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„Die Grunderwerbssteuer sollte auf null“

Frank Wießner ist Chef und Inhaber eines Dresdner Bauträgers – und ein kühler Rechner. Er schlägt dem Staat einen Deal vor, der nach seiner Prognose nur Gewinner kennt.

Lesedauer: 4 Minuten

Ein Mann steht hinter einer Baustellenabsperrung.
Frank Wießner kann die von ihm in diesem Jahr in Dresden gebauten Wohnungen an zwei Händen abzählen – normalerweise sind es 40 bis 60. Foto: Thomas Kretschel

Von Michael Rothe

Dresden. Ginge es nach Frank Wießner, wäre die Krise im Wohnungsbau schnell und einfach behoben. Der Inhaber und Chef der Max Wiessner Baugeschäft GmbH in Dresden hat nicht nur eine Idee, wie die Flaute zu meistern ist, er meint auch den Schuldigen für fehlenden Wohnraum und hohe Baupreise zu kennen. Der Staat kassiere an jeder neuen Wohnung etwa 30 Prozent, so sein Vorwurf: „19 Prozent Mehrwertsteuer, bissel Körperschaftssteuer, Mineralöl und 5,5 Prozent Grunderwerbssteuer.“ Tatsächlich bekomme der von ihm derzeit aber „so gut wie nichts, weil wir kaum was bauen und keinen Umsatz machen“.
Wießner führt den Dresdner Bauträger mit einer Handvoll Beschäftigten in der 5. Generation und konzentriert sich bei seinen Projekten auf die Landeshauptstadt. Er habe seit 28 Jahren in jedem Stadtteil Häuser errichtet, in Summe gut 1.000 Wohnungen – „wenig Ausgefallenes, eher normal, aber schön, mit ordentlichem Preis-Leistungsverhältnis“, sagt er und: „Man muss schon helle sein, um zu überleben.“ Doch das reicht nicht mehr.

Bauen zum Selbstkostenpreis?
Das Unternehmen baut mit beauftragten Partnern normalerweise 40 bis 60 Wohnungen pro Jahr, 2024 seien es ganze neun. „Wie soll ich meine Leute bezahlen?“, fragt Wießner rhetorisch. Notgedrungen habe er seinen Vertriebler entlassen, und die Chefsekretärin arbeite nur noch zwei Tage in der Woche.
„Wir bauen zum Selbstkostenpreis und kommen geradeso hin“, sagt der Dresdner. Wie ihm – oder noch schlechter – geht es vielen Branchenvertretern im Freistaat. Laut Bauindustrieverband Ost verringerte sich der Umsatz im Wohnungsbau im ersten Halbjahr gegenüber der bereits schwachen Vorjahreszeit um 17 Prozent auf 332,5 Millionen Euro. Die Interessenvertretung von 260 Unternehmen mit 20.000 Beschäftigten spricht vom stärksten Einbruch unter allen Bausparten. Auch die Zahl der Beschäftigten sei in Jahresfrist um 2,6 Prozent gesunken.
Immobilien seien ein Wirtschaftsgut, das sich rechnen müsse, sagt Wießner. Entscheidend: Zinsen und die Zeit, wie lange die Immobilie hält. Das könnten 50 Jahre sein, wenn man nichts am Haus mache. Der Chef holt Zettel und Stift heraus. „Sie brauchen zwei Prozent Abschreibung, sprich Abwertung.“ Dann addiert er den Zinssatz von derzeit vier Prozent. „Ich muss also sechs Prozent erwirtschaften, um bei null rauszukommen.“ Und weiter: „Bei einem Einkaufs- und Herstellungspreis von 4.500 Euro und einem Verkaufspreis von 5.000 Euro je Quadratmeter, hat man 500 Euro erwirtschaftet, womit man seine Beschäftigten bezahlen könnte.“ Um sechs Prozent zu erwirtschaften, brauche es eine Monatsmiete von 20 bis 25 Euro, rechnet Wießner vor. Der Markt gebe aber höchstens 16 bis 17 Euro her.
Nach Auffassung des Bauingenieurs wurden einst mit der Sonderabschreibung „viel zu viele Wohnungen gebaut, die vermietet werden mussten“. In der Folge hätten sich die Leute daran gewöhnt, dass eine Ware, die eigentlich viel teurer sei, für fünf, sechs Euro zu haben ist. Doch damit sei kein Haus zu unterhalten, so der 50-Jährige. Und: „Nicht die gestiegenen Zinsen sind das Problem, sondern, dass sie vorher durch staatliche Eingriffe zu niedrig waren.“

