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Dresden bekommt weltweit erste Anlage für eine neue Krebsbehandlung

Dresden. Schwere Technik rückt im Dresdner Uniklinikum an. Durch große Tore und enge Gänge. Nur wenige Millimeter Platz bleiben letztlich bis zum Türbalken vom Technikum.

Lesedauer: 4 Minuten

Stephan Schön

Dieses Technikum ist eigentlich ein Behandlungszimmer für Krebspatienten. Montagmittag wurde das neue Gerät für die Strahlentherapie an seinen Platz gebracht. Dresden bekommt damit einen neuartigen Computertomografen, der die weltweit besten Bilder macht. Der aber auch Daten aus dem Körperinneren für die Planung einer Krebstherapie liefert.

Es ist die weltweit erste Anlage dieser Art, die jetzt für eine Strahlentherapie mit Protonen aufgebaut wird – an der Dresdner Uniklinik. Diese Technologie soll die Protonentherapie geradezu revolutionieren. Besser geht es derzeit nicht. Besser, das heißt in diesem Fall: Präziser denn je und individuell auf jeden einzelnen Patienten abgestimmt, wird der Tumor mit einer genau geplanten Strahlenstärke zerstört.

Im Universitätsklinikum Dresden gehört die Krebsbehandlung mit der Protonentherapie schon immer zu den besten. Jetzt wird dort ein zusätzliches Gerät installiert, das erste weltweit, das die Strahlenplanung ganz erheblich verbessert. Es wird die präziseste überhaupt sein.
Im Universitätsklinikum Dresden gehört die Krebsbehandlung mit der Protonentherapie schon immer zu den besten. Jetzt wird dort ein zusätzliches Gerät installiert, das erste weltweit, das die Strahlenplanung ganz erheblich verbessert. Es wird die präziseste überhaupt sein.
Quelle: UKD/Michael Kretzschmar

Besser, das heißt auch: „Gesundes Gewebe um den Tumor kann geschont werden“, sagt Christian Richter der SZ. Er ist nicht Mediziner, sondern Physikprofessor. Richter leitet den Bereich Medizinische Strahlenphysik am Oncoray. Dies ist eine für Deutschland in dieser Art einmalige Klinik und Forschungsstätte zugleich. Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) und die Dresdner Universitätsmedizin haben sich da zusammengetan. Physiker, Ärzte, Biologen und Informatiker entwickeln dort neue, wirksamere Strahlentherapien mit weniger Nebenwirkungen.

Dresden bringt die weltweit beste Präzision zustande

Es geht dabei auch sehr um die Präzision, mit der der Tumor getroffen wird. Damit dieser restlos zerstört wird, muss auch gesundes Gewebe am Rand mit zerstört werden. Es gibt dafür den definierten Sicherheitssaum. Dessen Größe wiederum hängt von der Zuverlässigkeit der Bestrahlungsplanung ab.

Reichweite-Unsicherheit nennt es Professor Christian Richter. Wird diese Berechnung nun deutlich präziser möglich, dann kann dieser Sicherheitssaum kleiner gehalten werden. Und genau das liefert der neue Computertomograf, der jedes einzelne Lichtteilchen misst, das bei der Bildanalyse durch den Körper geschickt wird. Diese Daten sind es, die den Unterschied dann ausmachen.

Wir können damit jetzt auch bewegliche Tumore behandeln. – Christian Richter, Professor für Medizinphysik

Verglichen mit herkömmlichen CT-Analysen könnten so 55 bis 60 Prozent des gesunden Gewebes geschont werden. So zumindest erwartet es Richter. Und einen weiteren entscheidenden Vorteil nennt der Medizinphysiker: „Wir können damit jetzt auch bewegliche Tumore behandeln.“ Die Gewebeanalyse von solchen im Kopf, in der Lunge, an den Organen im Bauchraum und auch an der Prostata wird damit möglich. In der Summe bedeutet dies einen medizinischen Fortschritt, der Leben retten wird.

Professor Christian Richter ist Physiker und Mediziner - und Leiter der Medizinischen Strahlenphysik am Oncoray. Er arbeitet sowohl am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf als auch an der Universitätsklinik.
Professor Christian Richter ist Physiker und Mediziner – und Leiter der Medizinischen Strahlenphysik am Oncoray. Er arbeitet sowohl am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf als auch an der Universitätsklinik.
Quelle: Jürgen Lösel

Warum die Exaktheit der Berechnungen von so großer Bedeutung ist, hängt mit der Natur der Protonenstrahlen zusammen. Wenn diese Strahlung auf den menschlichen Körper gerichtet ist, kann sie dort bis zu 30 Zentimeter eindringen. Je nach Energie des Protonenstrahls und nach Art des Zellgewebes mal mehr, mal weniger weit. Die Protonen dringen im Prinzip nahezu zerstörungsfrei durch das menschliche Zellgewebe hindurch bis zu dem Punkt, an dem die Partikel letztlich steckenbleiben. Dort geben sie ihre größte Energiemenge ab und zerstören damit die DNA der Tumorzellen. Schonend für die umliegenden Organe, das macht die Protonentherapie generell attraktiv. Vorausgesetzt, die 3-D-Bilder und die Daten aus dem Körper sind exakt genug, sonst liefern die Therapie-Berechnungen ungenaue Werte. Stoppt der Strahl zu früh oder zu spät, also jenseits vom Tumor, dann zerstört er die gesunden Zellen.

