Wie Darren Ehlert die Hallorenkugeln und die Delitzscher Schokoladenfabrik
wieder auf Erfolgskurs bringt.
Von Sven Heitkamp
Delitzsch. Darren Ehlert empfängt seine Besucher in Jeans und rotem Poloshirt. Auf dem Besprechungstisch der Delitzscher Schokoladenfabrik liegen tütenweise Kamelle-Kaubonbons in buntem Papier. Der Unternehmens-chef mit den grauen Haaren und dem verschmitzten Lächeln klappt ein Tablet auf und zeigt lustige Kommentare aus dem Netz, von Comedian Ole Waschkau zum Beispiel. Er hat Bilder von den bunten Fruchtkaramellen gepostet und geschrieben: „Diese Dinger haben seit 60 Jahren das gleiche Design, aber niemand weiß, wie die heißen oder wer sie herstellt.“ Jemand hat darauf sinngemäß geantwortet: „Und ich dachte immer, die kommen aus dem Schrank meiner Oma.“
Darren Ehlert weiß mehr. Die Böhme Fruchtkaramellen stammen von ihm, oder besser: aus seiner Delitzscher Fabrik. Er nennt sie schlicht „Frukas“ und erzählt, wie sie vor mehr als 20 Jahren mit der Süßwarenfirma Wissoll von Mülheim an der Ruhr nach Delitzsch umzogen. Dort werden sie seither als einziges Nichtschokoladenprodukt hergestellt, nicht nur für die Karnevalssaison. „Die Frukas gehören zu unseren Bestsellern“, sagt Ehlert. Hunderte Millionen werden davon im Jahr produziert. Kein Wunder, dass der lustige Schlagabtausch im Netz zu einer der größten Social-Media-Erfolge des Unternehmens wurde – und ein Weckruf, den digitalen Firmenauftritt noch einmal zu überdenken. „Das war sehr lehrreich für uns.“
Eigenmarken für Supermärkte
Eigentlich sind die CDU-Bundestagsabgeordnete Christiane Schenderlein, ihr Büroleiter Daniel Knischourek und der CDU-Fraktionschef im Delitzscher Stadtrat, Matthias Plath, gekommen, um mit Ehlert über die Energiepreisbremse, Fachkräftemangel und Krankheitsausfälle wegen Corona zu sprechen. Doch nun sind sie sichtlich amüsiert. So locker und entspannt dürften sie sich den Chef einer der traditionsreichsten Marken Ostdeutschlands kaum vorgestellt haben. Darren Ehlert ist der Herr über die berühmten Hallorenkugeln aus Halle und zugleich Geschäftsführer der Delitzscher Schokoladenfabrik, die vor allem Eigenmarken für Supermärkte produziert. Ehlert und seinem Kompagnon Frank Illmann gehören mehr als 90 Prozent der Halloren mit rund 150 Mitarbeitern und 100 Prozent der Fabrik in Delitzsch mit 270 Beschäftigten.
2014 war der Name Darren Ehlert wie aus dem Nebel aufgetaucht: Da kaufte ein branchenfremder Amerikaner plötzlich Anteile der ins Straucheln geratenen Halloren. Einer aus der Immobilienbranche, der früher bei der pleitegegangenen Investmentbank Lehman Brothers gearbeitet hat. Ein Finanzhai? Eine Heuschrecke? Die Wirtschaftswoche titelte 2015: „Schokoproduzent setzt auf mysteriösen Investor“. Ein kommunikativer Super-GAU.
XXL-Wohnmobil umgebaut
Wer Darren Ehlert kennenlernt und seine Vita hört, bekommt ein anderes Bild. Das rote Poloshirt ist sein Markenzeichen geworden, keine teuren Designeranzüge. Im Hof der Fabrik steht ein feuerroter Mercedes-Wohnmobiltruck mit Halloren-Werbung, mit dem der Firmenchef seit fünf Jahren kreuz und quer durch die Republik reist, nach Halle, Delitzsch, zu Dienstreisen und ins Münsterland, wo er mit seiner Familie lebt. „Die Belegschaft soll keine Angst vor mir haben, sondern mich einfach als Menschen sehen“, sagt der Fabrikbesitzer. Für das XXL-Wohnmobil, das er sich hatte umbauen lassen, habe er eigens den Lkw-Führerschein gemacht.
