Sabine Skwara vom Arzneimittelkonzern GSK über das geplante Kassen-Spargesetz,
dadurch gefährdete Jobs und die Bedeutung des Biotech-Standorts Dresden.
Von Martina Hahn
Corona, die alternde Gesellschaft und ausgeweitete Leistungen der Kassen haben in die Budgets der Gesetzlichen Krankenkassen, GKV, tiefe Löcher gerissen. Erwartet wird für 2023 ein Defizit von 17 Milliarden Euro. Nun will das Bundesgesundheitsministerium die GKV über ein GKV-Finanzstabilisierungsgesetz – andere nennen es GKV-Spargesetz – unterstützen; im Herbst soll der Bundestag über einen Entwurf abstimmen. Das Gesetz belaste forschende Pharmaunternehmen besonders stark – und gefährde den Standort Sachsen, mahnt Sabine Skwara,
Frau Skwara, wie will Gesundheitsminister Lauterbach die Pharmabranche zur Kasse bitten?
Nachdem die Arzneimittelhersteller schon seit Jahren streng reguliert werden und gesetzlich verpflichtet sind, den Krankenkassen vielfältige Rabatte zu geben – womit die Industrie in den vergangenen zehn Jahren übrigens bereits einen Sparbeitrag in Höhe von rund 72 Milliarden Euro geleistet hat –, sollen nun weitere Abgaben folgen. Geplant sind noch höhere Zwangsrabatte für Innovationen und Regulierungen für innovative Arzneimittel. Wir reden hier von Mehrbelastungen in Milliardenhöhe.
Was ist daran falsch, die Pharmabranche zur Stabilisierung der GKV mit einem solchen Solidarbeitrag mit einzubeziehen?
In der Krise müssen alle mit anpacken und mithelfen, damit das Gesundheitswesen funktioniert. Daran besteht kein Zweifel. Politik, Pfleger und Ärztinnen sowie Mitarbeitende von Krankenhäusern, Apotheken und Pharmaunternehmen müssen alle Bestmögliches leisten. In der Pandemie haben das alle gemacht. Aber die Lasten müssen fair verteilt werden. Das aber werden sie nicht, wenn der Gesetzentwurf in seiner jetzigen Form in Kraft tritt. Die Arzneimittelhersteller sind nicht die Verursacher des GKV-Defizits! Der Anteil der Arzneimittelausgaben an den GKV-Ausgaben ist seit vielen Jahren konstant. Sie könnten eine Wasserwaage daranlegen!
Sehen Sie den Biotechnologie-Standort Deutschland – konkret auch Sachsen – durch das geplante Gesetz gefährdet? Fürchten Sie, dass die forschende Pharmaindustrie abwandert und Forschung in Deutschland ausgebremst wird?
Das geplante Gesetz ist auf jeden Fall ein fatales Signal an eine der forschungsintensivsten Branchen Deutschlands. Pharmazeutische und biotechnologische Unternehmen denken global: Wir stehen in Konkurrenz zu anderen Standorten – europaweit und weltweit. Stärkere Belastungen können dazu führen, dass diese Zukunftsinvestitionen nicht mehr in Deutschland oder Sachsen getätigt werden. In einer Wirtschaftskrise muss der Staat die Rahmenbedingungen für Unternehmen verbessern, nicht verschlechtern. Nur so fördert man Forschung und Innovationen. Und sichert Arbeitsplätze.
Auch die Versorgung mit neuen Arzneimitteln und Impfstoffen?
Ja. Wenn sich die Forschung, Entwicklung und Herstellung neuer Arzneimittel in Deutschland mittel- und langfristig nicht mehr rentieren, wirkt sich das auf die Versorgung aus.
Was ist Ihr alternativer Vorschlag, wie das Milliardendefizit behoben und die Finanzlage der GKV stabilisiert werden müsste?
Es gibt strukturelle Defizite im System, die die Politik mit allen Beteiligten – mit den Kassen, Krankenhäusern, Pharmaindustrie und Ärzt:innenvertretung – angehen muss. Das erfordert eine verantwortungsvolle, gut durchdachte und weitsichtige Gesundheitspolitik, die auch wirtschaftliche Folgen mit abschätzt.
Und wo sehen Sie die Rolle von Pharmaunternehmen wie GSK?
Wir möchten uns nicht wegducken, sondern mit am Tisch sitzen. Und noch mal: Arzneimittelunternehmen leisten in Deutschland bereits ihren Einsparbeitrag und ermöglichen Spitzenforschung und gute Arbeitsplätze. Damit garantieren wir dem Staat jedes Jahr einen hohen Steuerbeitrag, der dem Allgemeinwohl und unserem Sozialwesen zur Verfügung steht. Eine innovative Gesundheitsversorgung gibt es nicht zum Nulltarif.
Stichwort Jobs: Wie profitiert die sächsische Biotechnologie von dem Dresdner GSK-Werk?
Wir sind Mitglied im pulsierenden Netzwerk für Biotechnologie, Medizintechnik und Gesundheitswirtschaft Biosaxony. In dieses Netzwerk bringen wir Know-how und Expertise ein. Und wir bilden – auch davon profitiert Sachsen – am Standort Dresden aus, zurzeit 30 Frauen und Männer, darunter auch Student:innen. Diese Fachkräfte bleiben nicht alle bei uns, sie gehen auch in andere sächsische Unternehmen.
Und welche Rolle spielt der sächsische GSK-Standort im GSK-Konzern selbst?
Eine große Rolle. Was wir in Dresden machen, wird so an keinem anderen Standort des Konzerns gemacht: Bei uns werden Grippeimpfstoffe für die ganze Welt produziert!