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Bautzens schärfster Botschafter: Mehr Senf, mehr Platz, mehr Zukunft

Mit 19.000 Tonnen Senf im Jahr ist Bautz’ner Marktführer – und rüstet sich für noch mehr. Neue Saucen, moderne Anlagen und junge Fachkräfte bringen Schwung ins Werk in Kleinwelka.

Lesedauer: 4 Minuten

Miriam Schönbach

Bautzen. Das laute Rattern der Maschinen füllt die Luft. Der Duft von Essig, frisch geschroteter Senfsaat und Gewürzen liegt schwer in der Produktionshalle. An der Abfülllinie sortiert Susann Schubert mit geübtem Blick Portionsbeutel, die zischend aus der Maschine purzeln.

„Wenn die Folie nicht richtig sitzt, muss ich am Rad drehen – damit die Verpackungen wieder gleichmäßig aussehen“, sagt die Anlagenführerin, während ihre Hände flink und präzise arbeiten. 15 Jahre ist die 32-Jährige inzwischen bei der Bautz’ner Senf & Feinkost GmbH. Ihr Credo: Bautz’ner Senf schmeckt am besten – vor allem zur Bratwurst.

33 bis 36 Millionen kleine Becher Senf verlassen im Jahr den Develey-Standort in der Oberlausitz.
33 bis 36 Millionen kleine Becher Senf verlassen im Jahr den Develey-Standort in der Oberlausitz.
Quelle: Norbert Millauer

Über solche Senf-Botschafterinnen freut sich Werkleiter Michael Bischof. Er kennt das Unternehmen seit gut 15 Jahren – und vor allem Fakten, Zahlen und das Geheimnis des schärfsten Bautzeners.

„Unser Senf schmeckt nach dem, was draufsteht, nämlich nach Senf und nicht nach irgendwelchen Gewürzen oder irgendwas, sondern wirklich nach Senfkorn“, sagt der 47-Jährige – und wie aufs Stichwort rollt der nächste Laster mit einer neuen Ladung der scharfen Körner an.

Zwei Drittel Gelbsaat, ein Drittel Orient

Rauschend und mit Druckluft wird der Rohstoff in die Lagertanks gepumpt. In zwei der Giganten lagert die Gelbsaat. Im dritten Behälter wartet der Orientalsenf auf seine Weiterverarbeitung. Das dauert auch nicht lange. Das Werk im Bautzener Ortsteil Kleinwelka wird in drei Schichten gefahren.

52 Mitarbeiter sorgen für permanenten Senf-Nachschub in den Supermärkten deutschlandweit. Schließlich fehlt der gelbe Klassiker aus Bautzen in fast keinem Haushalt mehr. „Wir produzieren 19.000 Tonnen Senf im Jahr. Davon sind 90 Prozent mittelscharf. Mit dieser Gesamtmenge sind wir Marktführer in Deutschland“, sagt der Werkleiter nicht ohne Stolz.

Werkleiter Michael Bischof bei der Gütekontrolle: So muss die gelbe Senfpaste nach dem Mahlen aussehen.
Werkleiter Michael Bischof bei der Gütekontrolle: So muss die gelbe Senfpaste nach dem Mahlen aussehen.
Quelle: Norbert Millauer

Doch der Senf ist hier nicht nur ein Produkt. Er ist ein Stück Heimat. „Etwa 30 Prozent unserer Senfsaat stammen von deutschen Feldern, vor allem aus Ostdeutschland“, sagt Bischof. „Der Rest kommt aus Osteuropa – ganz bewusst, damit wir bei schlechtem Wetter nicht alles aus einer Region haben.“

Übrigens stecken in der Jahresproduktion des ostdeutschen Develey-Ablegers zwischen 3800 und 4000 Tonnen des scharfen Samens. Gebraucht wird auch Essig. Auch er entsteht im Werk.

Rund 300.000 Euro investieren wir in diesem Jahr in die Sanierung einer Produktionshalle. Weitere 350.000 Euro fließen in die Erweiterung des Tanklagers. – Michael Bischof, Werkleiter Bautz’ner Senf

Michael Bischof nimmt eine Handvoll der Senfkörner und bietet eins zum Kosten an. Es genügt ein Winzling, dass sich der Meerrettich-Geschmack länger im Mund hält.

„Diese ätherischen Öle, ich liebe es“, sagt der Senf-Experte und geht ein paar Schritte weiter – von der Anlieferung in die Produktion.

