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Glasindustrie in der Krise: Stölzle macht Weißwasser eine Zusage

Während andere Glashütten in der Lausitz gerade jetzt aufgeben, hält mit Stölzle der letzte große Glasproduzent an seinem Betrieb in Weißwasser fest. Das sichert wichtige Jobs und gibt auch anderen Unternehmen eine Perspektive.

Lesedauer: 5 Minuten

Constanze Knappe

Weißwasser. Um Glas herzustellen, wird viel Energie benötigt. Sie ist seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine besonders teuer geworden. Je länger die Energiepreise so hoch sind, umso stärker sind die Auswirkungen auf die Lausitzer Glasindustrie. Der Solarglashersteller in Tschernitz hatte im Juli 2025 Insolvenz angemeldet. Bereits im Januar war im Glaswerk Drebkau die Produktion eingestellt worden. Gleiches droht nun auch dem Glaswerk Bernsdorf im September.

Leopold Grupp, seit Januar 2022 Geschäftsführer der Stölzle Lausitz GmbH in Weißwasser, findet es „extrem schade, was in der Glasindustrie der Region passiert“. Es sei schon enttäuschend, dass den Unternehmen nicht aus der Tradition der Glasindustrie heraus geholfen werde, doch meist würden sie großen Konglomeraten angehören. Ob Stölzle Lausitz davon profitiert, ließ er offen. Man erhalte Bewerbungen von Fachkräften und freue sich darüber.

Wir werden noch mehr Dinge tun, um den Standort Weißwasser zu festigen. Nicht umsonst heißen wir Stölzle Lausitz. Weil wir stolz sind, wo wir herkommen. – Leopold Grupp, Geschäftsführer Stölzle Lausitz GmbH Weißwasser

Mit einstmals elf Glashütten gehörte Weißwasser zu den bedeutendsten Standorten der Glasindustrie in Europa. Die Stölzle Lausitz GmbH ist einer von nur noch zwei verbliebenen Glasherstellern. Die Glasproduktion läuft 365 Tage im Jahr an 24 Stunden. Damit das auch künftig der Fall ist, werde weiter investiert. Und auch die Wärme-Kooperation mit den Stadtwerken sei auf die Zukunft gerichtet. „Wir werden noch mehr Dinge tun, um den Standort Weißwasser zu festigen. Nicht umsonst heißen wir Stölzle Lausitz. Weil wir stolz sind, wo wir herkommen“, betonte der Geschäftsführer.

Wenn die Glasherstellung eines braucht, dann ist es Wärme. Die Schmelzwannen in der Stölzle Lausitz GmbH in Weißwasser arbeiten mit 1500 Grad Celsius. Pro Wanne werden täglich 25 bis 27 Tonnen Glas geschmolzen. Und selbst an der Maschine, wo derzeit Rotweinkelche gezogen werden, sind es noch 1200 Grad. Ein Großteil der Wärme entweicht jedoch ungenutzt über das Dach. Und das soll künftig nicht mehr so sein.

Katrin Bartsch (li.), Geschäftsführerin der Stadtwerke Weißwasser GmbH, und Leopold Grupp, Geschäftsführer der Stölzle Lausitz GmbH, unterzeichneten jetzt eine Vereinbarung, wonach beide Unternehmen die Nutzung industrieller Abwärme für die künftige Fernwärmeversorgung in der Stadt prüfen und umsetzen wollen.
Katrin Bartsch (li.), Geschäftsführerin der Stadtwerke Weißwasser GmbH, und Leopold Grupp, Geschäftsführer der Stölzle Lausitz GmbH, unterzeichneten jetzt eine Vereinbarung, wonach beide Unternehmen die Nutzung industrieller Abwärme für die künftige Fernwärmeversorgung in der Stadt prüfen und umsetzen wollen.
Quelle: Constanze Knappe

Die industrielle Abwärme der Glasproduktion könnte als klimafreundliche Energie zum Beheizen von Wohnungen in Weißwasser genutzt werden. Die Idee dazu hatte die Stadtwerke Weißwasser GmbH (SWW). Die Chefs beider Unternehmen unterzeichneten jetzt eine Vereinbarung, wonach sie das Thema als Teil der innovativen Wärmewende und zum Schutz von Klima und Umwelt gemeinsam angehen wollen. Davon profitieren beide Seiten.

Der Willenserklärung sollen schnell konkrete Schritte folgen. „Es ist ein spannendes Projekt. Damit könnten wir tatsächlich Einfluss auf die Nachhaltigkeit nehmen“, sagte Grupp. Bei den Stadtwerken freut man sich auf die Zusammenarbeit. Schließlich sei der Glasproduzent Marktführer und einer der wichtigsten Arbeitgeber in der Stadt.

Wir zeigen, wie aus einem Energieverbraucher ein Wärmelieferant wird und wie wir hier die Energiewende Hand in Hand gestalten. Das schafft eine sichere und grüne Zukunft für die Menschen in unserer Stadt. – Katrin Bartsch, Geschäftsführerin Stadtwerke Weißwasser GmbH

„Wir zeigen, wie aus einem Energieverbraucher ein Wärmelieferant wird und wie wir die Energiewende Hand in Hand gestalten. Das schafft eine sichere und grüne Zukunft für die Menschen in unserer Stadt“, erklärte SWW-Chefin Katrin Bartsch. Der Abschluss der Arbeiten ist für 2027 geplant.

