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Bei Kerateam in Leisnig ist der letzte Brennofen aus – vorläufig

Nach dem Insolvenzantrag der Steuler-Fliesengruppe, zu der Leisnig gehört, wird auch in dem sächsischen Werk nicht mehr produziert. Geschäftsführer Alexander Graetz und Rechtsanwalt Jan Hendrik Groß erklären, wie es jetzt weitergeht.

Lesedauer: 3 Minuten

Das Bild zeigt einen Brennofen in Leisnig.
Seit 1997 werden in Leisnig Fliesen hergestellt. Jetzt sind zum ersten Mal alle vier Brennöfen aus. In einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung soll das Unternehmen restrukturiert und zukunftssicher gemacht werden. © Archiv/Dietmar Thomas

Von Heike Heisig

Leisnig. Am Dienstag vergangener Woche hat die Steuler-Fliesengruppe einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt. Am Mittwoch sind die Mitarbeiter der Kerateam Produktion GmbH & Co KG in Leisnig, die zu der Unternehmengruppe gehört, über diesen Schritt informiert worden.

Am Sonntag hat Kerateam den letzten von vier Brennöfen heruntergefahren und damit die Produktion eingestellt.

Auch an den anderen Standorten Mühlacker und Bremerhaven werden derzeit keine Fliesen produziert, sagt Jan Hendrik Groß von der Kanzlei Ebner Stolz. Der Kölner Rechtsanwalt ist zum Generalbevollmächtigten im Insolvenzverfahren bestellt.

Zuversicht für Standort Leisnig

Sowohl er als auch Alexander Graetz sind zuversichtlich, dass es am Standort in Leisnig weitergeht und Leisnig zu den ersten Werken gehört, in denen die Produktion wieder aufgenommen, die Brennöfen angeworfen werden.

Schon in den letzten Monaten hatte Kerateam die Produktion zurückgefahren, zuletzt um 75 Prozent. „Dass 2023 ein schwieriges Jahr wird, war uns klar“, so der Geschäftsführer.

„Die geringe Abnahme vom Markt im Juni hat uns dann aber doch sehr erschrocken“, beschreibt Graetz die Situation zum Zeitpunkt der Insolvenz-Antragstellung.

Er bestätigt, dass Mitarbeiter in Kurzarbeit gewesen sind. „Das ist aktuell nicht mehr der Fall“, sagt Jan Hendrik Groß. Die Beschäftigen bekämen jetzt Insolvenzgeld.

Dem Geschäftsführer zufolge hat Kerateam im Augenblick 190 Mitarbeiter, etwa 170 sind unmittelbar im Bereich der Produktion beschäftigt.

Graetz zufolge soll die Belegschaft auch durch die Zeit des Produktionsstillstandes mitgenommen werden: „Wir sind weiter dabei, Reinigung und Wartung an technischen Anlagen durchzuführen, was bei voller Produktion nicht möglich ist“, erklärt Alexander Graetz. „Außerdem wird die Zeit genutzt, um Mitarbeiter zu schulen“, sagt er.

Weitere Möglichkeiten der Überbrückung würden derzeit noch geprüft. Wann genau die Produktion wieder aufgenommen wird, dazu gibt es eine reichliche Woche nach Insolvenz-Antragstellung noch keine Angaben.

Die Fliesen-Lager sind voll

Die Entscheidung hängt unter anderem auch davon ab, wie schnell Platz in den Lagern wird. „Die sind voll“, so der Geschäftsführer. Einerseits wegen der nicht nur saisonbedingten, rückläufigen Abnahme.

Die führt die Steulergruppe auf die aktuelle Baukrise mit steigenden Baupreisen und Zinsen für Immobilienkredite in Deutschland zurück. Aber auch in Europa insgesamt gehe die Nachfrage nach Fliesen zurück.

„Viele haben während Corona zuhause renoviert, brauchen deshalb jetzt keine neuen Fliesen mehr“, erklärt Jan Hendrik Groß.

