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Gefährdet der Abzug von Amazon beide sächsische Flughäfen?

Welche Folgen hat die Schließung des Amazon-Standorts am Flughafen Leipzig/Halle mit 400 Stellen? Die Auswirkungen reichen auch nach Dresden.

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht den Flughafen Dresden.
Der Flughafen Dresden. Mit dem Flughafen Leipzig/Halle ist er über einen gemeinsamen Konzern verbunden. Der macht Verluste, nun geht ein wichtiger Kunde: Amazon Air. © René Meinig

Von Georg Moeritz

Dresden. Zwei Jahre nach der Eröffnung schließt der Versandhändler Amazon Air sein Luftfrachtzentrum am Flughafen Leipzig/Halle mit 400 Arbeitsplätzen. Wachsen damit die Risiken für den sächsischen Flughafenkonzern, zu dem auch der kleinere Flughafen in Dresden gehört? Sächsische.de fragte beim Unternehmen und der Landesregierung nach.

Die Mitteldeutsche Flughafen AG hat nach eigenen Angaben schon Anfragen von möglichen Interessenten bekommen, die frei werdende Flächen von Amazon nutzen möchten. Götz Ahmelmann, Vorstandschef der Mitteldeutschen Flughafen AG, sagte, zwar verliere der Konzern einen Kunden durch die Standortschließung von Amazon Air. Doch dessen „hochattraktives Areal mit unmittelbarem Vorfeldzugang“ könne neu vermarktet werden. Das erschließe „neue Potenziale“ für die langfristige Entwicklung des drittgrößten Frachtflughafens in Europa.

Ahmelmann betont also die Chancen der Schließung. Amazon hatte am Dienstag bekannt gegeben, sein Luftfrachtzentrum am Flughafen Leipzig/Halle werde nicht mehr gebraucht. Es war erst 2020 eröffnet worden, um schnellere Lieferungen zu ermöglichen. 400 Arbeitsplätze entstanden auf 20.000 Quadratmetern, zwei Boeing 737-800 wurden dort stationiert. Doch in der Corona-Pandemie hat der Versandhändler auch seine Standortdichte in Südeuropa ausgebaut, sodass nun beispielsweise nicht mehr so viele Flüge von Leipzig nach Mailand nötig sind.

Mehr als 17.000 Beschäftigte an Sachsens Flughäfen

Wann der Standort geschlossen wird, ist nach Angaben von Amazon noch offen. Das Verteilzentrum des Unternehmens am Flughafen soll bestehen bleiben. Amazon will den Beschäftigten des Luftfrachtzentrums Arbeit an anderen Standorten anbieten. Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Dulig (SPD) in Dresden sagte, er sei optimistisch, dass die Beschäftigten „eine sehr gute Perspektive“ hätten. Der Arbeits- und Fachkräftebedarf sei ungebrochen hoch. Die Bundesagentur für Arbeit hatte allerdings jüngst vor steigender Arbeitslosigkeit gewarnt und eine Wende auf Sachsens Arbeitsmarkt beobachtet.

Minister Dulig betonte, die Entscheidung von Amazon sei nicht etwa eine Entscheidung gegen den Leipziger Standort, sondern eine strategische Neuausrichtung des Unternehmens. Der Flughafen sei attraktiv für weitere Ansiedlungen. Die zentrale Lage und eine leistungsfähige Infrastruktur machten den Flughafen Leipzig/Halle laut Dulig zu einer wichtigen Drehscheibe. Die Zahl der Arbeitsplätze dort habe sich seit 2010 mehr als verdoppelt.

Zum Jahresende 2022 waren an den beiden Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden einschließlich aller ansässigen Betriebe und Behörden 17.142 Menschen beschäftigt, über sechs Prozent mehr als im Jahr zuvor. Allein am kleineren Flughafen Dresden arbeiten mehr als 4.000 Menschen in rund 100 Unternehmen.

Schließung in Dresden „zu keiner Zeit in Betracht gezogen“

Doch der Flughafenbetrieb ist verlustreich: Zwar wuchs der Umsatz der Mitteldeutschen Flughafen AG im vorigen Jahr um 16 Prozent auf 171 Millionen Euro. Doch im Geschäftsbericht stand ein Fehlbetrag von 36 Millionen Euro für den Konzern mit seinen beiden Airports. Im Jahr zuvor war das Konzernergebnis ähnlich negativ: minus 39 Millionen Euro.

