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Bäcker händeringend gesucht

Der Dresdner Handwerkskammerchef Andreas Brzezinski über Fachkräftemangel und Ausbildungsabbrecher.

Lesedauer: 4 Minuten

Die Bäckerei Graf und die Filiale von Reimann in der Neustadt können am Sonntag nicht mehr öffnen, da sie kein Personal mehr finden. Auch Fleischer, Friseure und viele weitere Branchen klagen über Nachwuchsmangel. Im SZ-Interview spricht Handwerkskammerchef Andreas Brzezinski über die Ursachen und mögliche Lösungen:

Herr Brzezinski, manche Bäcker öffnen sonntags schon nicht mehr. In welchen Branchen müssen wir mit weiteren Folgen des Fachkräftemangels rechnen?

Sonntags zu öffnen, ist eine Entscheidung des Betriebs. Der Fachkräftemangel ist nahezu in allen Branchen angekommen. Besonders bei den Fleischern und Bäckern, aber auch beim Bau-, Metall- und Elektrohandwerk und Ausbau-Gewerk.

Wo sehen Sie die Ursachen dafür?

Zum einen in der guten Konjunktur, die Betriebe wachsen und brauchen mehr Personal. Den Mangel gibt es nicht nur bei den Azubis, sondern auch bei den schon ausgebildeten Mitarbeitern.


Dr. Andreas Brzezinski ist seit zehn Jahren der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Dresden.

Der Mangel ist so flächendeckend, es muss es doch mehr Ursachen geben?

Es gibt durch die gute Konjunktur viele Möglichkeiten für die Mitarbeiter, viele freie Jobs. Dann schauen sie sich um, wie und wohin kann ich mich verändern? Einige wechseln noch mal den Job. Gerade gehen viele auch in Rente, viele schon mit 63 Jahren. Diese Fachkräfte fehlen dann natürlich. Außerdem wollen immer mehr junge Leute studieren.

Jeder vierte Azubi bricht auch seine Ausbildung ab.

Das stimmt, aber das ist beim Studium noch schlimmer. Im Vergleich zum akademischen Bereich sind die Ausbildungsabbrüche im Handwerk deutlich geringer. Ein Großteil der Lehrlinge im Handwerk bricht die Ausbildung auch nicht wirklich ab, sondern löst nur den Vertrag auf und setzt die Ausbildung in einem anderen Betrieb fort oder beginnt eine andere Ausbildung.

Ein Bäcker-Azubi verdient nur 565 Euro brutto im ersten Lehrjahr. Denken Sie nicht, auch das ist eine Ursache?

Es werden auch Ausbildungen abgebrochen, wo die Azubis deutlich mehr verdienen. Daran liegt es nicht. Und die jungen Menschen wissen vor Antritt ihrer Ausbildung, was sie verdienen. Es hängt an der richtigen Berufsorientierung.

Ist es nicht trotzdem Zeit, die Löhne anzuheben, um dem Mangel entgegenzuwirken?

Ganz klar: Die Vergütung muss sich entwickeln. Die Branchen haben das aber erkannt. Und es bewegt sich etwas nach oben. Handwerk ist sehr personalintensiv, sodass sich diese Kosten sofort auf die Preise auswirken.

Gerade bei Bäckern oder Friseuren werden häufig die Arbeitszeiten als Grund genannt, warum der Nachwuchs mit dem Beruf hadert. Daran lässt sich aber nichts Grundsätzliches ändern, oder?

Das stimmt zum Teil, wenn die Menschen ihre frischen Brötchen nicht erst 18 Uhr kaufen wollen, müssen Bäcker eben 2 Uhr nachts aufstehen und auch am Sonntag backen. Aber flexibler kann man werden.

Was heißt das konkret?

Es gibt Betriebe mit besonders individuellen Arbeitsmodellen. So kann jeder Mitarbeiter seinen Job mit seinen Kindern oder Hobbys vereinbaren. Diese Flexibilität ist wichtig, so kann auf Bedürfnisse der Mitarbeiter und Kunden eingegangen werden.

Ähnlich wie die Arbeitszeiten in der Woche lässt sich auch die Sonntagsarbeit nicht wegzaubern. Helfen da Zuschläge?

Ganz klar nein. Zuschläge am Wochenende oder Feiertag locken keinen mehr. Die Bereitschaft, am Wochenende zu arbeiten, sinkt immer weiter. Was heute stärker zählt, ist die Work Life Balance. Auf dem Arbeitsmarkt gibt es Alternativen, bei denen man nie oder selten am Wochenende arbeiten muss.

Wünschen Sie sich von der Stadt und den freien Trägern längere Kita-Öffnungszeiten?

Das würde den Eltern helfen, ja. Wenn zumindest noch mehr Einrichtungen als bisher bis 20 Uhr öffnen würden.

Viele Betriebe beklagen, dass viele Azubis heute schlecht ausgebildet aus der Schule kommen, merken Sie das auch?

Ich sehe das ambivalent. Schon bei den alten Griechen haben Schriftsteller geschrieben, dass nachfolgende Generationen nicht motiviert seien und andere Prioritäten setzten. Eine Generalschelte auf das Schulsystem finde ich aber unpassend. Wir sollten uns dennoch fragen, wie anwendungsbereit das Wissen ist, das die Absolventen mitbringen.

Das heißt, zu viel Theorie, zu wenig Praxis in den Schulen?

Genau, wir brauchen mehr Praxiswissen und sollten noch mal durch die Lehrpläne gehen.

Aber Dinge wie Pünktlichkeit, Motivation und Höflichkeit, die den jungen Leuten angeblich fehlen, lernt man nicht nur in der Schule.

Das ist richtig. Das sind Dinge, die dringend auch vom Elternhaus vermittelt werden müssen.

Helfen auch Geflüchtete, die dauerhaft bleiben dürfen, beim Kampf gegen den Nachwuchsmangel?

Im Handwerk ist jeder willkommen, der über eine gute schulische Bildung verfügt und entsprechende Sprachkenntnisse mitbringt. Unter diesen Voraussetzungen können in bestimmtem Maße die Geflüchteten beziehungsweise auch eine geregelte Zuwanderung ein Teil der Lösung sein.

Was tut die Handwerkskammer, um das Problem Fachkräftemangel zu lösen?

Wir sind eine starke Interessenvertretung. Unser breites Beratungsangebot für die Betriebe betrifft insbesondere auch die Personalberatung. Wir organisieren viele Veranstaltungen, sind auf Messen vertreten, um für das Handwerk und gerade auch für die duale Ausbildung zu werben. Derzeit entsteht gegenüber der Kammer in der Albertstadt ein neues Bildungszentrum. Dort werden wir Lehrlingen, angehenden Handwerksmeistern und Teilnehmern an Fortbildungslehrgängen künftig die bestmögliche Qualität für ihre Aus- und Weiterbildung zusammen mit der modernsten Ausstattung anbieten. Die Kosten für den Bau liegen bei rund 40 Millionen Euro.

Reicht das aus?

Seit 2010 macht außerdem eine Imagekampagne bundesweit mit Erfolg auf das Handwerk aufmerksam.

Jetzt haben wir so viel über Mangel gesprochen, welche Branchen haben denn keine Probleme damit?

Fachkräfte werden überall gesucht. Mit Blick auf die Ausbildungszahlen lässt sich sagen, dass bei den Jungen der Beruf des Kfz-Mechatronikers und bei den jungen Frauen der Beruf der Friseurin weiterhin sehr beliebt sind.

 

Das Gespräch führte Julia Vollmer.

Bildquelle: Ronald Bonß, Sven Ellger

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