Daniel Prinz von Sachsen hält seinen Mercedes vor einer Waldlichtung und zeigt durch die Windschutzscheibe nach draußen. „Alles, was irgendwie noch nach stehendem Baum aussah, haben wir stehenlassen“, erklärt er. „Ansonsten wurden hier die Wurzelstöcke weggefräst, um eine Fläche für eine neue Saat vorzubereiten.“ Die lockere schwarze Erde ist gemulcht, im Frühjahr sollen hier Eicheln eingesetzt werden, die dann hoffentlich ausschlagen.
Der Chef der Wettinischen Forstverwaltung blättert in großen Karten und Tabellen, die er ausgedruckt hat, dann zeigt er eine Luftaufnahme dieses Waldstückes, des Reviers Kreyern, aus dem vergangenen Frühjahr: An der Stelle der vermeintlichen Lichtung gab es noch eine geschlossene Waldfläche, Fichten, Kiefern, Eichen, Buchen standen hier. Dann kam Friederike.
Das Sturmtief setzte den Wäldern im Freistaat im Januar in nie gekannter Weise zu, 13 800 Festmeter Holz „fällte“ es allein im Wald des Prinzen, im gesamten Freistaat entstanden laut aktuellem Waldzustandsbericht des Staatsbetriebs Sachsenforst rund 2,5 Millionen Kubikmeter Schadholz durch Friederike und zuvor Herwart.
Der kleinste Wind reicht aus
Am Rand der freien Waldfläche liegt eine umgeworfene Fichte. Sie ist allerdings kein Überbleibsel von Friederike, die Schäden im Wald wurden mittlerweile fast alle beseitigt, erklärt der Prinz. „Das sind alles Würfe der letzten zwei, drei Wochen.“ Im Moment reicht der kleinste Wind aus, um angeknackste Bäume umzuwerfen. Vor allem bei böigem Wind sollte man den Wäldern deshalb noch fernbleiben.
„Zurzeit kann sich keiner leisten, Bäume zu entnehmen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit noch so groß ist, dass sie in nächster Zeit geworfen werden“, erklärt von Sachsen. Der Holzmarkt sei vollkommen dicht, übersättigt durch das viele Holz, das außerplanmäßig ankam. Normalerweise könnte von Sachsen aus seinem Wald 4 500 Festmeter Holz im Jahr entnehmen, ohne dass der Wald einen Verlust erleidet. „Das heißt, ich darf nun vier Jahre lang kein Holz einschlagen, um wieder da zu sein, wo ich eigentlich sein müsste.“
Stürme waren nicht das einzige Problem für die Bäume in diesem Jahr: Die lange Trockenheit senkte ihre Abwehrkräfte gegen Borkenkäfer deutlich. Das Foto zeigt die runden Ausfluglöcher in der noch verbliebenen Rinde eines befallenen Baumes. © Dominique Bielmeier
Nächstes Problem: Wegen der langen Trockenheit sind die Bäume kaum gewachsen, manche haben zum Schutz ihre Nadeln oder ihr Laub abgeworfen, andere, wie die Eiche, in Todesangst massenhaft Früchte produziert, damit wenigstens die Nachkommen eine Chance haben.
Besonders hart getroffen, das hat auch der Waldzustandsbericht gezeigt, hat es die Fichte. „Wenn es noch so ein Jahr wird, dann sieht es ganz schlecht aus, vor allem für die Fichte“, sagte Landesforstpräsident Hubert Braun bei der Präsentation des Berichts. Daniel von Sachsen fährt an eine andere Stelle seines Waldes, steigt dann aus und geht mit Schweißhund Ayck ein Stück in den Wald hinein.
Er zeigt auf eine Fichte, die zur Krone hin immer heller wird: Borkenkäfer haben ihr ziemlich zugesetzt, die dicke Rinde ist schon an vielen Stellen abgefallen, von Sachsen kann große Stücke mit der Hand abziehen. Er zeigt auf die verästelten Brutgänge, die die Insekten unter die Rinde gefressen haben, auf die kleinen Löcher, durch die sie ausgeflogen sind. Wie kann man gegen den Befall vorgehen?
„Rausholen, alles rausholen“, sagt von Sachsen. Eine andere Chance gebe es nicht. Er zeigt auf die umliegenden Bäume: Unzählige zeigen ebenfalls hellbraune Spitzen, auch sie werden gefällt werden müssen. Der Wald wird noch lichter – und die Bäume noch anfälliger für Stürme.
Scheu vor der Schadenshöhe
Welche Kraft Friederike hatte, zeigt Daniel von Sachsen an einer anderen Stelle seines Waldes: Hier liegt tatsächlich noch eine riesige Eiche, die der Sturm umgeworfen hat. Über zwei Meter ragt ihr Wurzelteller in die Luft, ihr Stamm reicht Prinz von Sachsen bis über die Hüfte. Hat er den Schaden an seinen insgesamt 1200 Hektar Wald eigentlich einmal ausgerechnet? „Nee“, sagt von Sachsen. „Ich bin ein lebensfroher Mensch, aber wenn ich den ausrechnen würde, würde ich wohl in eine Jahresenddepression fallen.“
Von Dominique Bielmeier
Foto: © Norbert Millauer