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Der gelassene Kaeser

Die Geschäftszahlen stimmen den Siemens-Chef zuversichtlich – trotz Krise im Kraftwerksgeschäft und Konzernumbaus.

Lesedauer: 3 Minuten

Die Baustellen sind zahlreich, doch für Siemens-Chef Joe Kaeser gilt bei der Vorlage der neuen Geschäftszahlen  vor allem eins: Gelassenheit ausstrahlen. Krise im Kraftwerksgeschäft? Klar, aber die nötigen Umstrukturierungen seien eingeleitet. Ringen um einen Milliarden-Auftrag im Irak? Abwarten, das eigene Angebot sei überzeugend. Noch fehlende EU-Zustimmung für die Bahnfusion mit Alstom? Wenn die Genehmigung ausbleibe, behalte der Konzern eben seine hochprofitable Bahnsparte.

Siemens befindet sich im Umbruch. Kaeser möchte die Struktur des Mischkonzerns schlanker gestalten, den einzelnen Geschäftsbereichen mehr Eigenverantwortung geben. Drei operative Gesellschaften bleiben im Unternehmen: die angeschlagene Kraftwerkssparte, das Geschäft mit digitalen Industrie-Prozessen sowie mit Lösungen für eine künftige smarte Infrastruktur.

Die neue Struktur bedeutet die Auslagerung von drei Geschäftsbereichen. Zwei davon – die Medizintechnik und das Windkraftgeschäft – sind bereits an der Börse und liefern überzeugende Zahlen. Demnächst soll die Bahntechnik mit dem französischen Konkurrenten Alstom fusioniert werden und dann folgen. Offen ist die Zustimmung der EU-Kartellwächter.

Kaeser gab sich zuversichtlich. Aber: „Für den Fall, dass das nicht gelingt, haben wir das beste Mobilitätsunternehmen der Welt“, sagte er mit Blick auf einen Rekordumsatz der Bahntechniksparte von gut 2,3 Milliarden Euro im vierten Quartal. Auch mit den gesamten Zahlen dürften die Anleger zufrieden sein. Der Umsatz 2018 lag mit gut 83 Milliarden Euro leicht über dem Vorjahr. Der Gewinn nach Steuern stieg leicht auf 6,12 Milliarden.

Sorgenkind bleibt die Kraftwerkssparte. Wegen Überkapazitäten bei Gasturbinen am Markt und des Trends zu erneuerbaren Energien mussten die Münchner Tausende Stellen streichen. Der Umbau kostet viel Geld und ließ den Gewinn im vierten Quartal um nahezu die Hälfte einbrechen. 681 Millionen Euro verdiente Siemens in den letzten drei Monaten des abgelaufenen Geschäftsjahres – nach 1,25 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum.

Görlitz mit einmaliger Chance

An den sächsischen Siemens-Standorten in Görlitz und Leipzig, die zunächst geschlossen werden sollten, sind die Mitarbeiter nun mitten in den Umstrukturierungen. Das Leipziger Werk mit seinen 200 Mitarbeitern soll verkauft werden, das Görlitzer Werk, Symbol für den Kampf um den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Turbinen-Krise, ist nun seit eineinhalb Monaten die weltweite Zentrale für das Industriedampfturbinengeschäft bei Siemens. Vor allem auf mehr Effizienz soll die Produktion getrimmt werden. Eine schwarze Null hat Siemens-Chef Joe Kaeser den Görlitzern vorgegeben. Ein „herausforderndes Ziel, aber ein machbares“, findet der Görlitzer Standortleiter Ronald Schmidt. Er verantwortet nun seit 1. Oktober das weltweite Industriedampfturbinengeschäft bei Siemens. Er hält die neue Rolle des Görlitzer Werkes für eine „einmalige Chance der Mitarbeiter, ihre Zukunft zu gestalten“. Aber es geht auch um neue Produkte, um das Geschäft anzukurbeln. Ein Auftrag aus Japan über eine Industriedampfturbine für ein Biomasse-Kraftwerk machte im Juni Hoffnung. Trotzdem müssen auch im Görlitzer Werk 170 der bislang 700 Vollzeitstellen gestrichen werden. Doch ist Siemens mit anderen Unternehmen über Ansiedlungen im Görlitzer Werk im Gespräch. Euroimmun mit dem Görlitzer Kaufhaus-Investor Winfried Stöcker hatte Interesse bekundet, damit das Siemens-Gelände zu einem Industriepark ausgebaut wird. Auch Siemens selbst überlegt, weitere Produktionen in Görlitz anzusiedeln.

Für die Kraftwerkssparte könnte ein Milliardendeal im Irak für Entspannung sorgen. Um elf Gigawatt will Siemens dort die Stromerzeugungskapazität in dem Land ausbauen – inklusive Ausbildungsprogramme und Jobs vor Ort. Eine Absichtserklärung hat Kaeser dort unterzeichnet, doch ob und in welcher Form Siemens zum Zug kommt, ist offen. Denn auch US-Konkurrent General Electric hat ein Angebot zum Ausbau vorgelegt – laut Medienberichten mit Unterstützung von US-Präsident Donald Trump. „Wir verkaufen keine Kampfhubschrauber, wir schicken auch keine Truppen hin, wir wollen nur Geschäfte machen und diese nachhaltig abwickeln, und genau das haben wir angeboten“, sagte Kaeser und gibt sich gelassen.

Auch ein anderes Thema im Nahen Osten trieb den Siemens-Chef um: Vor wenigen Wochen hatte er eine Wirtschaftskonferenz im saudischen Riad abgesagt, weil dem Land die Tötung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi vorgeworfen wird. Berichten zufolge hätte dort ein Deal mit einem Volumen von bis zu 20 Milliarden Euro abgeschlossen werden sollen. Kaeser bestätigte die Gerüchte am Donnerstag nicht, verteidigte aber seine Absage. Er habe den Eindruck gewonnen, dass Saudi-Arabien als wichtiger Partner noch nicht so weit sei, mit solch schrecklichen Geschichten angemessen umzugehen, so Kaeser.

 

Von Matthias Arnold und Sebastian Beutler

Foto: © Ph. Guelland/Shutterstock

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