Die Tagebausanierung in Sachsen und Brandenburg geht voran, allerdings längst nicht so schnell wie erhofft. Für einige Pläne sind die Chancen auf eine Umsetzung drastisch gesunken.
Leipzig/Senftenberg. Als in den 1990er Jahren die Braunkohlesanierung in Ostdeutschland begann, war sie verbunden mit vielen Wünschen, Träumen und Hoffnungen. Die geschundene Landschaft sollte wieder erblühen, aus den aufgegebenen Gruben in der Lausitz und im mitteldeutschen Revier sollten Natur- und Freizeitparadiese werden.
Vieles ist inzwischen erreicht worden. Allerdings zeigt sich auch, dass die Probleme auf der „größten Landschaftsbaustelle Europas“ mancherorts größer sind als anfangs gedacht. Statt von einem Ende der Braunkohlesanierung 2030/35 werde inzwischen vom Jahr 2070 ausgegangen, sagt die Präsidentin der Landesdirektion Sachsen, Regina Kraushaar.
In der Leipziger Region waren es zuletzt vor allem zwei Ereignisse, die die Euphorie mächtig ausgebremst haben: die Sperrung des Störmthaler Kanals zwischen dem Markkleeberger und dem Störmthaler See 2021 wegen Rissen und die mehr oder minder endgültige Absage an den Bau des Harthkanals zwischen dem Cospudener und dem Zwenkauer See Anfang dieses Jahres wegen völlig aus dem Ruder gelaufener Kosten. Die schöne Vision eines „Leipziger Gewässerverbundes“ wird vorerst keine Realität werden.
Die Sperrung des Störmthaler Kanals erwischte Stephan Mann damals kalt. Er ist Betriebsleiter der Personenschifffahrt im Leipziger Neuseenland. Die Firma ließ drei Ausflugsboote zwischen den Seen fahren, inklusive Schleusung, um einen Höhenunterschied von vier Metern zu überwinden. „Die Sperrung im März 2021 war ein großer Einschnitt bei uns im Unternehmen. Das war ja bei uns eigentlich die Hauptattraktion“, sagt Mann. „Wir mussten Personal entlassen.“ Mittlerweile betreibt die Firma nur noch zwei Schiffe.
Die Boote drehen getrennt ihre Runden – und eine Lösung für den Kanal ist bislang nicht in Sicht. Der Bergbausanierer LMBV gab zunächst ein Gutachten zu den Ursachen für die Risse in der Kanalböschung in Auftrag. Das Ergebnis wird 2023 erwartet. Auch wenn die Aussichten auf eine zeitnahe Lösung nicht positiv sind, hofft Mann dennoch mmittel- und langfristig auf eine Wiederöffnung. „Wenigstens der Kanal und die Schleuse, die jetzt schon vorhanden sind, sollten wieder in Betrieb gehen“, findet er.
1989 gab es in der DDR 39 aktive Tagebaue. 31 davon wurden bis 1999 stillgelegt, der Rest privatisiert. Seither haben Bund und Länder viele Milliarden in die Braunkohlesanierung gesteckt. Das Bundesfinanzministerium sprach Ende vorigen Jahres von 11,9 Milliarden Euro. Bis 2027 sollen noch einmal 1,44 Milliarden Euro dazukommen.
Doch nicht nur Bund und Länder haben viel Geld in die Hand genommen, auch die Kommunen an den neu entstandenen Seen und private Akteure haben längst Millionen investiert – in die Erschließung von Grundstücken, in den Bau von Straßen und Parkplätzen oder in den Betrieb von Bootsverleihen und Gastrobetrieben.
Dass die Geldquellen aber nicht unerschöpflich sind, zeigte sich in diesem März am Harthkanal. Auf ihm sollten Boote und Schiffe von einem See zum anderen fahren können. Doch nachdem sich die Kosten auf mindestens 150 Millionen Euro verzehnfachten, wurde der Bau abgeblasen. Lediglich ein Bauwerk für Hochwasserschutz und Wassermanagement an den Seen soll es auf jeden Fall geben, der touristische Teil gilt nur noch als Option.