Geboren ist der 49-Jährige mit amerikanischem und kanadischem Pass, der perfekt Deutsch mit leichtem Akzent spricht, in Minnesota. Er wächst in den USA und Kanada auf, doch seine Beziehung zu Deutschland beginnt schon früh: Mit 18 Jahren ist er bereits Austauschschüler in Ludwigsburg. Er studiert Betriebswirtschaft in Utah und lernt im Studium seine spätere Ehefrau kennen – eine Kommilitonin aus Deutschland. Seine Karriere beginnt er bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers in Minneapolis. Von 2001 bis 2005 arbeitet er für Lehman Brothers in London. „Die Bank ist das Symbol für die Finanzkrise – aber sie war nicht ihre Ursache“, betont Ehlert.
2006 gründet er gemeinsam mit Frank Illmann sein eigenes Unternehmen In-west Partners, das auf Immobilien und Vermögensverwaltung spezialisiert ist. „Ich wollte mich immer selbstständig machen“, sagt Ehlert. Zugleich lässt sich der bodenständige Familienvater im Münsterland nieder, weil seine deutsche Frau zurück zur Familie möchte. In-west Partners eröffnet auch ein Büro in Halle mit fast 20 Mitarbeitern. So lernt Ehlert die Halloren kennen und bekommt Einblicke ins Unternehmen, das schwierige Zeiten durchmacht: Eigentümer wechseln, es gibt interne Querelen, die Fabrik schreibt rote Zahlen. Zunächst kauft er kleinere Anteile, doch 2018 entscheidet er sich, die Geschäfte zu lenken und wird ab 2019 Vorstand. „Ich habe die Halloren nicht gekauft, um sie nach ein paar Jahren gewinnbringend zu veräußern“, betont er. „Mein Ziel ist es, ein kleines, feines Unternehmen daraus zu machen.“
Klassiker und neue Trends
Das ist allerdings ein langer Weg. „Es wurde jahrelang eine falsche Unternehmenspolitik verfolgt“, sagt der Seiteneinsteiger. „Es gab die falschen Produkte zu falschen Preisen mit falschen Kalkulationen.“ Statt ständig steigenden Umsätzen mit neuen Märkten und neuen Produkten nachzujagen, wolle er ein rentables Geschäftsmodell aufbauen. Er nimmt die angeschlagenen Halloren wieder von der Börse, trennt die Auslandstöchter ab und begrenzt das Kerngeschäft der Schokokugeln auf Mitteldeutschland, Berlin und Nordrhein-Westfalen. Sein Team stellt einige Kugelsorten ein und konzentriert die Palette auf den Klassiker „Original Halloren Kugeln“. Zugleich erfindet sein Team die neuen „Halloren O’s“ und „Cookie Dough-Pralinen“, die sich auch international sehr gut vermarkten. Schon voriges Jahr machten die O’s nur acht Monate nach ihrer Einführung 30 Prozent des Kugel-Umsatzes. „Wir schaffen mit den O’s schon jetzt mehr Auslandsgeschäft, als es die Hallorenkugeln je vermocht haben“, rechnet Ehlert vor.
Außerdem investiert Ehlert weiter in die Hallesche Traditionsfabrik. Inzwischen sind die Halloren aus den Schulden heraus, schreiben beinah schwarze Zahlen und steuern mit ihren gut 20 Millionen Euro Jahresumsatz wieder auf Erfolgskurs. In die Delitzscher Fabrik, die in früheren Jahren ebenfalls öfter in Schwierigkeiten geraten war, stecken die Firmenchefs mehr als zwölf Millionen Euro für neue Produktionskapazitäten, effizientere Heizungsanlagen und Solarpanels auf den Fabrikdächern. „Wir decken schon 20 Prozent unseres Strombedarfs selbst und halbieren den fossilen Energiebezug“, sagt Ehlert. „Ich will ein unabhängiges, gesundes Unternehmen bauen – und setze auf Mitarbeiter, die hinter unseren Produkten stehen.“