Von Juliane Just
Dresden. Noch ist der Laden am Bischofsweg eine Baustelle. Einen Tag vor der Eröffnung von Dresdens erster veganer Fleischerei sind viele kleine Handgriffe zu machen. Am 7. Januar öffnet das Lokal, das es in dieser Form nur selten gibt: mit ausschließlich veganen Produkten von Fleisch-Imitaten über Käse-Erzeugnisse bis hin zu Wein. Alles ohne jegliche tierische Produkte hergestellt.
Dass sie damit genau den richtigen Nerv zur richtigen Zeit treffen, ist den beiden Inhabern Nils Steiger und Andreas Henning in den vergangenen Wochen bewusst geworden. „Der Ansturm ist riesig“, sagt Nils Steiger. Es hätten sich bereits Feinkostläden oder der Lebensmittelmarkt Konsum gemeldet. „Sie wollen die Produkte der veganen Fleischerei ins Sortiment aufnehmen, ohne die Produkte je gesehen zu haben“, sagt der 27-Jährige.
Dass die Worte „vegan“ und „Fleischerei“ sich eigentlich ausschließen, ist den beiden Veganern bewusst. „Wir wollen mit dem Namen provozieren“, erklärt Andreas Henning. Er ist Inhaber des Lokals „Der dicke Schmidt“, das nur wenige hundert Meter weiter ebenfalls vegane Speisen unter die Leute bringt. Dort wird derzeit im Akkord für die vegane Fleischerei gekocht und eingeweckt.
Geschmack ist das Totschlagargument
In dem Lokal gibt es künftig Produkte vom klassischen Braten über Suppen und Salate bis hin zu Aufstrichen. Gulasch, Leberwurst, Sülze, Leberkäse – für den Sachsen, der gern deftig isst, ist so einiges dabei.
Dabei wollen die Inhaber den Skeptikern vor allem einen Zahn ziehen: Dass Veganes nicht schmecken kann. „Für den Deutschen ist Fleisch eine Art heiliger Gral. Und das Totschlagargument ist immer der Geschmack. Wenn wir dieses Vorurteil lösen, gibt es keinen Grund mehr, überhaupt noch Fleisch zu essen“, betont Andreas Henning.
Es gehe um die Vermeidung des Tierleids, um die Ausbeutung der Mitarbeiter in der Fleischindustrie, um das ausgestoßene CO2 und noch viel mehr. „Wir können jeden Tag entscheiden: Hat mein Essen eine Konsequenz für die Welt?“, so Andreas Henning. Veganes Essen sei der geringste Aufwand mit dem größten Effekt.
„Wenn die Leute wüssten, was für ein Rattenschwanz an der Fleischindustrie hängt, würden sie es lassen“, ist er sich sicher. Viele seien mit Fleischprodukten aufgewachsen und hätten gar keine Vorstellung davon, wie man auf tierische Produkte verzichten soll. Die vegane Fleischerei soll zeigen: So schwer, wie man es sich vorstellt, ist es eigentlich gar nicht.
Dass der Laden in der Neustadt einzieht, ist kein Zufall. Alle Mitstreiter der Fleischerei wohnen im Kiez, außerdem stößt die vegane Lebensweise dort nicht auf Unverständnis. Doch auch in Strehlen, Pieschen und Striesen könnten sich die beiden vorstellen, dass das Konzept funktionieren könnte. „Ich würde mich auch in Gorbitz mit einem solchen Laden hinstellen, um die Menschen zu überzeugen“, sagt Nils Steiger, der hauptberuflich ein Fitnessstudio betreibt.
Ein Jahr von der Idee zur fertigen Theke
Die Idee zur veganen Fleischerei hatte Nils Steiger sozusagen aus eigener Not. „Vor etwa einem Jahr saß ich mit einem Freund zusammen und wir wollten irgendwo veganes Fleisch kaufen“, berichtet er. Doch die nächste Metzgerei fand sich laut seinen Angaben in Berlin. Die weitere Suche spuckte noch weiter entfernte Städte wie London oder Paris aus. „Ich wollte aber in Dresden einkaufen und war mir sicher, dass es vielen anderen Leuten auch so geht. So fing alles an“, erinnert sich der 27-Jährige. Die Suche nach Mitstreitern begann.
Eine Mitarbeiterin zieht den letzten Buchstaben des Schriftzuges „Friends not food“ über der Theke mit dem Pinsel nach, ein anderer hält die künftigen Angebotstafeln an die Wand. Noch zwei Millimeter hierhin, noch einen Zentimeter hoch. Schließlich soll am Eröffnungstag alles perfekt sein.