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Die Frühreifeprüfung

Die Trauben sind in diesem Jahr so zeitig reif wie noch nie. Das macht es den Winzern schwer und weckt Begierden.

Lesedauer: 3 Minuten

Elbland. Till Neumeister quetscht die grüne Beere so lange zwischen Daumen und Zeigefinger, bis sie nicht nur süß duftend ihren Saft hergibt, sondern ihre kleinen braunen Kerne gleich mit ausspuckt. Den Rest steckt der Weinbauleiter von Schloss Wackerbarth sich in den Mund, kaut zufrieden. Prüfung bestanden. Die Phoenix-Trauben sind tatsächlich schon reif und das sogar rund drei Wochen früher als normal.

Nicht umsonst sind in dem 13 Zeilen großen Schaurebenfeld, neben dem Neumeister steht, an diesem Freitagmorgen im August schon acht Erntehelfer, Frauen und Männer, emsig zugange, um die Beeren zu lesen. Nur rund zwanzig Minuten brauchen sie, um das Feld zu leeren, trotz der Sonne, die schon unerbittlich und von keiner noch so kleinen Wolke aufgehalten auf Radebeul herab scheint.

Auch heute wird das Thermometer wieder die 30-Grad-Marke erreichen – und vielleicht sogar überschreiten. Seit Wochen geht das schon so. Den Erntehelfern, vor allem den Trägern der schweren Bütten, steht bald der Schweiß auf der Stirn, immer wieder trinken sie zwischendurch große Schlucke aus ihren Wasserflaschen. Wenigstens sind sie heute nicht an den steilen Hängen unterwegs, sondern in Flachlage. Aber manche mögen’s heiß, und wenn dazu auch nicht die zählen mögen, die die Trauben am Ende lesen, so gefällt doch zumindest einem die Hitze: dem Rebstock.

„Die Rebe liebt die Wärme, die Sonnenstrahlen“, erklärt Till Neumeister unter einem Baum stehend, der nur wenig Schatten zu spenden vermag. Auch beim Niederschlag sei die Pflanze sehr genügsam. Trotzdem musste auf Schloss Wackerbarth in den Steillagen und auch auf den Junganlagen zusätzlich bewässert werden – wie bei vielen Weinbauern der Region.

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Die frühe Lese kam für die Winzer des Staatsweinguts aber nicht überraschend. „Wir hatten ein sehr warmes Frühjahr und einen sehr heißen Sommer“, sagt Neumeister. „Die Blüte unserer Reben war auch schon Ende Mai, Anfang Juni – ungefähr drei Wochen eher.“ Dieser Vorsprung hat sich bis in die Erntezeit durchgezogen.

Seit dem 6. August wird auf Schloss Wackerbarth gelesen. Andere Winzer im Elbland stehen dem in nichts nach: Schloss Proschwitz startete am 15. August, rund drei, vier Wochen früher als sonst. Am gleichen Tag begann man bei Jan Ulrich mit der Lese, rund zehn Tage früher als in den Vorjahren. Bei Tim Strasser ging die Lese am 20. August los – etwa drei Wochen früher als geplant. Und auch im Weingut Lehmann rechnet man mit einem knapp zwei Wochen zeitigeren Start als gewohnt.

Was macht das aber mit den Beeren und damit auch mit dem Wein am Ende? „Wir gehen von einem qualitativ und quantitativ ausgewogenen Jahrgang aus“, sagt Wackerbarth-Sprecher Martin Junge. „Für verlässliche Prognosen ist es jedoch noch immer zu früh.“ Die kommenden Wochen seien auch in diesem Jahr entscheidend für die Erntemenge und den Geschmack der Trauben. „Neben einem goldenen Herbst hoffen wir natürlich auch auf Niederschläge in den nächsten Wochen.“

Alexandra Prinzessin zur Lippe von Schloss Proschwitz geht von einem anspruchsvollen Jahrgang für den Keller aus, „da man nicht genau sagen kann, wie viel Trockenstress die Reben tatsächlich hatten. Das hat dann Folgen für die Qualität.“ Sie rechne aber damit, dass die Weißweine voraussichtlich weniger Säure und höhere Alkoholwerte haben werden.

Bei Tim Strasser sind die Oechsle-Werte hoch und die Säure ist teilweise niedriger als gewünscht. „Wir rechnen derzeitig mit einer sehr guten Qualität, die Trauben sind gesund, zwar kleinbeerig aber schön aromatisch“, so Strasser. Auch Carola Ulrich berichtet von nicht sehr großen Beeren, die sich schwer pressen lassen. Die Ausbeute sei geringer. „Mein Papa sagt immer: Nach der Schlacht zählen wir die Toten“, erklärt die Winzerin. „Erst wenn der Wein gelesen und im Fass ist, können wir über den Jahrgang reden.“

Die Phoenix-Trauben aus dem Schaurebenfeld von Schloss Wackerbarth werden schon kurz nach der Ernte auf einen kritischen Gaumen treffen, denn aus ihnen wird Federweißer. Eine Folge der Frühreife, die man nicht unterschätzen sollte: Die Nachfrage nach dem jungen Wein ist auch schon früher da. „Daher kann es passieren, dass es zum Weinfest Meißen eventuell keinen mehr gibt“, sagt Winzer Joachim Lehmann. Und die Kunden könnten dann im nächsten Jahr erwarten, dass es wieder um diese Zeit Federweißen gibt.

 

von Dominique Bielmeier (Text) und Arvid Müller (Video)

Bildquelle: Arvid Müller

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