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Dorfgasthof mit Landebahn

Weil Kochen nicht reicht, um eine Gaststätte zu halten, will der Großbobritzer Wirt jetzt ein Eventpaket schnüren.

Lesedauer: 3 Minuten

René Mikat will hoch hinaus. Denn Essenkochen wird nicht reichen, um den alten Gasthof in Großdobritz zu retten. Deshalb kümmert er sich gerade um die Genehmigung einer Graslandebahn. 

Klingt unglaublich, ist aber für Ultraleichtflugzeuge durchaus denkbar. Platz scheint rund ums Dorf genug zu sein. Vom Gesetzgeber als Segelflieger mit Motorhilfe geführt, sind Starts und Landungen von Ultraleichtflugzeugen unter gewissen Auflagen möglich. 

Für den neuen Mieter des Gasthofs wäre eine solche Genehmigung ein Lichtstreif am Horizont, denn der Weinböhlaer, der in Dresden mit alten amerikanischen Autos handelt, hat auch hier Großes vor: Ein Rundumevent um Hochzeit, Party, Feiern will er anbieten, mit eigener Hotline für ein komplett zusammengestelltes Wochenende. 

„Ich könnte die Braut einfliegen oder das Brautpaar mietet sich einen Oldtimer fürs ganze Wochenende“, skizziert René Mikat seine Zukunftspläne. Dabei will er nichts dem Zufall überlassen. Den Passagier-Flugschein macht René Mikat dieses Jahr auf dem Flugplatz in Taucha bei Flydays. Außerdem baut er unentwegt. Denn gefeiert werden soll im historischen „Ball- und Concertsaal“. 370 Quadratmeter Historie aus den Anfängen des 19. Jahrhunderts.

Fast 400 Quadratmeter Ballsaal

Der ist zwar momentan eher eine Rohbaustelle, aber das war im Großenhainer Bergkeller schließlich auch mal der Fall. Nach hinten soll über die gesamte frühere Bühnenfront ein Durchbruch für eine Glasfront zum Garten kommen, wo die Gäste bei schönem Wetter sitzen und sich unterhalten können. „Ich weiß nicht, ich wollte schon immer so einen alten Saal umbauen, ich liebe sie einfach“, sagt René Mikat.

Es braucht zumindest solche Enthusiasten, damit es etwas wird. Ohne Mikat wäre der Ballsaal sicher abgerissen worden, irgendwann würde hinterm Gasthof ein Eigenheim stehen und im Gasthof gebe es – bestenfalls – auch ein paar Wohnungen. Für René Mikat, der Altes liebt, eine schreckliche, weil eine geschichtslose Vorstellung.

Wer eine Gesellschaft unterbringen will, kann den Gasthof mieten und seinen Koch nebst Service gleich mitbringen.

Seit Sommer 2016 wohnt der junge Mann mit seiner Lebensgefährtin, Kind und englischer Bulldogge Rocky im einstigen Dorfmittelpunkt. Musste miterleben, wie dieser Lebenspunkt im Ort erlosch. Von 2015 hatte Mikat noch die abenteuerlichen Geschichten über Andreas Brünner im Ohr. Der wollte den Gasthof kaufen, als der langjährige Wirt und Eigentümer Ullrich Schneider 2014 ankündigte, dass Ende des Jahres Schluss ist. 

Leider hatte Brünner keine ehrbaren Pläne. Es klang zwar toll, als er sein Konzept für ein Kinderprojekt namens „Lindenkids“ verlauten ließ – schließlich stellte sich jedoch heraus, der Mann war einfach ein Betrüger. Von der Razzia, bei der die Polizei etliche Schwarz-Waren im Dorfgasthof beschlagnahmte, sprechen die Großdobritzer heute noch. Danach wurde es auch nicht viel besser.

2016 mieteten dann Mahtal Said und seine Frau Chakar Sihem den Gasthof. Noch heute ziert den Schankraum ein Panoramabild, hinterleuchtet, azurblau, der Traum vom Süden. Nur die Hoffnungen der Betreiber auf ein gut gehendes griechisches Restaurant haben sich nicht erfüllt. Dass die nachfolgende Mieterin bereits die Neueröffnung verpatzte und anschließend versuchte, die Einrichtung auf Ebay zu verkaufen, die ihr nicht gehörte, war da nur noch eine Randnotiz einer Schreckensgeschichte. 

Der alte Gasthof von Großdobritz ist seit 2015 an ohne bodenständigen Gastwirt – erstmals seit 264 Jahren. Auch der Mietgasthof wird es nicht leicht haben, das weiß René Mikat. Er weiß ganz genau warum. Nicht nur, weil die Leute heute eher in die Stadt fahren.

Kommunen als Konkurrenz

Die Kommunen selbst machen es den letzten verbliebenen Dorfgasthöfen schwer, so René Mikat. Eine Meinung, die nicht neu ist und zum Beispiel in Lampertswalde immer wieder geäußert wurde, nachdem die Gemeinde dort neben dem opulenten Dorfgemeinschaftshaus in Lampertswalde selbst auch in Quersa ein komfortables Gemeinschaftshaus für Hunderttausende sanierte. In Großdobritz ist es die alte Schule , die René Mikat das Leben schwer macht.

Die Vereine kommen dort kostenlos unter, es gibt sogar einen Clubraum. „Da falle ich doch hinten runter“, schätzt Mikat realistisch ein. Schon deshalb will er Tagungs- und Seminarveranstalter sowie Gesellschaften mit seinem Konzept „Mietgasthof“ ansprechen. Reichen wird das nicht. Auch das ist ihm klar. „Im Sommer geht vielleicht der Biergarten gut, aber ansonsten kann der Mietgasthof nur der erste Schritt zu einem komplett ausgefallenen Angebot sein“, so Mikat.

 

Von Birgit Ulbricht

Foto: © Kristin Richter

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