„Becher, Top-Down-Flasche, Markenglas – wir decken jede Größe ab“, sagt Michael Bischof. Der Becher sei derzeit am beliebtesten, aber Senf im Glas werde deutschlandweit immer beliebter.
„Becher, Top-Down-Flasche, Markenglas – wir decken jede Größe ab“, sagt Michael Bischof. Der Becher sei derzeit am beliebtesten, aber Senf im Glas werde deutschlandweit immer beliebter.
Quelle: Norbert Millauer

Es ist ohrenbetäubend laut, während die sieben Mühlen aus der Maische – jener Mischung aus gemahlenen Senfkörnern, Wasser, Essig, Salz und Gewürzen – den feinen Senf mahlen.

Dessen Rezeptur ist seit den 1950er-Jahren fast unverändert. Ein bisschen Kurkuma gibt’s seit der Wende dazu, damit das Gelb immer gleich bleibt. „Pantone“ nennt der Werkleiter diese Senffarbe.

Ein Drittel der Senfsaat stammt aus deutschem Anbau, vor allem aus Ostdeutschland.
Ein Drittel der Senfsaat stammt aus deutschem Anbau, vor allem aus Ostdeutschland.
Quelle: Norbert Millauer

Mit der Gelbwurz werden die Farbunterschiede aus den Senfsaaten ausgeglichen. Deshalb wird deren Menge für jede Senf-Charge auch immer wieder frisch ausgemittelt. Die fertige Paste des Kult-Klassikers kommt schließlich in unterschiedlichen Abfüllautomaten in Becher, Flaschen, Portionsbeutel oder auch in das neue Glas.

Der Verkaufsschlager ist aber nach wie vor der 200-Milliliter-Becher. Jährlich werden 33 bis 36 Millionen Stück abgefüllt. 100 Tonnen Senf gehen so fast täglich ins Lager.

Bautzener Develey-Werk stößt an Kapazitätsgrenzen

Damit stößt das Bautzener Develey-Werk an seine Kapazitätsgrenzen. Investitionen sind deshalb ein ständiger Begleiter. Pro Jahr fließen 400.000 bis eine Million Euro in Sanierungen und Erweiterungen.

„Rund 300.000 Euro investieren wir in diesem Jahr in die Sanierung einer Produktionshalle. Weitere 350.000 Euro fließen in die Erweiterung des Tanklagers. Dieses zusätzliche Volumen ist notwendig, um eine neue Abfüllmaschine zu versorgen, die den Senf dort zwischenpuffert“, sagt Michael Bischof.

Auch der Essig für den Senf wird in Kleinwelka hergestellt.
Auch der Essig für den Senf wird in Kleinwelka hergestellt.
Quelle: Norbert Millauer

Das sind nur zwei von vielen laufenden Projekten. Indes sieht der Werkleiter noch mehr Potenzial auf dem Areal an der Großdubrauer Straße. „Da liegen schon Pläne in den Köpfen – noch nicht in den Schubladen – bereit, wie man gegebenenfalls hier Produktions- und Lagerflächen erweitern könnte“, sagt er und läuft durch das gut gefüllte Lager.

Senf in allen Größen bis unters Dach – in mehreren Etagen. Doch längst gibt es unter dem Label „Bautz’ner“ nicht nur den Klassiker. Mit gezieltem Marketing und neuen Produkten will man vor allem die junge Generation erreichen: „Vom Tellerrand in die Tellermitte – mit neuen, trendigen Produkten wie unseren Grillsaucen“, sagt Bischof.

Senf am Fließband: Die Produktion des Bautzener Werks liegt derzeit bei 19.000 Tonnen pro Jahr.
Senf am Fließband: Die Produktion des Bautzener Werks liegt derzeit bei 19.000 Tonnen pro Jahr.
Quelle: Norbert Millauer

Die richtige Zielgruppe für die Neuheiten wäre vielleicht Tom Kießlich. Der Mechatroniker hat nicht nur seine Ausbildung im Bautzener Senfwerk absolviert. Er kam erst zum Schülerpraktikum, dann zwei Jahre lang als Ferienjobber, bis sein erstes Lehrjahr begann. Jetzt sorgt er dafür, dass die Maschinen laufen – und nimmt seinen dreiwöchigen Sommerurlaub, um bei der Krabat-Saga in Schwarzkollm mitzuspielen.

Warum er den Job gewählt hat? „Ich wollte in einem regionalen Unternehmen arbeiten“, sagt er – und kümmert sich dann um eine Abfüllmaschine, die gerade stillsteht, um dann aber wieder Bautzens schärfsten Botschafter in eine Kopf-über-Flasche abzufüllen.

SZ

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