Großenhain. Er hat nie drumherum geeiert: Christian Riedel liebt, was seine gefiederten Mitarbeiterinnen produzieren. Gleich nun, obdas traditionelle Ei zum Frühstück, verrührt oder schwungvoll aufs Brot gebraten. Selbst produzierte Leckereien, von denen der langjährige Geschäftsführer des Großenhainer Geflügelhofs und Vorsitzende des Geflügelwirtschaftsverbandes (GWV) Sachsen nach eigenem Bekunden durchaus ein paar davon pro Woche verspeise.
Zwischen 10 und 15, nicht zuletzt zu kulinarischen Testzwecken, könnten es schon werden. Und gerade in Zeiten wie diesen kann sich der 72-Jährige durchaus glücklich schätzen. Schließlich sitzt Christian Riedel vermeintlich an der Quelle zum proteinreichen Objekt der Begierde, was in vielen Supermärkten der Region hin und wieder schon durch Abwesenheit in den Regalen glänzte. Und – es könne in den nächsten Wochen noch schlimmer werden, sagt der Experte.
Herr Riedel, die Osterfeiertage liegen dieses Jahr erst in der zweiten Aprilhälfte. Trotzdem ist das Eierangebot in zahlreichen Supermärkten schon reichlich spärlich. Streiken die Hühner?
Nicht, dass ich wüsste. Nein, es ist leider viel ernster als bisher kommuniziert! Tatsächlich haben wir deutschlandweit momentan ein riesengroßes Problem. Der Eier-Markt ist wie leergefegt. Wir erleben noch nie dagewesene Engpässe. Die Nachfrage nach allen Haltungsformen übersteigt bei Weitem das Angebot.
Aber woran liegt das? Haben die Verbraucher plötzlich ihre kulinarische Vorliebe für Eier entdeckt?
Sie werden staunen, aber das ist wirklich einer der Gründe. Das Image der Eier hat sich grundlegend verbessert. Entgegen früherer Einschätzungen werden sie inzwischen sogar als gesundheitsfördernder Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung geschätzt. Immerhin enthalten sie viele Proteine und essenzielle Nährstoffe wie B-Vitamine, Folsäure, die fettlöslichen Vitamine E, D, A und K sowie zahlreiche Mineralstoffe und Spurenelemente. Entsprechend ist der Pro-Kopf-Verbrauch von Eiern hierzulande im vergangenen Jahr gestiegen, von 230 auf 236 Eier. Gleichzeitig hat sich die Produktion EU-weit um 0,7 Prozent erhöht, wobei nur 14 Prozent der EU-Eier aus Deutschland stammen.
Angesichts der massiv grassierenden Vogelgrippe etwa in Polen dürfte sowohl die Einfuhr von Eiern nach Deutschland als auch der Zukauf von Tieren schwierig werden?
Richtig. Neben der Vogelgrippe macht der polnischen Geflügelwirtschaft aktuell auch die Newcastle-Krankheit arg zu schaffen. Kurz vor dem Jahreswechsel gab es insgesamt gleich fünf Ausbrüche dieser äußerst ansteckenden und anzeigepflichtigen Viruserkrankung. Betroffen waren ein Bauernhof mit rund 14.700, drei Farmen mit zirka 100.000 sowie ein Betrieb mit gut 675.000 Masthühnern. Insgesamt mussten nach den Angaben der obersten Veterinärbehörde mehr als eine Million Vögel gekeult und entsorgt werden. Das ist geradezu verheerend, und wir können nur hoffen, dass die Krankheiten nicht zu uns kommen. In Teilen Norddeutschlands erleben wir gerade, was die Vogelgrippe anrichten kann. Aktuell mussten im Ostfriesischen 2900 Tiere getötet werden. Ende Januar waren es in einer anderen Region 30.000 Tiere. Das sind herbe Verluste, die nicht so leicht auszugleichen sind. Wir dürfen nicht vergessen, dass auch die Einfuhr von Eiern aus der Ukraine mittlerweile auf ein absolutes Minimum zurückgefahren worden ist.

Quelle: Daniel Schäfer
Also nichts mit der alten „Eier-Weisheit“, nach der frühe Ostern hohe Eierpreise versprechen und ein spätes Fest finanziell niedrige Erträge?
Nein, in diesem Jahr ist alles anders. In den USA, wo wegen der Vogelgrippe auch Millionen Tiere getötet werden mussten, ist der Preis für ein Ei zwar auf einen Euro geschnellt. Hier in Deutschland regelt die Nachfrage nicht den Preis, da diese im Herbst verhandelt worden sind. Sollte sich die Situation jedoch nicht verbessern, ist eine Preissteigerung auch bei uns die logische Folge.
Zur Person
Christian Riedel stammt aus dem Priestewitzer Ortsteil Döschütz. Der Diplom-Agraringenieur begründete 1991 den Geflügelhof Großenhain GmbH & Co. KG und stand ihm Jahrzehnte als Geschäftsführer vor. Riedel gilt als Verfechter der umwelt- und artgerechten Boden- und Freilandhaltung für Legehennen. Im September vergangenen Jahres wurde der 72-Jährige erneut zum Vorsitzenden des Sächsischen Geflügelwirtschaftsverbandes (GWV) gewählt.
Und gutes Zureden zu Sonderschichten hilft den Tieren sicherlich auch nicht?
Nicht mal für Geld und gute Worte. Da der Preis für Junghennen angesichts der Lage gestiegen ist, werden die Tiere länger gehalten und auch die Mauser in Kauf genommen. Viele Legehennen-Bestände befinden sich gerade in dieser Phase. Eine hormonell bedingte Ruhepause, in der sich der Lege-Apparat regeneriert und das Federkleid der Vögel erneuert wird. Mehr Eier sind von den Kolleginnen in dieser Phase nicht zu erwarten.
Herr Riedel, Sie sind für Ihren Optimismus bekannt. Aber nach allem, was ich von Ihnen gehört habe, steht es schlecht um die Ostereier dieses Jahr?
Zur Entspannung auf dem Markt dürfte die Gesamtsituation nicht beitragen, da haben Sie recht. Schon jetzt leidet die Vorproduktion für angemalte Eier unter der Situation am Markt. Kaum jemand hat Möglichkeiten, Eier zum Kochen und Färben zu produzieren. All jenen, die nun meinen, sich mit Eiern eindecken zu müssen, rate ich aber eindringlich ab! Das Mindesthaltbarkeitsdatum von vier Wochen hat seinen Sinn. Die Eier könnten an Geschmack verlieren. Ostern ist nun mal erst Ende April. Und da werden bunte Eier dieses Jahr definitiv Mangelware.
SZ