Einmal in Fahrt gekommen, redet Wießner ohne Punkt und Komma. „Wenn die Zinsen bei gleicher Miete künstlich gedrückt werden, steigen zwangsläufig die Preise“, argumentiert er. „Wenn sie dann wieder auf Normalmaß schnipsen, bricht der Markt zusammen.“
Der einzige Grund, weshalb derzeit bei ihm Wohnungen gekauft würden, sei „die Erwartung einer gepflegten Inflation“, sagt der Unternehmer, der sich oft mit Politikern trifft, aber selten verstanden fühlt. Die Erhöhung der Grunderwerbssteuer auf 5,5 Prozent führe dazu, dass der Staat Zehntausende Euro abziehe, ohne dass auch nur ein Stein bewegt worden sei. Da würden Kunden lieber weiter in der Mietwohnung abwarten.
Zur Wahrheit gehört allerdings, dass die Grunderwerbssteuer in Sachsen zuvor mit 3,5 Prozent niedriger war als anderswo und sie sich erst 2023 dem bundesweiten Niveau von fünf bis 6,5 Prozent angeglichen hat. „Bloß weil andere es falsch machen, müssen wir es doch nicht nachmachen“, entgegnet Wießner.
Derweil stirbt die Bauwirtschaft – leise. Laut Statistischem Landesamt haben Baufirmen im ersten Halbjahr am meisten zum Anstieg der Unternehmensinsolvenzen auf 437 Pleiten beigetragen.
Er habe bereits die kleinstmögliche Struktur, sagt Wießner. Den Vertrieb mache er selbst, seine Schwester sei seine rechte Hand. Es gebe noch einen Projektleiter, eine Sekretärin und einen freien Bauleiter. Er habe alle möglichen Effizienzsteigerungen umgesetzt, „aber ich mache immer noch keinen Gewinn“. Wenn es nicht gelinge, das Ruder herumzureißen, werde er den Laden schließen.

Narrenhäusel als Großprojekt
Und was müsste passieren, damit das nicht eintritt? „Die Transaktionskosten inklusive Grunderwerbssteuer sollten runter auf nahezu null“, antwortet der Chef. „Warum muss ein Notar ein Prozent für eine Urkunde kassieren?“, fragt er. Auch die Kosten für Vermessung sowie Entsorgung von Mischmüll wie Wärmedämmung seien undurchsichtig. Der Unternehmer sieht drei Stellschrauben, den Wohnungsbau billiger zu machen: „Entweder 20 bis 25 Euro Miete oder die Zinsen runter auf um die zwei Prozent oder die Kosten senken.“
Auf Wießners Rechenzettel ist noch Platz. Er unterstellt eine Wohnfläche von 100 Quadratmetern, jeder 5.000 Euro teuer. „Von diesen 500.000 Euro kassiert der Fiskus vorab 165.000 Euro an Grunderwerbs-, Mehrwert- und anderen Steuern“, so Wießner. Sein Vorschlag: Wenn der Staat 20 Milliarden Euro in die Hand nähme, könnte er via KfW-Programm über zehn Jahre je 4.400 Euro an Zinssubvention leisten. Diese 44.000 Euro wären nicht mal ein Drittel der Anfangseinnahme. „Aber dann läuft der Laden wie Bombe“, ist der Experte überzeugt. Nach seiner Rechnung entspräche das 460.000 Wohnungen – mehr als das von der Bundesregierung erklärte jährliche Neubauziel.

Das Kabinett hat derweil eine Novelle des Baugesetzbuchs verabschiedet. Akteure sehen Fortschritte, etwa erleichterte Aufstockung und Hinterhofbebauung sowie verkürzte Bebauungsplanverfahren – aber auch noch Defizite bei der Abschaffung strenger Normen. Auch beim gehypten Gebäudetyp E, der Bauen einfacher machen soll, ist noch viel unklar. Wießner hält wenig davon. Das bringe „höchstens zehn Prozent, bei schlechterem Schall- und Wärmeschutz, Leitungen auf Putz und anderem mehr.“ Abstriche an der Qualität seien der schlechteste Weg.
Er habe früher „keinen Knopp in der Tasche gehabt“ und überlegt, ob er sich im Studium das Mensa-Essen leisten könne. Das habe ihn geschult, nur Dinge zu verfolgen, die funktionieren und sich rechnen. Er sei noch heute wie ein Student unterwegs, fahre mit dem Fahrrad, brauche keine Luxuskarosse. Er sei liiert, fünffacher Vater, sein eigener Hausmeister und sich „nicht zu fein, die Straße zu kehren“. Wenn Gewinn übrig bleibt, unterstützt der Mann, der Raubbau an der Natur kritisiert, Kulturprojekte wie die Ostrale oder die Dresdner Frauenkirche.
Wießner wollte ursprünglich Soziologie studieren, „verstehen, wie der Mensch tickt und die Welt funktionieren kann“. Bauingenieur sei er geworden, weil es dafür keinen Numerus clausus gegeben habe. Und noch während des Studiums habe er seine Firma gegründet.
Die ist nun in Gefahr. Er arbeite nur noch aus Gewohnheit, komme sich vor „wie ein Löwe im Zoo, der an der Scheibe hin und her rennt“. Der Chef kramt resigniert in Fotos seiner Ahnen. Er sei ein Kämpfer, könne jedoch nicht zaubern.
Ein Projekt will er aber in jedem Fall noch verwirklichen: den Wiederaufbau des Narrenhäusels an der Augustusbrücke, einst Wohnhaus von Joseph Fröhlich, Hofnarr von August dem Starken. Und dann sagt er entschlossen: „Bevor ich aufhöre, ist überall das Licht aus.“

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