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Dresdner Forscher bauen Roboterhände mit viel Gefühl

Roboter greifen bisher wenig sensibel zu. Das soll sich ändern. Dafür schauen die Fraunhofer-Forscher sich die Konstruktionen von der Natur ab.

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht einen Robotergreifer, der einen Apfel hält
Robotergreifer mit haptischen Fähigkeiten können Äpfel und anderes Obst künftig schonender fassen und sortieren. Dabei passt sich der im Projekt BioGrip entwickelte Greifer der Apfelform an. Quelle: Christoph Wilsnack

Jana Mundus

Die Natur wird zur Lehrmeisterin. Was für die Evolution seit Jahrmillionen funktioniert, könnte bald auch für Maschinen und Roboter völlig neue Einsatzmöglichkeiten eröffnen. Wissenschaftler des Dresdner Fraunhofer-Instituts für Werkstoff- und Strahltechnik IWS arbeiten derzeit an technischen Systemen, die wie eine menschliche Hand greifen können. Dadurch sollen Roboter in Zukunft flexibel, sicher und mit dem nötigen Feingefühl zupacken können – ohne Dinge zu quetschen oder zu beschädigen. Die Forscher setzten dabei auf ein Prinzip, das Bionik oder Biologisierung genannt wird. „Die Natur ist voll von Lösungen“, sagt Hannes Lauer vom Fraunhofer IWS. „Wenn wir als Ingenieure nicht weiterkommen, lohnt sich immer der Blick auf ihre Konzepte.“

Das Fraunhofer IWS arbeitet in verschiedenen Projekten gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Forschung an künstlichen Greifern. Lauer betreut das Projekt BioGrip, in dem solche für robotische Systeme entwickelt werden. Dabei machen sich die Wissenschaftler unter anderem den sogenannten Finray-Effekt zunutze. Dieses Phänomen tritt bei den Flossen bestimmter Fischarten auf. Sie reagieren auf äußeren Druck nicht, wie man vielleicht erwarten würde, mit einem Ausweichen. Sie machen eine Gegenbewegung und umschließen die angreifende Kraft. Diese Eigenschaft hilft den Fischen bei der Fortbewegung im Wasser und dient nun als Vorlage für moderne Greiftechnologien.

Sensoren in den Greiffingern

Diesen Effekt nutzten die Ingenieure im Rahmen des BioGrip-Projekts. Sie druckten dafür mit Sensoren versehene Greifer, die Objekte sanft, aber sicher umfassen. Die Grundstruktur ähnelt dem Flossenskelett der Fische. Sie ist aus flexiblem Polyurethan gefertigt. Dank eines speziellen 3-D-Druckverfahrens können die Greifer präzise und robust hergestellt werden. Bei dem Verfahren wird Kunststoff von einer Rolle geschmolzen und Schicht für Schicht zu einer stabilen, aber flexiblen Struktur aufgebaut – exakt nach einem zuvor erstellten Computermodell.

Hält gefühlvoll den Messbecher, statt ihn zu zerbrechen: Durch das Glas sind die integrierten Sensoren der BioGrip-Greifer zu sehen.
Quelle: Christoph Wilsnack

Damit der Greifer nicht nur sicher zupacken, sondern auch fühlen kann, nutzen die Wissenschaftler eine besondere Technik. Ein spezieller Drucker trägt feine Muster aus Silberpaste auf die Finger des Greifers auf. Diese Muster werden dann mit Infrarotstrahlung behandelt, damit sie ihre volle Funktion entfalten. Wenn sich die Finger des Greifers bewegen, ändert sich der elektrische Widerstand in diesen Linien. So kann der Greifer jederzeit feststellen, wie stark er gekrümmt ist. Außerdem wird auf die Finger eine weitere Schicht aus Silber aufgebracht, zusammen mit einer dünnen isolierenden Schicht. Sie wirken wie eine Art Sensor: Wenn der Greifer etwas berührt oder drückt, verändert sich die Spannung zwischen den Schichten. Damit kann der Roboter erkennen, wie viel Kraft er einsetzt. Es entsteht fast so etwas wie ein künstlicher Tastsinn. Kombiniert mit Mikrosystemen in der verbauten Steuer- und Auswerteelektronik lässt sich eine Vielzahl weiterer Funktionen der menschlichen Hand simulieren. Denkbar wäre etwa, durch ein leichtes Schütteln des gegriffenen Objektes dessen Gewicht abzuschätzen.

Beerenpflücken ohne diese zu zerquetschen

Solch eine Technologie wäre Ausgangspunkt für neue Entwicklungen und Möglichkeiten. Damit könnten Roboter eine Erdbeere pflücken, ohne sie zu zerquetschen. Auch in der Raumfahrt, bei der Bergung unbekannter Proben auf dem Mars oder in der Industrie, wo mit empfindlichen Bauteilen gearbeitet werden muss, könnten sie den Menschen unterstützen. Das Projekt BioGrip ist nur ein Beispiel dafür, wie die Wissenschaftler am Fraunhofer IWS die Natur als Vorbild nutzen.

Das Projekt Nature 4 Nature beschäftigt sich mit der Entwicklung selbstreinigender Filter, die verhindern sollen, dass Kläranlagen Mikroplastik in die natürlichen Wasserkreisläufe und letztlich in die Weltmeere spülen. Da haben sich die Ingenieure von der Funktionsweise der Kiemen von Rochen, Paddelfischen und anderen Meeresbewohnern inspirieren lassen. Diese Tiere können winzige Partikel wie Plankton aus dem Wasser filtern, ohne dass ihre Strukturen verstopfen. Die Natur hat dazu clevere Mechanismen entwickelt: Bei Paddelfischen sorgen spezielle Bögen und Rechen in den Kiemen für Wirbel, die Nahrungspartikel anziehen. Mantarochen nutzen dagegen winzige Strukturen in ihrem Maul, die Partikel in Richtung des Rachens lenken, während das Wasser nach außen entweicht.

Der Paddelfisch ist ein Suspensionsfresser. Seine besonderen Filterfähigkeiten wollen die IWSForscher auf künstlich erzeugte Filtersysteme übertragen.
Quelle: Lukas Hageneder

Solche Prinzipien wollen die Dresdner Bioniker auf Filtersysteme übertragen, die Mikroplastik zuverlässig zurückhalten und dabei selbst sauber bleiben. Die Herstellung dieser bionischen Strukturen erfolgt in spezialisierten 3-D-Druckern. Doch bis solche Filtersysteme industriell einsetzbar sind, müssen noch viele Hürden genommen werden – von der Materialentwicklung bis zur Skalierung der Produktion.

Das Dresdner Fraunhofer IWS zeigt auch in anderen Bereichen, wie die Natur als Ideengeber dient: So gravieren Laseranlagen Lotus-Effekte und andere schmutzabweisende Muster auf Oberflächen, die dadurch weniger Reibung erzeugen oder Eisbildung verhindern. Das alles zeigt anschaulich, wie groß das Potenzial der Verbindung aus Biologie und Technologie ist. Die Wissenschaft ist jetzt erste Schritte gegangen, doch die Natur hält noch viele Tricks bereit, die entdeckt werden wollen. Wer weiß, wozu die dann gut sind.

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