„Für mich ist das schon seit fünf Jahren klar, dass es den Kanal nicht geben wird“, sagt Benedikt Kahlstadt, Geschäftsführer bei der Sächsischen Seebad Zwenkau GmbH. Niemand habe sich getraut, eine Entscheidung zu treffen. „Man hätte das mit mehr Schwung umsetzten müssen“, kritisiert er.
Auch wenn er angesichts der Kosten Verständnis habe, sei die Absage trotz allem ein herber Rückschlag für den Tourismus in der Region. „Das Ziel attraktive Wassersportregion, das wird man ohne eine Verbindung der Gewässer nicht erreichen“, so Kahlstadt. Es sei „ein Schlag ins Gesicht für diejenigen, die über Jahrzehnte diese Pläne entwickelt haben“. Durch die Absage habe man nun aber wenigstens Klarheit.
In der Lausitz läuft es besser
Im Lausitzer Seeland ist der Bau von Kanälen besser vorangekommen, wenn auch nicht so schnell wie erhofft. Nach Angaben der LMBV wurden zehn von zwölf geplanten Verbindungen gebaut. Zwei davon sind für den Schiffs- und Bootsverkehr tatsächlich auch freigegeben.
Als erster Wasserweg direkt an der sächsisch-brandenburgischen Landesgrenze wurde bereits 2013 der Koschener Kanal zwischen Senftenberger und Geierswalder See eröffnet. Laut dem brandenburgischen Zweckverband für das Lausitzer Seenland wurde die Schleuse in dem gut einen Kilometer langen Kanal in der vergangenen Saison exakt 3.680 Mal genutzt, was etwas unter dem jährlichen Durchschnitt lag.
Seit 2018 können Bootsführer und Freizeitkapitäne zudem über den Barbara-Kanal vom Geierswalder in den Partwitzer See fahren.
Wenn im Kerngebiet der neuen Urlaubsregion alles nach Plan läuft, werden vier benachbarte Seen bis Ende 2025 einheitliches Niveau erreichen, wie LMBV-Sprecher Uwe Steinhuber berichtet. Bei ausgeglichenem Wasserspiegel könnten dann drei längst fertige, aber derzeit gesperrte Kanäle öffnen, darunter der Ilse-Kanal zwischen Großräschener und Sedlitzer See.
Die Einbindung weiterer Seen in die Kette wird jedoch noch eine Weile auf sich warten lassen. Seit es 2010 im Nordosten von Sachsen eine gewaltige Rutschung zwischen Bergen und Spreetal gab, bei der früheres Bergbaugelände großflächig einbrach, herrscht laut Steinhuber deutlich größere Vorsicht.
Wie gefährlich locker gelagerte Kippen sind, zeigte sich auch südlich von Hoyerswerda, als im März 2021 rund eine Million Tonnen Erdreich in den Knappensee rutschten. Sie lösten eine hohe Welle aus, die das gegenüberliegende Ufer heftig traf. Der Vorfall verzögert nun ein Sanierungsprojekt, für das der See 2014 gesperrt und umzäunt worden war. Die Böschungen der 1945 unkontrolliert gefluteten Braunkohlegrube seien zwar mittlerweile zum großen Teil gesichert. „Am Ostufer brauchen wir jedoch noch lange“, räumt Steinhuber ein.
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Der Knappensee ist eine Baustelle abseits des Kerngebiets in der Lausitz, wo künftig zehn Gewässer untereinander verbunden sein sollen. Bis in die 2030er Jahre hinein wird es wohl dauern, dass sich die künstliche Seenlandschaft mit insgesamt rund 7.000 Hektar Fläche komplett auf dem Wasser erkunden lässt. „Die Kanäle kommen, wenn auch zeitversetzt“, sagt Steinhuber. Schließlich erfordere der Ausbau für den Tourismus größeren Aufwand und damit zusätzliches Geld. (dpa)