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Cyclehausen: Görlitz erhält neuen Ort für Radfahrer

Das Ehepaar König lebt seit zehn Jahren in Görlitz und baut nun ein unscheinbares Haus auf der Blumenstraße zum Fahrradkosmos „Cyclehausen“ um – mit Werkstatt, Verkauf und gemütlichem Treffpunkt.

Lesedauer: 3 Minuten

Das Bild zeigt einen Mann und eine Frau mit Fahrrädern.
Magdalena Zielinska-König und Sebastian König vor dem Gebäude Blumenstraße 10 in Görlitz. © Martin Schneider

Von Ingo Kramer

Das Haus Blumenstraße 10 ist leicht zu übersehen. Ein zweigeschossiges Ziegelgebäude, etwas eingerückt von der Straße. Die Nachbarn sind allesamt Gründerzeithäuser. So richtig will es nicht dazu passen. Es diente wohl immer als Werkstatt, doch schon seit vielen Jahren steht es leer.

Nicht mehr lange: Sebastian König und seine Frau Magdalena Zielinska-König wollen daraus „Cyclehausen“ machen. So haben sie ihr Radprojekt genannt. „Eine Kleinstadt, ein Fahrradkosmos, in dem sich alles nur um Fahrräder dreht“, beschreibt der 45-Jährige die Idee. Einerseits soll es Kultur und Veranstaltungen zum Thema Radsport geben – nicht nur hier, sondern in der ganzen Oberlausitz. Zum anderen soll das Gebäude Fahrradwerkstatt, Teileverkauf und Fahrradbibliothek werden – und einfach ein Treffpunkt für Fahrradfahrer.

Gewerbe und Gewerke können hier ausstellen – vor allem sehr spezielle Teile aus Kleinfertigungen. Nichts von der Stange, sondern eher etwas für Kenner. Ein Laden, der immer offen ist, soll es hingegen nicht sein. Läden gebe es schon genug in Görlitz: „Mit denen wollen wir nicht in Konkurrenz treten, sondern kooperieren“, sagt Sebastian König. Für das Projekt ist es ideal, dass es einen kleinen Vorgarten gibt, ergänzt seine Frau. Der Garten soll noch einen niedrigen Zaun erhalten, damit die einzige Grünfläche weit und breit nicht länger als Hundekackplatz dient. Stattdessen soll sie zum gemütlichen Ort für den Feierabend werden, erklärt die 34-Jährige.

Zielgruppe von „Cyclehausen“ sind bei Weitem nicht nur Görlitzer, sondern auch Menschen aus Dresden, Leipzig oder Berlin, die das Dreiländereck mit seiner interessanten Topografie von Flachland im Norden bis zu Mittelgebirgen im Süden als idealen Ort zum Radfahren entdecken. Am meisten im Fokus stehen dabei Gravelbikes – zu Deutsch etwa „Schotter-Räder“. Das sind geländegängige Fahrräder, die momentan besonders angesagt sind.

Sebastian König wurde in München geboren, ist in München und später in der Nähe von Stuttgart aufgewachsen und 2011 nach Görlitz gekommen, nachdem ihn ein Freund auf die Stadt aufmerksam gemacht hat. Seine Frau stammt aus Grudziądz (Graudenz) in Nordpolen. Sie kam 2011/12 für ein Freiwilliges Jahr im Waldorfkindergarten nach Görlitz. Hier lernten sich die beiden schnell kennen – und blieben. Mittlerweile sind sie Eltern von Ida (7) und Konrad (5). „Das Thema Fahrrad hat uns nie losgelassen“, sagt Magdalena Zielinska-König.

Einst alte 20-Zoll-Fahrräder aufgemöbelt

Privat gilt das für beide, beruflich vor allem für ihren Mann. Während sie seit 2013 beim Meetingpoint Memory Messiaen arbeitet und seit zwei Jahren zusätzlich auch beim Kulturbrücken-Verein, gehört seine Leidenschaft den Fahrrädern. Mit seiner „20-Zoll-Fabrik“ möbelte er alte 20-Zoll-Fahrräder auf, ab 2014 hatte er seine erste Werkstatt im Kühlhaus, später dann in der Jakobpassage, zu deren drei Gründern er gehörte. Doch das Projekt Jakobpassage scheiterte böse. Sebastian König war dann eine Weile für die Europastadt GmbH tätig, anschließend zwei Jahre im Kühlhaus. Seit Mai ist er wieder voll selbstständig: Er baut Fahrräder auf Kundenwunsch.

Eines ist aus der Jakobpassagen-Zeit übriggeblieben: der Kontakt zu Walter Kittel. Dem gehört das Haus auf der Jakobstraße – und auch das kleine, völlig unsanierte Häuschen Blumenstraße 10. Kittel lässt sich wieder auf den gleichen Deal ein wie damals: Er stellt das Gebäude für einen geringen Obolus zur Verfügung, aber herrichten müssen es die Mieter selbst.

Erst einmal nur eine Etage nutzen

Sebastian König und Magdalena Zielinska-König haben sich in der Blumenstraße 10 erst einmal nur für die untere Etage entschieden. Das sind etwa 60 Quadratmeter. Sie wollen keine Wände versetzen, sondern nur Elektrik, Heizung und Wasser/Abwasser erneuern sowie alles renovieren. Außerdem müssen die Fenster vergittert werden, damit Einbrecher keine Chance haben. Einen konkreten Zeitplan dafür gibt es nicht, wohl aber Ziele: Idealerweise soll im Oktober alles fertig werden und „Cyclehausen“ eröffnen – spätestens jedoch zum Beginn der Fahrradsaison 2024.

Ein Startkapital haben sie schon: „Mit unserer Idee konnten wir die Jury des Innovationswettbewerbes von Futuresax überzeugen und sind einer von neun Gewinnern des Sonder-Calls im Bereich Tourismus.“ Jetzt bekommen sie ein Jahr lang jeden Monat rund 2.000 Euro – insgesamt also rund 24.000 Euro – von der SAB. Das ist ein Gründerbonus, um die gemeinsame Firma ins Rollen zu bringen. Langfristiges Ziel des Ehepaares ist es, mit den Produkten und mit Veranstaltungsreihen ein gutes Basiseinkommen zu verdienen.

Derzeit sind sie da ganz optimistisch: „Schon Mitte Juli ist die erste international besetzte 400-Kilometer-in-24-Stunden-Rennrad-Rundfahrt bei uns zu Gast und Anfang August findet das erste Pierogi-Camp im Kühlhaus statt.“ Letzteres ist ein Gravelbike-Event, eine 130-Kilometer-Ausfahrt in Deutschland und Polen mit anschließendem Pierogi-Essen am Abend. „Wir wollen die Oberlausitz als Gravelmarke bekannt machen“, sagt Sebastian König. „Cyclehausen“ soll für die Görlitzer da sein, aber eben auch im Aktivtourismus Menschen von außerhalb für die Region begeistern.

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