Im Aufsichtsrat des Unternehmens, das hauptsächlich den Ländern Sachsen und Sachsen-Anhalt gehört, sitzen auch Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann (CDU) und Wirtschaftsminister Dulig. Laut Bild-Zeitung hat der Aufsichtsrat auf einer Sitzung in diesem Monat drei „Handlungsoptionen“ vorgelegt bekommen. In einer davon wurde demnach die Schließung des Dresdner Flughafens und der Verkauf diverser Grundstücke aufgezeichnet. Eine der Großbanken unter den Geldgebern soll ein Sanierungsgutachten für das Unternehmen gefordert haben.

Konzernsprecher Uwe Schuhart sagte auf Nachfrage, eine Schließung des Flughafens Dresden „wurde zu keiner Zeit in Betracht gezogen“. Zu den Banken äußerte er sich nur allgemein: Wie andere Unternehmen habe die Mitteldeutsche Flughafen AG langfristige Verbindlichkeiten. „Dementsprechend führen wir mit Banken regelmäßig tiefergehende Gespräche über die den Krediten zugrunde liegenden Geschäftsplanungen.“

Finanzminister Vorjohann verwies auf Anfrage auf den Flughafen und äußerte sich nicht zu den Handlungsoptionen. Wirtschaftsminister Dulig betonte die Bedeutung beider Airports, aber vor allem des Leipzigers: Über eine leistungsfähige Infrastruktur seien „unsere Flughäfen Dresden sowie vor allem Leipzig/Halle regional und vor allem auch überregional, nicht zuletzt zu unseren osteuropäischen Nachbarländern, sehr gut angeschlossen“. Da auch für interkontinentale Luftfrachtverbindungen der Vorlauf überwiegend auf der Straße stattfinde, sei die Infrastruktur beispielsweise in Bezug auf das Leipziger DHL-Hub als Luftfracht-Drehkreuz enorm wichtig.

Online-Modehändler Mytheresa hat neue Halle gebaut

Dulig sagte, die starke industrielle Basis Sachsens mit den Kernbranchen Automobilindustrie, Mikroelektronik, Maschinenbau sowie Umwelttechnik lasse seit vielen Jahren den Luftfrachtbedarf wachsen. Die Infrastruktur trage zur Ansiedlung neuer Unternehmen und zur Etablierung innovativer Wertschöpfungsketten bei. Zuletzt hatte der Mikrochiphersteller TSMC aus Taiwan angekündigt, eine Mikrochipfabrik mit 2.000 Arbeitsplätzen nahe dem Flughafen Dresden zu bauen.

Voriges Jahr hatte der Online-Modehändler Mytheresa eine Halle am Leipziger Flughafen gebaut. Dort sollten zunächst 500 Arbeitsplätze entstehen, bis zum Jahr 2030 seien 1.000 möglich. Dank der direkten Nähe zu DHL Express könne man noch enger, verzahnter und schneller zusammenarbeiten und die Auslieferung der bestellten Sendungen in alle Zeitzonen der Welt noch weiter in die Nacht hinauszögern, kündigte Mytheresa an.

Im Mai präsentierte sich der Flughafen Leipzig/Halle auf einer Logistikmesse in München und wies auf weitere Projekte hin: Die belgische Weerts Group errichte eine Logistik- und Luftfrachthalle mit 39.000 Quadratmetern, und Georgi-Handling baue seine Flächen im Frachtbereich Süd aus. Mehr als 75 Fracht-Airlines steuern den Flughafen Leipzig/Halle an, wöchentlich verzeichne er mehr als 1.200 Starts und Landungen im Frachtverkehr.

In den ersten acht Monaten dieses Jahres zählte der Leipziger Flughäfen 1,35 Millionen Fluggäste, der Dresden nicht ganz 600.000. Für Dresden war das ein Zuwachs von 13 Prozent zum vorigen Jahr, für Leipzig von 41 Prozent.

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