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„Die Bedingungen sind extrem schwierig“: Das sind die Sorgen der sächsischen Chemieindustrie

Der größte Arbeitgeber der Chemieindustrie in Sachsen, Wacker Chemie, muss Angestellte in Kurzarbeit beschäftigen. Die Gründe erklärt Werkleiterin Jutta Matreux.

Lesedauer: 2 Minuten

Luisa Zenker

Nünchritz. Damit der Ketchup aus der Tube fließt, das Handtuch weich gewaschen wird oder das Solarmodul die Sonnenenergie nutzen kann – die Produkte vom größten Chemiearbeitgeber Sachsens Wacker Chemie AG in Nünchritz haben zwar komplizierte Namen, sind aber im Alltag vieler Menschen unerlässlich.

Doch das Werk nahe Riesa steht mit seinen 1500 Beschäftigten vor enormen Herausforderungen. Zehn Prozent der Belegschaft sind bereits in Kurzarbeit. Werkleiterin Jutta Matreux kämpft deshalb um den Standort, der in diesem Jahr 125 Jahre wird. Das sind ihre größten Sorgen.

Die fünf Sorgen von Wacker Chemie in Nünchritz

Überproduktion wegen weggebrochener Solarbranche

Das Werk produziert hochreines polykristallines Silizium, das insbesondere für Solarmodule genutzt wird. Doch die Solarindustrie ist in Europa wegen der chinesischen Konkurrenz eingebrochen. Deshalb musste etwa der Schweizer Solarmodulhersteller Meyer Burger sein Werk in Freiberg 2024 schließen. Das hat Folgen für Wacker Chemie: „Unsere Anlagen sind nicht voll ausgelastet“, erklärt Jutta Matreux. Die Belegschaft befindet sich deshalb zum Teil in Kurzarbeit.

Ein Drittel der Kapazitäten produziert das Werk in Nünchritz für die Solarindustrie. Das Silizium wird aber auch in der Halbleiterindustrie benötigt – in jedem zweiten Computerchip steckt weltweit Polysilizium des global agierenden Konzerns Wacker Chemie, aber nicht aus Nünchritz. Man prüfe nun auch in Nünchritz für die Halbleiterindustrie zu produzieren. Doch die Ansiedlung des Chipgiganten TSMC ändert für Wacker Chemie derzeit wenig, so Matreux. Liefert Wacker Chemie zwar den Rohstoff, doch wichtige Zwischenschritte der Produktion fehlen in Deutschland, um TSMC mit Vorprodukten zu beliefern, erklärt Matreux.

US-Zölle treffen Wacker Chemie hart

Das Werk stellt zudem polykristalline Kieselsäure her. Diese wird etwa im Deodorant, Feuerlöscher, Waschmittel oder als Dichtstoff in der Bauindustrie benötigt. 85 Prozent der Produktionskapazität wird außerhalb Deutschlands geliefert, davon ein Großteil in die USA und China. Die US-Zölle treffen Wacker Chemie deshalb hart. „Die Bedingungen sind extrem schwierig“, so Matreux.

Hohe Energiepreise hemmen das Werk in Nünchritz

Das größte Sorgenkind für Matreux sind die hohen Energiepreise. Das Werk Nünchritz hat mit einer Terrawattstunde im Jahr einen höheren Stromverbrauch als die Haushalte und Industrien in Chemnitz zusammengenommen. Zwar werde schon ein Teil der Anlagen mittels grüner Energie betrieben, doch die gesamte Wacker Chemie AG mit seinen 27 Produktionsstätten in Europa, Asien und Amerika will bis 2045 klimaneutral produzieren.

Stockender Ausbau der Erneuerbaren bremsen Wacker Chemie

Matreux fordert deshalb nicht nur bezahlbare und international wettbewerbsfähige Energiepreise, sondern auch einen schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie deren Netze in Sachsen. „Unsere Kunden wollen das, unsere Investoren wollen das“, erklärt Matreux, die neben grüner Energie einen Industriestrompreis und Steuersenkungen fordert. Um klimaneutral zu produzieren, verlangt sie außerdem die Schaffung der notwendigen Infrastruktur für Wasserstoff.

Probleme in der gesamten Chemieindustrie

Insgesamt ist der Umsatz von Wacker Chemie mit Sitz in München innerhalb der vergangenen drei Jahre stetig gesunken. „Die Deindustrialisierung findet statt“, sagt Nora Schmidt-Kesseler vom Verband der Chemischen Industrie. Sie vertritt die Interessen der 400 Chemieversorger in Nordost Deutschland, 90 davon sitzen in Sachsen und erwirtschaften einen Umsatz von 4,8 Milliarden Euro. „Auf einen Arbeitsplatz in der Chemiewirtschaft bauen zwei bis drei Arbeitsplätze in anderen Branchen.“

Damit dies erhalten bleibt, treffen sich an diesem Montag die Unternehmen mit dem sächsischen Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD): Schmidt-Kesseler fordert dort neben Energieausbau und -preissenkung den Abbau bürokratischer Hürden für Genehmigungsverfahren und die Abschaffung der Gasspeicherumlage. „Nur so wird der eingeschlagene Transformationspfad in Richtung klimaneutraler, grüner Chemie ein Erfolg werden.“

SZ

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