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Görlitzer Bistum verliert seinen Ersten Offizier

Einer wie er findet sich so schnell nicht wieder: Der frühere Generalvikar Hubertus Zomack ist gestorben. Ein Nachruf.

Lesedauer: 3 Minuten

Wenn Hubertus Zomack etwas erreichen wollte, dann brachte ihn so schnell nichts davon ab. Und sei es, an die Turmspitze seiner geliebten St.-Jakobus-Kathedrale zu gelangen. Als die Bischofskirche des katholischen Bistums Görlitz vor fünf Jahren saniert wurde, kletterte der damals 73-Jährige munter die letzten Stufen des Gerüstes hinauf, um dann in luftiger Höhe die Arbeit der Bauarbeiter zu würdigen. Dem gebürtigen Wittichenauer war Handwerk kein fremder Begriff: Er selbst hatte als junger Mann erst eine Lehre als Mälzer und Brauer absolviert, ehe er zur Theologie fand. Die äußere Instandsetzung der Kathedrale mit all ihren Verzierungen am Dach und Turm, für deren Wiederherstellung nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst kein Geld vorhanden war, deren Fehlen aber die Statik des gesamten Kirchgebäudes bedrohten, war Zomacks letztes großes Projekt. Im Rückblick mutet es beinahe an, als wenn er all seine verbliebene Energie und Kraft darin gesteckt hat. Nun ist der frühere Generalvikar des Bistums Görlitz 77-Jährig gestorben. Am vergangenen Freitag wurde er in der Domherrengruft beerdigt – zu Füßen seiner Kathedrale.

Die Szene von 2014 aber offenbart eine Wesensart Zomacks, die er in seinem letzten Interview für die katholische Kirchenzeitung „Tag des Herrn“ im November offenherzig bekannte: „Ich bin kein ängstlicher Typ und kann bei Sturm im Boot noch schlafen.“ Und fügte gleich hinzu: „Wenn Jesus dabei gewesen wäre sowieso, aber auch sonst, nach der alten Devise: Es hilft doch eh nichts, sich aufzuregen.“ Dabei konnte sich Zomack durchaus aufregen oder, wie er es nannte, „knurren“. Als das Hamburger Magazin „Spiegel“ mal schrieb, dass das Görlitzer Bistum keinen neuen Bischof erhalten würde, da sprach er von Unsinn und nahm manch anderes Wort in den Mund. Und behielt recht.

17 Jahre amtierte Zomack als Generalvikar des Bistums, das ja selbst erst 25 Jahre besteht. Generalvikare haben eine Zwitterstellung, werden häufig als das „andere Ich“ der Bischöfe genannt und haben weitgehende Rechte in der Leitung des Bistums. Zomack selbst, danach gefragt, bezeichnete sich als „Ersten Offizier“ seiner drei Bischöfe Rudolf Müller, Konrad Zdarsa und auch noch in den Anfangsjahren von Wolfgang Ipolt. Aber es war ein erster Offizier, der seine Befugnisse einzusetzen wusste, um zu gestalten. „Der Alte“ wurde er in einer Mischung aus Respekt und Furcht im Amt genannt. Er musste Gemeinden zusammenlegen, die Wege für Gläubige in die Kirchen sind lang geworden, manchem Wunsch erteilte er eine Absage, die schmerzte. Aber Zomack hielt die Bistumsfinanzen beieinander, Prunkbauten wie in Limburg an der Lahn oder eine zu üppige katholische Schullandschaft wie in Hamburg wären zwar auch aus anderen Gründen in Görlitz nicht möglich gewesen, aber mit Zomack waren sie undenkbar. Wer den aus einer Wittichenauer Ofensetzerfamilie stammenden Theologen aber auf Finanzen reduziert, irrt sich. Zomack war vielleicht nicht der begnadete Prediger, aber seine Theologie, seine Kirche und deren Geschichte kannte er. Und er bekannte sich dazu. Für ihn musste aber immer beides zusammenkommen: kirchliches Engagement und eine solide Finanzwirtschaft. Das lehrten ihn von klein auf seine Eltern.

Dass er einmal Priester werden würde, war lange Zeit gar nicht abzusehen. Zomack fiel in der Schulzeit auf – weil ihm das Lernen leichtfiel und wegen seiner Schabernacke in der Faschingszeit. Sogar ein Jahr nachsitzen musste er deswegen. Er machte nach seiner Lehre dann aber doch das Abitur, studierte bereits, als er Prag besuchte – mitten im Aufstand. Frisch verliebt, musste er erleben, wie ein guter tschechischer Bekannter erschossen wurde. Wenn er davon erzählte, rührte es ihn bis zum Schluss. „Meinen Beruf habe ich den Russen zu verdanken“, sagte er immer. In Görlitz wird er 1970 zum Priester geweiht, kommt als Kaplan nach Cottbus, Finsterwalde und Senftenberg. Und verbringt dann entscheidende Jahre in Lübbenau, leitet den Runden Tisch im politischen Umbruch 1990. Zomack, der lange Jahre CDU-Mitglied war, hätte damals in die Politik wechseln können. Doch er entschied sich für die Seelsorge. So lange er konnte, verfolgte er die aktuellen Entwicklungen: mit der SZ das lokale Geschehen, mit der FAZ darüber hinaus. Der Caritasverband, das Bonifatiuswerk und die Görlitzer Brückepreis-Gesellschaft profitierten von diesem weiten Horizont Zomacks. Für all das verlieh ihm der Bundespräsident schließlich den Bundesverdienstorden.

Zweimal verwaltete Zomack das Bistum, als kein Bischof im Amt war. Das gibt es ganz selten, und mancher fragte sich auch, warum er es nicht gleich selbst mache bei so viel Übung. Doch als er nach überstandener Krebserkrankung 2006 zur Privataudienz bei Papst Benedikt XVI.weilte, da erzählte er ihm von seiner Krankheit und hoffte, dass der deutsche Papst ihn versteht: Krebs und Bischof, das geht nicht. Offensichtlich verstand Rom.

Dann kehrte der Krebs 2018 zurück, und bald stellte sich heraus, dass es keine Heilung geben würde. Doch Zomack nahm auch diese letzte Etappe so wie sein Leben: mutig, hoffnungsvoll und geborgen im Glauben. Dazu zählte für ihn auch, offen für Anregungen anderer Kulturen zu sein. So machte er sich immer einen Spaß daraus, bei den Neujahrsempfängen des Bistums auf das Tierkreiszeichen des chinesischen Jahres hinzuweisen. Der Hundeliebhaber deutete dann die Eigenschaften des jeweiligen Tieres aus. In diesem Jahr ist es das Schwein, das in China für friedliebend, vertrauensvoll, ehrlich und aufrichtig steht. Zomack hätte das gefallen.

 

Von Sebastian Beutler

Foto: © Pawel Sosnowski
 

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