Etwas gewöhnungsbedürftig sieht es auf den ersten Blick schon aus, was da in Schalen auf dem Regal steht. Echte Rehbeine zum Beispiel, noch komplett mit Fell und Huf. Die gehören zur Knabberabteilung des neuen Geschäfts auf der Meißner Straße 147 in Radebeul-Mitte.
Getrocknete Rinderohren, Entenhälse, Flundern und Hühnerfüße sind dort auch zu haben als Snack für den Hund. In den großen Kühltruhen darunter gibt es Tüten mit tiefgefrorenem Fisch, Hähnchenherzen, Rindernieren, -lungen und -milz. Hinter der Aufschrift „Schmatzi“ verbirgt sich Geflügel mit Knorpelanteil.
Über 25 Sorten Fleisch und Innereien bietet Sylke Reichert in ihrem Geschäft an, das speziell für die gesunde Ernährung von Hunden ausgerichtet ist. Vor ein paar Wochen hat „Barf your dog“ neu aufgemacht.
Barf, das steht für biologisch artgerechte rohe Fütterung und ist ein Trend, den inzwischen viele Hundebesitzer für ihre Vierbeiner entdecken. Es geht darum, das Futter möglichst naturnah zu gestalten. Was vielen bei der eigenen Ernährung wichtig ist, wollen sie inzwischen auch für ihren Vierbeiner. „Ich erlebe, dass immer mehr Leute wissen möchten, was wirklich im Futter drin ist“, sagt Sylke Reichert.
Anders als bei den Dosen aus dem Supermarkt werden Fleisch und Innereien beim Barfen roh verfüttert – angelehnt an die Fressgewohnheiten von Wildhunden, insbesondere Wölfen. Das Futter bezieht die Geschäftsinhaberin von Fleischern aus der Sachsen. „Ich möchte Fleisch aus der Region verkaufen“, sagt sie.
Die Hauptlieferanten sind aus Chemnitz und Zwickau. Das Fleisch wird im Laden tiefgefroren in verschiedenen Packungsgrößen verkauft. Zu Hause müssen es die Hundebesitzer langsam auftauen, bevor es in den Napf kommt. Das macht mehr Arbeit, aber dafür sei es wesentlich gesünder für das Tier, sagt Sylke Reichert.
„Was der Mensch nicht für seine Lebensmittel verarbeiten kann, kommt ins industrielle Tierfutter“, erklärt sie. Sogar Schnäbel, Krallen und Fell landeten in den Dosen. Im industriell hergestellten Hundefutter seien außerdem viele Zusatz- und Konservierungsstoffe enthalten. Im Barf-Futter hingegen nicht. Dafür müssen aber Hygieneregeln eingehalten werden, damit der Umgang mit dem rohen Fleisch nicht problematisch wird.
Die Nachfrage nach gesunder Nahrung für die Hunde ist in Radebeul anscheinend groß. Sylke Reichert hat nach wenigen Wochen schon etliche Stammkunden gewonnen. Für sie geht mit dem Laden auch ein persönlicher Wunsch in Erfüllung. Mal ein eigenes Geschäft zu haben, war schon lange der Traum der 49-Jährigen.
Im Herbst 2017 ist sie mit ihrer Familie von Riesa nach Radebeul gezogen. Der freie Laden in der Meißner Straße fiel ihr beim Vorbeifahren immer wieder auf. Da könnte man doch …, kam ihr dann oft in den Sinn. Schließlich fragte sie beim Besitzer nach, der die Räumlichkeiten gerne gleich vermietete. „Ich habe mir gedacht, jetzt oder nie“, sagt Sylke Reichert.
Derzeit hat das Geschäft an vier Tagen in der Woche geöffnet am Mittwoch von 16 bis 18 Uhr, donnerstags und freitags jeweils von 14 bis 18 Uhr und am Samstag von 9 bis 12 Uhr. Denn das Hundefutter ist derzeit das zweite Standbein von Sylke Reichert. Nebenbei hat sie noch ihren Hauptjob. Deshalb springt hin und wieder auch die Tochter im Laden mit ein.
Gebarft werden auch ihre eigenen Hunde. Rüde Jack hat die Inhaberin überhaupt erst auf die Idee für das Geschäft gebracht. Als der nämlich krank wurde und operiert werden musste, hat sich sein Frauchen verstärkt mit gesunder Hundeernährung beschäftigt. Hündin Lucie, die aus dem Tierheim nur Dosenfutter kannte, war anfangs allerdings gar nicht so begeistert.
„Sie kannte es nicht und ging total auf Dosenfutter ab.“ Aber mit der Zeit gelang es Sylke Reichert, die Hündin stückchenweise umzugewöhnen. Wichtig sei, dass für jeden Hund die richtige Fleischdosis auch in Kombination mit anderen Nährstoffen, beispielsweise aus Obst, gefunden wird.
Von Nina Schirmer
Foto: © Norbert Millauer