Wie Stölzles Technischer Leiter Ronald Brieger berichtete, werde Abwärme schon jetzt zur Beheizung der Gebäude und Bereitstellung von Warmwasser im Unternehmen selbst genutzt. Doch mit den eigenen technischen Anlagen sei man da auf 40 Prozent begrenzt. „Das Projekt ist ein großer Schritt, aber es bringt schnelle Effekte“, meinte er.

Mit der Abwärme könnten 1000 Haushalte beheizt werden

Nach Aussage von Dr. Robert Jurk könnte man aus der Abwärme eine nutzbare Leistung von mehr als 2000 KW erzielen und damit über 1000 Haushalte beheizen. Der Werkstoffwissenschaftler verantwortet eigentlich die Forschung und Entwicklung bei Stölzle. Nun leitet er außerdem das Wärme-Projekt.

Bis zu 30 Prozent der städtischen Wärmeversorgung könnten mit der Abwärme aus einer Quelle gedeckt werden. Aber auch das Glasunternehmen hätte etwas davon. Im Schnitt herrschen 40 Grad Celsius in der Werkhalle. Durch das Abziehen der Abwärme könnte die Temperatur zumindest in einzelnen Arbeitsbereichen auf bis zu 25 Grad Celsius gesenkt werden. Allerdings nicht in der ganzen Halle. „Denn Glas braucht nun mal Wärme“, hieß es.

Die Stölzle Lausitz GmbH ist mit 430 Beschäftigten einer der wichtigsten Arbeitgeber in der Stadt Weißwasser. Alljährlich werden 40 Millionen Gläser produziert. Das Unternehmen bekennt sich klar zu dem Standort und will auch weiter investieren.
Die Stölzle Lausitz GmbH ist mit 430 Beschäftigten einer der wichtigsten Arbeitgeber in der Stadt Weißwasser. Alljährlich werden 40 Millionen Gläser produziert. Das Unternehmen bekennt sich klar zu dem Standort und will auch weiter investieren.
Quelle: Constanze Knappe

Ziel sei nach Aussage von Bartsch eine Win-win-Situation: für die Bürger der Stadt mit bezahlbarer Fernwärme und ebenso für beide Unternehmen. Investieren werden vor allem die Stadtwerke. Wie viel, dazu könne man noch nichts sagen. Auch werden sich die SWW um Fördermittel bemühen.

Für Stölzle entstehen durch das Projekt „keine großen Mehrkosten“. Aber man müsse noch viel weiter in die Tiefe gehen, so Grupp. Für die Stölzle Lausitz GmbH sei das Projekt jedenfalls ein klares Bekenntnis zu Weißwasser.

Die Stölzle Lausitz GmbH produziert jährlich 40 Millionen Gläser wie diese Rotweinkelche. Das Unternehmen ist einer der letzten verbliebenen Glasproduzenten in Weißwasser.
Die Stölzle Lausitz GmbH produziert jährlich 40 Millionen Gläser wie diese Rotweinkelche. Das Unternehmen ist einer der letzten verbliebenen Glasproduzenten in Weißwasser.
Quelle: Constanze Knappe

Die Glasproduktion ist ein energieintensiver Wirtschaftszweig. Wie andere auch kämpfe Stölzle Lausitz mit hohen Energiepreisen, ebenso mit dem Bedarf an Fachkräften und der Bürokratie. Deshalb habe man die Flucht nach vorn angetreten: mit neuen Erzeugnissen und einem besseren Marketing.

Derzeit hat das Unternehmen etwa 400 verschiedene Produkte im Portfolio. Mit zwei Öfen und auf vier Produktionslinien werden pro Jahr 40 Millionen Gläser hergestellt. Da sei noch Luft nach oben, findet Grupp. In 120 Länder der Welt werden die Glaswaren exportiert.

Die Stölzle Lausitz GmbH exportiert in 120 Länder. Für die Designs hat das Unternehmen schon viele Preise eingeheimst. 2025 in New York zum Beispiel.
Die Stölzle Lausitz GmbH exportiert in 120 Länder. Für die Designs hat das Unternehmen schon viele Preise eingeheimst. 2025 in New York zum Beispiel.
Quelle: Constanze Knappe

Immer mal wieder aufflammenden Gerüchten eines Wegzugs nach Polen erteilte der Geschäftsführer eine klare Absage. Das sei Unfug. Als verlängerte Werkbank war der Betrieb in Polen vor acht Jahren gestartet. Die Hauptproduktion laufe in Weißwasser, dazu die Forschung und Entwicklung.

2024 feierte Stölzle Lausitz 135 Jahre Glasproduktion. Auch, um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass man zu dem Standort steht. „Weißwasser zu verlassen, wäre grob fahrlässig. Es ist unser Ziel, dass die Enkel der Beschäftigten hier noch arbeiten“, betonte Grupp.

Er lobte Können und Fleiß von Glasmachern und Technikern. 430 Mitarbeiter hat das Unternehmen. Es biete gute Jobs und Ausbildungsplätze. „Alle Beteiligten mögen, was wir machen: Glas herstellen. Und wir setzen uns dafür ein, dass das auch noch lange Bestand hat“, sagte er.

SZ

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