Durch das große Panoramafenster ihres Wohnzimmers kann Regina Frenzel schon sehen, wenn sich jemand dem Haus nähert. Deshalb kann sie auch schon die Tür öffnen, kaum dass der Gast geklingelt hat. Aber sie steht nicht allein im Türrahmen. Zu ihren Füßen blicken zwei grüne Äuglein zwischen schwarzem Fell neugierig nach oben zu dem Unbekannten. Kater Felix entgeht nichts.
Natürlich auch nicht, dass sich der Fremde auf die Eckcouch setzt. Zweimal "Miau", dann ein Sprung – und Felix lümmelt zwischen der Gastgeberin und dem Besucher. Der vorsichtig fragt, ob er den Kater denn mal streicheln dürfe. Regina Frenzel lacht. "Sie dürfen nicht nur, Sie müssen! Felix erwartet jetzt von Ihnen ein paar Streicheleinheiten."
Die Hausherrin schenkt dem Gast wunschgemäß Früchtetee ein, für sich selbst hat sie einen Kaffee gebrüht. Auf dem Tisch stehen selbst gebackene Kokosmakronen, wer kann da schon Nein sagen. Ansonsten sieht es auf dem Tisch nach Arbeit aus. Ein aufgeklappter Kalender, Briefe, Büroklammern, ein Locher, ein Laptop. "Mein Wohnbüro", sagt die 61-Jährige.
Jetzt im Winter ist Zeit für den Bürokram. Abrechnen, abheften, abklären. Regina Frenzel wühlt sich durch den Irrgarten aus Papier. In dem es wiederum meist um ihren kaum 800 Meter entfernten Irrgarten aus Hecken und Wegen geht. Er entstand zu einer Zeit, als sie selbst vor einem Tor stand und nur Hindernisse sah, aber kein Ziel. Anfang der 80er-Jahre war sie der Liebe wegen aus Thüringen in die Oberlausitz gezogen und hatte in einem Landwirtschaftsbetrieb gearbeitet. Ein Jahrzehnt später brauchte sie der Betrieb nicht mehr. Was nun? Die Antwort auf diese Frage bekam sie vom Bruder ihres damaligen Mannes. "Mein Schwager hatte immer tolle Ideen", erinnert sie sich. Die Ideen für Regina Frenzel waren ein Irrgarten, eine Fahrschule für hoffnungslose Fälle "und an die dritte erinnere ich mich nicht mehr".
Der Vorschlag mit dem Irrgarten gefiel ihr sofort. Mit Startkapital von ihren Eltern kaufte sie von der Treuhand ein Stück Land am Rand von Kleinwelka. Ab 4. April 1992 wurde daraus Deutschlands größter Irrgarten. Wasserrohre wurden verlegt, Wege gezogen, Pflanzen in die Erde gebracht. Die ganze Familie packte mit an, Freunde und Bekannte halfen. Frenzels zwei Söhne kamen sofort nach der Schule auf die Baustelle. Genau drei Monate nach dem Baubeginn konnte der Irrgarten öffnen.
Regina Frenzel geht zu einem Schrank und kehrt mit einem Fotoalbum auf die Couch zurück. "Hier, so sah das damals aus." Wie winzig die Pflanzen waren! Sie zeigt auf eine junge Frau im Bikini mit einer Schaufel in der Hand. "Das war ich!"
Die Pflanzen im Irrgarten wuchsen, die Liebe nicht. Eines Tages war das Ehepaar geschieden. Die Söhne wohnen mittlerweile in Dresden und haben selbst Kinder. So oft es geht, fährt Regina Frenzel nach Thüringen und hilft ihren betagten Eltern. Und dann packt sie in jedem Herbst, wenn der Irrgarten wieder für ein paar Monate seine Pforten schließen muss, ihre Koffer und geht auf Reisen. Richtig weit weg. Über ihrer Couch hängt eine Weltkarte. Eine kleine bunte Nadel steckt in jedem Land, das sie bereits besucht hat. Zum Beispiel Costa Rica, Panama, Äthiopien, Indien, Sri Lanka, Vietnam. "Ich lebe für meine Reisen", sagt sie mit leuchtenden Augen. "Ich kaufe mir nur selten etwas, leiste mir wenig – dafür reise ich." Die deutsche Regierung müsste Reisen in ferne Ländern finanziell unterstützen, findet sie. Denn dann bekämen die Reisenden die Mentalität der Einwohner in den Ländern direkt mit, und das dort ausgegebene Geld helfe Menschen, die es wirklich brauchen. "Jeder in Deutschland, der eine etwas mysteriöse Weltanschauung hat, müsste sich mal selbst die Welt anschauen."
Die nächste Reise führt nicht ganz so weit weg. Als Anfang dieses Jahres die Nachricht von Brandstiftung im Irrgarten die Runde machte, lud der Ifa-Ferienpark im vogtländischen Schöneck Regina Frenzel und ihre Mitarbeiter für ein paar Tage ein. Nach all dem Ärger ein Lichtblick. "Über diese Geste haben wir uns unglaublich gefreut."
Wenn sie wieder mal am anderen Ende der Welt sei, kümmerten sich liebe und aufmerksame Nachbarn um ihr Haus, ihr Aquarium und die drei Katzen. Drei? Bisher hat sich allein Felix bemerkbar gemacht. Frieda und Fritzel blinzeln nur kurz aus ihrem Korb an der Spitze des Kratzbaumes, dann schlafen sie weiter. Zwei Drittel von Regina Frenzels Katzentrio haben am liebsten ihre Ruhe. "Die beiden sind schon alt", erklärt Frauchen. Wie alt genau, weiß sie nicht. Frieda ist ihr irgendwann zugelaufen, genau wie Felix, der eines Tages vor der Tür ihres Hauses in Kleinwelka saß und nicht wieder weg wollte.
Fritzel hat sich Regina Frenzel aus dem Tierheim geholt. "Früher", erzählt sie, "mochte ich Katzen überhaupt nicht. Jetzt könnte ich ohne die Drei nicht mehr sein." Jeder Morgen beginnt mit ihnen.
Ins Schlafzimmer dürfen sie nicht. Aber sie sitzen schon davor und lauern, wenn Frauchen morgens aufsteht. Dann gibt es für alle Frühstück, ein dreistimmiges "Miau" und die ersten Streicheleinheiten des Tages – für die Katzen und für Regina Frenzels Seele.
Von Tilo Berger
Foto: Uwe Soeder