Am „Nationalen Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie – OncoRay“ auf dem Campus des Universitätsklinikums Dresden wird der Einsatz von Protonen in der Krebstherapie patientennah und jenseits kommerzieller Zwecke weiterentwickelt. Zu sehen ist der Protonenbeschleuniger (Zyklotron), in dem die Protonen auf 70 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Trägerinstitutionen des OncoRay sind das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, die Medizinische Fakultät der TU Dresden sowie das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR).
Am „Nationalen Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie – OncoRay“ auf dem Campus des Universitätsklinikums Dresden wird der Einsatz von Protonen in der Krebstherapie patientennah und jenseits kommerzieller Zwecke weiterentwickelt. Zu sehen ist der Protonenbeschleuniger (Zyklotron), in dem die Protonen auf 70 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Trägerinstitutionen des OncoRay sind das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, die Medizinische Fakultät der TU Dresden sowie das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR).
Quelle: André Wirsig Weitergabe nur über OncoRay

Wenngleich bei medizinischen Verbesserungen die Vorteile überwiegen, so haben sie doch meistens auch Nachteile an anderer Stelle oder halt Nebenwirkungen. „Hier aber haben wir nur Vorteile“, sagt Christian Richter zur Präzisionsberechnung mit dem neuen CT. „Der einzige Nachteil sind die hohen Kosten.“ Zwei Millionen Euro hat der Computertomograf gekostet. Siemens Healthineers hat ihn gebaut. Als wissenschaftliches Großgerät wurde dies vom Bundesforschungsministerium als wichtig erachtet und finanziert. Mit der klaren Perspektive: Forschung und Patientenbehandlung. Translation nennt sich dies, wenn medizinische Forschung unmittelbar in klinische Anwendung überführt werden kann. Wenn Ärzte und Wissenschaftler von Anfang an zusammenarbeiten wie am Oncoray.

Zwei, drei Wochen wird es dauern, dann ist dieses Gerät installiert, kündigt Christian Richter an. „Dann beginnen wir mit Phantomuntersuchungen.“ Dummys, das sind runde und zylindrische Behälter, gefüllt mit solchen Stoffen, die die einzelnen menschlichen Organe im Röntgenlicht simulieren können. Diese Phantom-Behälter müssen dabei dieselben Eigenschaften in der Computertomografie haben wie letztlich Knochen, Muskeln, Haut, Fettgewebe oder die Lunge. „Wir simulieren dies für unterschiedlich große Patienten. Wie ist dies bei einem Erwachsenen, wie bei einem Kind?“ Männer und Frauen, dick und dünn. Jeder ist anders, und anders muss dann auch die Berechnung der Strahlendosis sein. Diese Dummys sind der erste Teil einer individualisierten Medizin, wie sie dann dort stattfinden wird.

Eine Revolution in der Strahlentherapie steht bevor

Es geht jetzt um den Nachweis, dass dieses Gerät eine Verbesserung der Tumorbehandlungen bringt. Dass die 3-D-Bilder vom neuen Computertomografen mehr Präzision bieten, wurde andernorts für die Diagnosen schon bewiesen. Dass aber neben den Bildern auch die Daten dieses Geräts für die Steuerung von Therapie tauglich sind, müssen die Dresdner noch zeigen. „Das werden wir in wenigen Monaten dann haben“, kündigt Christian Richter an. Danach kann der erste Patient mit einer Planung seiner Strahlentherapie auf völlig neuem Niveau behandelt werden.

Was aber alles eher nur ein Anfang ist. Christian Richter ist für etwas Größeres angetreten. Er will mit seinem Team in Echtzeit den Protonenstrahl anhand der Bilder aus dem Körper und mit KI anpassen und steuern. Denn selbst die Atembewegung beeinflusst das Bestrahlungsgebiet „Wir wollen zusammen mit der Industrie und den akademischen Partnern die nächste Generation der Protonentherapie entwickeln und in Dresden anwenden.“ Ein Mammut-Projekt, wie Christian Richter zugibt. Aber die Tonnen an neuer Technik, die jetzt ins Labor geschoben werden, die bringen ihn wieder ein Stück weiter.

SZ

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