Investitionszusagen wahrscheinlich nicht mehr bekommen“, räumt Werkleiter Gerd Rupp mit Blick auf die jüngste, rund eine halbe Milliarde Euro teure Erweiterung des Porsche-Werks Leipzig ein.

Ein weiterer Krisenfaktor: Viele ostdeutsche Fabriken berichten über chronisch labile Lieferketten. So hatten die jüngsten Blockaden im Roten Meer auch den Nachschub für die Tesla-Fab in Grünheide zeitweise lahmgelegt. Das Management antwortet laut eigenem Bekunden nun mit dem Auf- und Ausbau regionaler und lokaler Lieferketten. Als schwierig stuft auch Gerd Rupp von Porsche die Zulieferlage ein: „Die Lieferantenstrukturen sind extrem instabil“, berichtet er. Viele Automobilzulieferer haben nach seiner Einschätzung anhaltende Probleme, Qualität, Fachkräfte-Mangel und die eigene Finanzlage in den Griff zu bekommen. Ähnlich äußert sich auch Stefan Friese von Opel Eisenach: „Das Umfeld bleibt für die nächsten Jahre instabil.“

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