Mehr Platz für die Tiere, mehr Sonnenschein und überhaupt irgendwie ein bisschen mehr Liebe. Es klingt alles so positiv: Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft möchte ein Kennzeichen für Schweinefleisch einführen, das zeigt, dass die Tiere besser gehalten wurden, als es der gesetzliche Mindeststandard vorsieht. Immer mehr Menschen leben vegetarisch, immer mehr Menschen scheinen sich für die Herkunft ihres Fleisches zu interessieren. Aber ist ein staatliches Tierwohllabel der richtige Weg?
Nicht jedenfalls, wenn man die Landwirte im Kreis Bautzen fragt. Das Label, das Bundesministerin Julia Klöckner vor Kurzem vorstellte, soll nicht verpflichtend sein. Aber viele Landwirte aus der Region blicken dem Label skeptisch, ja teilweise sogar mit Sorge entgegen. Drei Stufen soll es umfassen; in der ersten soll ein Tier knapp unter einem Quadratmeter Platz haben, in der zweiten etwas mehr und in der dritten sogar Auslauf. Doch: „Der Endverbraucher ist nicht gewillt, dafür zu zahlen“, sagt Christian Schmidtgen.
Wenn man versucht, ihn zu erreichen, ist er meistens unterwegs – beispielsweise in den Ställen, in denen rund 10.000 Schweine ihr Zuhause haben. Denn Schmidtgen ist der Geschäftsführer der Sauenzuchtanlage Nebelschütz. Wenn er die Ställe betritt, dann ist es ruhig, erzählt er. Kein Grunzen, kein Quieken. „Das ist ein Zeichen, dass es den Tieren gut geht.“ In Nebelschütz wurde bereits umgebaut. Tageslicht fällt jetzt in die Boxen, neue Technik sorgt für passende Futtermengen. Für das Tierwohllabel reicht das aber noch nicht. Schmidtgen sorgt sich: „Es gibt viele Studien, die zeigen: Am Ende legen die Verbraucher doch nur das Billigfleisch in den Einkaufskorb.“
Kosten steigen immer mehr
Bislang ist das Label freiwillig – doch Schmidtgen sorgt sich, dass es verpflichtend wird oder der gesetzliche Standard angehoben wird. „Wir könnten das so nicht umsetzen“, sagt er. Mehr Platz müsste er den Tieren geben, um die Bedingungen zu erfüllen. Dafür müsste er entweder den Bestand verkleinern oder anbauen. Ersteres würde bedeuten, dass der Betrieb nicht mehr wirtschaftlich wäre, da er über die Masse funktioniere. Und im zweiten Fall kämen hohe Kosten auf den Hof zu. „Ein passender Anbau würde Millionen-Beträge kosten“, sagt er. „Das könnten wir nicht stemmen.“
Einer, dem genau das widerfahren ist, ist Stefan Triebs. Er ist der Vorsitzende des Regionalbauernverbandes Bautzen-Kamenz und Geschäftsführer der Saritscher Agrar GmbH. Zu der gehörte auch die Schweinemast in Königswartha, die im vergangenen Jahr den Betrieb abgemeldet hat. Immer mehr stiegen die Kosten, immer höher wurden die Ansprüche. Neue Regelungen, wie eine Filterpflicht oder auch Vorschriften, dass Güllegruben auf Dichtheit geprüft werden müssten – all das hätte so viel Geld gekostet, dass sich der Umbau nicht gerechnet hätte. „Die höheren Kosten, auch durch ein staatliches Tierwohllabel, kriegen wir nicht rein“, sagt er.
Problem: die Internationale Konkurrenz
Ähnlich sieht das auch der Landwirtschaftsbetrieb Thomas Schneider in Weicha. „Uns lag schon immer das Wohl der Tiere am Herzen“, sagt Seniorchefin Marianne Schneider. „Nur, wenn die Tiere gut gehalten werden, können sie ihr ganzes Leistungspotenzial abrufen“, erklärt auch Thomas Schneider. Viele Tiere werden direkt vor Ort geschlachtet, andere in Niesky. Wenige Medikamente, kurze Wege zum Schlachter – das ist es, was Thomas und Marianne Schneider beim Thema Tierwohl wichtig finden und umsetzen.
Das Problem dabei: „Es gibt kaum noch regionale Schlachter, weil durch immer höhere Auflagen den Fleischern das Leben schwer gemacht wird“, sagt Thomas Schneider. Eines der Kriterien für ein staatliches Tierwohllabel ist auch, dass die Tiere in den Boxen durch Stroh Beschäftigung finden. In dem Betrieb haben viele Boxen Spaltenböden – das wäre nicht leicht umzusetzen. „Es gibt aber Gründe für die Spalten“, sagt Schneider. Wie eben der Hygieneanspruch. „So etwas wird übersehen“, sagt er. Auch Schneider glaubt nicht, dass er das Geld für einen entsprechenden Umbau mit dem Fleischverkauf wieder erwirtschaften könnte.
1,50 Euro bekommen Landwirte derzeit für das Kilo Fleisch im Schlachtgewicht. Zwei Euro müssten es sein, damit sich die Produktion weiter lohnt, meint Triebs. Der Bund hat angekündigt, über Förderungen nachzudenken. Dennoch: „Selbst, wenn wir wollten – wir könnten uns das nicht leisten“, so der Grundtenor der Bauern im Kreis Bautzen.
Aber ist das nicht ein bisschen einfach gedacht? Könnten die Bauern nicht an einem Strang ziehen, für bessere Bedingungen sorgen und das Fleisch einfach teurer verkaufen? Nein, sagt Stefan Triebs. Das Problem liegt seiner Meinung nach vor allem darin, dass viele Regeln für Deutschland gelten – nicht EU-weit. Mit der internationalen Konkurrenz könnten die Bauern so nicht mehr mithalten.
Von Theresa Hellwig
Foto: © Archiv/Uwe Soeder