Dresden/Leipzig. Die Wissenschaft in Sachsen bekommt Unterstützung. An der Leipziger Universität denkt seit Dienstag ein neuer Supercomputer so wie das menschliche Gehirn. Zumindest so ähnlich. Er soll dann unter anderem in der genetisch basierten, personalisierten Medizin mithelfen.
Er könnte beispielsweise herausfinden, welches Krebsmedikament bei welchem Patienten am besten wirkt, bevor es überhaupt gegeben wird. Mit diesem Supercomputer lassen sich aber auch neue Materialien für extreme Zustände der Materie schaffen, wie sie die Kernfusion benötigt. Dieser Rechner wird eine solch große Menge an Wetterdaten präzise und schnell verarbeiten können, sodass dies die Wettervorhersagen und Klimamodelle verbessern wird.
System von Start-Up aus Dresden entwickelt
Dieses Computersystem wurde nicht etwa in Kalifornien oder Boston eingekauft, sondern in Dresden. Spinncloud, ein Dresdner Chip-Start-up, hat diesen Rechner entwickelt und gebaut. Die Firma ist eine Ausgründung vom Dresdner TU-Professor Christian Mayr. Grundlage dafür war jahrzehntelange Forschung in seinem Institut am Spinnaker-Chip, der die Funktion der menschlichen Neuronen nachahmt. Neuromorphe Chips nennt sich das, mit bioinspirierter Steuerung. Das System in Leipzig soll in der Lage sein, acht bis zehn Milliarden künstliche Nervenzellen gleichzeitig zu simulieren, erklärt Christian Mayr. Das entspreche rund zwölf Prozent der Leistung eines menschlichen Gehirns.
Zwar ist der Rechner von Spinncloud noch nicht so leistungsfähig wie dieses, aber die Denkprozesse sind den menschlichen Neuronen abgeschaut. Parallel und vorsortiert werden die Dinge entschieden, statt statisch linear abgearbeitet. Während herkömmliche Rechner die Daten zentral verarbeiten, wird hier sehr viel verteilt abgearbeitet. Das und weitere neue Rechenverfahren machen diesen Computer superschnell.

Sachsens Supercomputer benötigt vergleichsweise wenig Energie
Und energiesparend. Denn, das menschliche Gehirn ist nicht nur ein Wunderwerk an Rechenleistung, so effizient wie dieses arbeitet, das schafft bisher keine Technik. Sie nähert sich ihm aber weiter an. Dieser neue Computer benötigt immerhin 18-mal weniger Strom als normale Hochleistungsrechner.
„Diese neue KI-gestützte Technologie wird uns helfen, Proteinstrukturen vorherzusagen und ganz neue Wirkstoffkandidaten für die Arzneimittelforschung zu identifizieren“, sagt Humboldt-Professor Jens Meiler, Leiter des Leipziger Instituts für Wirkstoffentwicklung der Medizinischen Fakultät. „Dabei hoffen wir in der Zukunft Beschleunigungen um den Faktor 10.000 zu erreichen, wenn unsere Algorithmen für die neue Hardware angepasst sind.“
Vier Millionen vom Freistaat Sachsen: Neue Materialien, neue Medikamente
In der Startphase werden Forschungsgruppen der Universität Leipzig nun aus den Bereichen Medizin, Informatik und Physik das neue System nutzen sowie das Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften. Konkret wird zum Beispiel nach Wirkstoffen für einen Rezeptor gesucht, der bei Stoffwechselerkrankungen entscheidend ist.
Vier Millionen Euro kostet diese neue Rechentechnik in der Grundanschaffung, finanziert vom Freistaat Sachsen und gefördert vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung. „Diese Technologie ist ein Beispiel dafür, wie die Entwicklung personalisierter Medikamente massiv beschleunigt und gleichzeitig Europas technologische Souveränität im Bereich KI und Supercomputing gestärkt werden kann“, sagt Christian Mayr. Auch an seiner Uni rechnet ein Spinncloud-KI-Computer seit Anfang des Jahres. Der ist noch ein ganzes Stück größer.

Sachsen ist mit dieser Art von neuem Computing bundesweit führend. Diese neuartige Rechentechnik ist zusammen mit weiteren Großrechnern in Dresden und Leipzig ein Teil vom KI-Kompetenzzentrums Scads.AI finanziert vom Bund. Das ist ein bundesweites Forschungszentrum für Big Data und Künstliche Intelligenz. Mehr als 200 Forscher von KI und Supercomputing arbeiten hier zusammen.