Was in Leisnig am Standort an der Kerastraße weiterläuft, ist die Entwicklung. Kerateam hat sich durch Regionalität und damit durch Nachhaltigkeit einen Namen in der Branche gemacht. „Darauf setzen wir auch in Zukunft“, so der Geschäftsführer.

Eine Zukunft, die sieht auch der Restrukturierungsexperte Groß – obwohl er sich in der kurzen Zeit erst einen groben Überblick über die Lage habe verschaffen können. Steuler-Vorstand Peter Wilson hatte sich vergangene Woche überaus optimistisch geäußert.

„Ich bin zuversichtlich, dass wir als Unternehmensgruppe Anfang 2024 leistungsfähiger denn je aufgestellt sind“, sagte Wilson. Jan Hendrik Groß ist ähnlich guter Dinge und erklärt das auch.

Fliese ist kein überholtes Produkt

„Die Fliese ist alles andere als ein überholtes Produkt. Sie wird auch mittelfristig gefragt sein, und zwar nicht nur im Sanitär- und Badbereich, sondern auch anderswo in Häusern oder auf Terrassen.“

Jan Hendrik Groß rechnet damit, dass das Heizungsgesetz, das in diesem Jahr verabschiedet werden soll, ab 2024 auch zu einer verstärkten Nachfrage nach Fliesen führt. Insgesamt hofft die Steulergruppe darauf, dass die Baubranche über den Bereich Heizungserneuerung hinaus wieder anzieht.

„In Deutschland wird deutlich mehr Wohnraum gebraucht, als derzeit gebaut wird. Wir gehen deshalb davon aus, dass es sich bei der derzeitigen Marktschwäche um einen vorübergehenden Zustand handelt“, so Vorstand Alexander Lakos.

Für die Kunden und Lieferanten sind die Fliesenwerker auch in Leisnig weiterhin da. „Wir hoffen, dass sie uns in dieser herausfordernden Phase weiter vertrauen und zur Stange halten“, hatte Vorstand Peter Wilson vor einer Woche gesagt.

Dieses vertrauensvolle Verhältnis zu Kunden und Mitarbeitern aufrechtzuerhalten, dazu sei auch das gewählte Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung geeignet.

„Im Unterschied zur Regelinsolvenz kommt da nicht ein bestellter Insolvenzverwalter auf den Hof gefahren und bestimmt über die nächsten Schritte“, erklärt Jan Hendrik Groß.

Im Alternativverfahren, das vom Gericht genehmigt werden müsse, behielten die Geschäftsführer die Verantwortung. „Das sind die Leute, die sich vor Ort auskennen und zu denen schon ein Vertrauensverhältnis besteht“, so der Kölner Anwalt.

Klares Signal nach innen und außen

Dieses Vertrauen ist aus seiner Sicht unglaublich wichtig. Denn sowohl er als auch Graetz wissen, dass die Insolvenznachricht bei der Kerateam-Belegschaft für Verunsicherung gesorgt und Ängste ausgelöst hat.

„In dieser Situation ist es für die Mitarbeiter gut, dass es gewohnte Ansprechpartner und Strukturen gibt. Aber auch nach außen hin ist diese Art Insolvenz ein klares Signal für den Markt, dass es in bewährter Weise weitergehen soll“, so Jan Hendrik Groß.

Er bezeichnet die Restrukturierung in Eigenverwaltung als „eine gute Sache“. Ohne Erfolgschance hätte das Amtsgericht Bremen dem Antrag nicht stattgegeben, ist er sich sicher.

Groß und Graetz versichern, dass es Ziel der Anstrengungen ist, den Standort und die 190 Arbeitsplätze zu sichern. Seit 1997 werden in Leisnig an der Kerastraße Fliesen hergestellt. Zuletzt war es gelungen, das Team zu verjüngen.

Auch mit diesen Mitarbeitern soll es, so schnell es das Verfahren zulässt, einen Neustart an den Leisniger Brennöfen geben.

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