Von Olivia Daume
Dresden. In den Straßen Sachsens bahnt sich eine stille Krise an, die bald mehr als jeden dritten Busfahrer betreffen könnte. Während die aktuellen Zahlen noch Entspannung vorgaukeln, deutet ein Blick in die Zukunft auf eine drohende Lücke im Fahrerbestand hin. Besonders besorgniserregend ist die Lage im Regionalbusverkehr, im Linienfernverkehr und im Reisebusverkehr.
Derzeit gibt es in Sachsen über 7.500 Busfahrer. Das sei der höchste Stand der letzten Jahre, heißt es vom Sprecher der Landesarbeitsagentur Frank Vollgold. Auch in Dresden gibt es noch keinen Busfahrermangel wie andernorts in Europa. Im März 2024 waren bei den dortigen Verkehrsbetrieben (DVB) 267 Busfahrer und 187 Kombifahrer angestellt – also Fahrer, die sowohl Bus als auch Straßenbahn fahren dürfen. Fehlen würde keiner, wie Frank Lösch, ein Sprecher der DVB auf Nachfrage von Sächsische.de, mitteilt.
„Pauschal von einem Mangel würde ich noch nicht sprechen“, sagt Vollgold. „Durchschnittlich sind in Sachsen über 4.300 Frauen und Männer mit Berufen in der Fahrzeugführung im Straßenverkehr arbeitslos gemeldet. Dem gegenüber stehen 550 freie Stellen.“ Doch die Krise könnte nur noch wenige Stopps entfernt sein: „37 Prozent der Busfahrer sind 55 Jahre und älter. Das bedeutet, dass mehr als jeder dritte Busfahrer in den kommenden zehn Jahren in den Ruhestand geht“, so Vollgold.
So ist die Lage bei den Dresdner Verkehrsbetrieben
Derzeit können die DVB noch genügend Quereinsteiger gewinnen, die sie zu Busfahrern ausbilden. „Wir haben auch viele Busfahrer, die aus anderen Ländern zu uns gekommen sind“, sagt Lösch. Auch die Lehrstellen bekämen sie besetzt. Doch wenn es um neue Mitarbeitende mit schon vorhandenem Busführerschein geht, sei der Markt ziemlich leer: „Ganz besonders schwierig ist die Suche nach Fahrlehrern.“ Das städtische Unternehmen müsse bereits in den kommenden fünf Jahren mehr als 100 solcher Fahrer altersbedingt ersetzen.
Was die Suche nach neuem Personal insbesondere in Sachsen erschwere, seien geringe Löhne, so ein Verdi-Sprecher. 2022 bekamen sächsische Busfahrer laut Entgeltatlas der Arbeitsagentur im Durchschnitt 2.908 Euro. Nur in Brandenburg verdiente man noch weniger. Mittlerweile liege Sachsen bei der Bezahlung vor Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Auch das Deutschland-Ticket, das der Bund zwar bestellt, aber noch immer nicht ausreichend gegenfinanziert hat, sorgt in der ÖPNV-Branche für große Sorgenfalten und Löcher in den Kassen. „Durch das Finanzloch können die meisten Verkehrsunternehmen kaum ihr Angebot erhalten, von einer Angebotserweiterung oder dichterem Takt ganz zu schweigen“, so der Sprecher. „Wenn künftig Qualitätseinschränkungen zu befürchten sind, dann zuerst aus dieser Richtung.“ Ausfälle und Änderungen bei den Fahrplänen, die auf einen Busfahrermangel zurückzuführen waren, gab es nach Angaben der DVB bisher nicht.
Diese Maßnahmen verfolgt die Oberlausitz
Im Landkreis Bautzen fahren die Busse ebenfalls wie gewohnt, heißt es von der Regionalbus Oberlausitz GmbH. Allerdings würden auch dort in den nächsten Jahren immer mehr Fahrer das Renteneintrittsalter erreichen. Auch wenn viele von ihnen bereit wären, auch mal einen Dienst zu übernehmen, wolle der Betrieb bei seinen Fahrern kein Burn-out hervorrufen. Um die aufkommenden Lücken zu schließen, übernehme die GmbH daher gerne ihre Azubis. Weiter könnten die Zahl der Ausbildungsplätze erhöht oder Subunternehmen ins Boot geholt werden, um zukünftigen Ausfällen entgegenzuwirken. Busfahrer aus dem Ausland seien ebenfalls eine Option.
Doch in Europa fehlen bereits 105.000 Busfahrer, so die International Road Transport Union (IRU). Bis 2028 werde sich der Mangel voraussichtlich mehr als verdoppeln. IRU-Generalsekretär Umberto de Pretto begründet den enormen Mangel unter anderem mit der geringen Zahl junger Menschen, die in den Beruf einsteigen. Demnach seien weniger als drei Prozent der Busfahrer in Europa unter 25 Jahre alt. Gleichzeitig gäbe es viele älterer Fahrer, die in den Ruhestand gehen: über 1,2 Millionen in den nächsten fünf bis zehn Jahren. Ohne Maßnahmen zur Gewinnung und Bindung von Fahrern könne es in vier Jahren mehr als 275.000 unbesetzte Stellen geben.
Auch in Deutschland ist der hohe Altersdurchschnitt deutlich zu spüren. Dem Statistischen Bundesamt zufolge waren 2022 etwa 40 Prozent der deutschlandweit knapp 100.000 Busfahrer über 55 Jahre alt, deutlich mehr als bei allen Erwerbstätigen in Deutschland. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen warnt: Bis 2030 gehen pro Jahr circa 4.000 bis 6.000 von ihnen in Rente.
Der fehlende Nachwuchs ist unter anderem auf das Mindestalter von Busfahrern sowie auf die hohen Kosten für Führerschein, Ausbildung und Versicherung zurückzuführen. Die Kosten für den Führerschein belaufen sich je nach Bundesland und benötigter Fahrstunden zwischen 4.000 und 5.000 Euro. Doch zumindest das derzeitige Mindestalter könnte sich bald ändern. Das Parlament will das Mindestalter für Busfahrer von 24 auf 21 für die Führerscheinklasse D und für die Führerscheinklassen D1 und D1E (bis zu 16 Fahrgäste) von 21 auf 18 Jahre absenken, laut Zukunftsnetzwerk ÖPNV.