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Großer Bahnhof am Dresdner Hafen: Neuer Trailerport bringt mehr Güter aufs Gleis

Durch das Bauprojekt verdoppelt sich die Umschlagkapazität auf 50.000 Sattelauflieger pro Jahr. Nun sind weitere Bahnlinien möglich, und Ansiedlungen von TSMC & Co bieten große Wachstumschancen.

Lesedauer: 4 Minuten

Man sieht den Trailer beim Be- und Entladen.
Verlade auf der Südseite des Dresdner Hafens. Das Be- und Entladen eines Trailers dauert wenige Minuten. © Jürgen Lösel

Von Michael Rothe

Millionen Euro können manchmal auch unsichtbar sein. Im Dresdner Alberthafen wurden sie seit Herbst buchstäblich verbuddelt: in einen neuen Trailerport, der am Mittwoch feierlich in Betrieb ging.

„Die Hälfte des Geldes liegt unter der Erde“, klärt Frank Thiele auf. Er ist Leiter Vertrieb und Logistik bei der Sächsische Binnenhäfen Oberelbe GmbH (SBO), einem deutsch-tschechischen Verbund aus sechs Elbhäfen. „Hier wurde seit Anfang Januar die Erde von unten nach oben gedreht“, so Thiele, der schon zu DDR-Zeiten mit der Deutschen Seereederei um die Welt schipperte. Oft sei der Unterbau mit Abscheidevorrichtungen das Teuerste, fügt Verkaufsmanager Wolfgang Schneider hinzu.

Der Schwabe spricht von einer lange fälligen Flächensanierung, die mit einem 261 Meter langen zweiten Gleis zudem sehr gute Zukunftsperspektiven eröffne. Mit dem Projekt hat die SBO rund 5,7 Millionen Euro in die nachhaltige Verkehrsverlagerung investiert, zwei Millionen Euro davon steuerte der Bund bei.

Warentransport bis Skandinavien

Zum landeseigenen Konzern mit rund 150 Beschäftigten und knapp 25 Millionen Euro Jahresumsatz gehören neben den Häfen in Dresden, Riesa und Torgau auch die Ports von Dessau-Roßlau (Sachsen-Anhalt), Mühlberg (Brandenburg) sowie Děčín (Tetschen) und Lovosice (Lobositz) in Tschechien.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Hafenbeckens wurden jährlich bereits etwa 25.000 Trailer mit einem Volumen von 600.000 Tonnen verladen – von der Straße auf die Schiene und umgekehrt. Trailer sind Sattelauflieger: 13,6 Meter lang, zweieinhalb Meter breit und beladen gut 30 Tonnen schwer. Mit ihnen gelangen Waren aus Sachsen, Böhmen und Südosteuropa umweltschonend und klimafreundlich nach Skandinavien und umgekehrt.

Seit Januar 2021 verkehren solche Züge – 19 Waggons mit je zwei solcher Teile – auf der Strecke Dresden–Rostock–Dresden. Sie bringen Autoteile und mehr in sechs Stunden zum Ostseehafen, von wo sie weiter verschifft werden. In der Gegenrichtung geht es oft nach Tschechien – auf der Straße.

Frank Thiele ist Leiter Vertrieb und Logistik am Dresdner Alberthafen.
© Jürgen Lösel

Betreiber ist die Spedition Lkw Walter mit 1.600 Beschäftigten, 2,5 Milliarden Euro Jahresumsatz und Sitz bei Wien. Die Österreicher wollen mit den Sachsen Vorreiter sein bei der Intermodalität – Transportketten mit mehreren Verkehrsträgern.

Neuerdings werde dreimal die Relation Dresden–Duisburg bedient – mit der Option, die Frequenz in den Ruhrpott auf sechs Züge zu erhöhen, Volumen vorausgesetzt. Diese Bedingung sei bei der Linie nach Curtici in Rumänien nicht erfüllt, der Verkehr nach Südosteuropa deshalb ausgesetzt. Seit Ende 2023 gebe es aber auch eine Containerlinie nach Osnabrück mit zwei Fahrten pro Woche, meist mit Papierprodukten und flüssiger Zellulose, sagt Schneider.

Um die steigende Nachfrage nach Bahntransporten im kombinierten Verkehr und nach Verkehrsverlagerungen bewältigen zu können, wurde der neue Trailerport auf der Südseite des Hafens errichtet, wodurch sich die Gesamtkapazität verdoppelt. Die insgesamt rund 30.000 Quadratmeter, etwa die Größe von fünf Fußballfeldern, bietet Platz für 100 bis 120 Trailer.

Doppelt so viele Züge wie bisher

Die Tragschicht dafür wurde an Ort und Stelle mittels Beton- und Baustofffräsen hergestellt und unter Zugabe hydraulischer Bindemittel verbessert. Durch die innovative Bauweise konnte der Abtransport von 5.000 Tonnen Baumaterial eingespart werden.

Mit der neuen Anlage kann die SBO bis zu 20 Ganzzüge pro Woche im 3-Schicht-System abfertigen, doppelt so viele wie bisher. Zum Investment gehören auch drei Rangier- und Umschlagfahrzeuge. Mit diesen wird ein Zug in gut vier Stunden von vier, fünf Mann ent- und beladen.

Lkw-Anhänger in der Luft – künftig noch öfter zu sehen am Alberthafen.
© Jürgen Lösel

Mit der Erweiterung leiste die SBO vorausschauend einen bedeutsamen Beitrag zum Gelingen von Wirtschaftsinvestitionen sowie zur Stabilität von Lieferketten, würdigt Dirk Diedrichs, Beauftragter für Großansiedlungen im Freistaat, das Projekt.

„Ansiedlungs- und Ausbauvorhaben der Wirtschaft sind heutzutage mehr denn je mit der Zunahme nationaler und internationaler Verflechtungen und Lieferketten verbunden“, sagt er. Eine flexible und Verkehrsträger übergreifende Mobilität im Güterverkehr sei wesentliche Voraussetzung für den Erfolg von Investitionen und eine wettbewerbsfähige Wirtschaft.

Erste Konzepte für Chipriesen TSMC

Vom Hype um die Chipfabriken von Infineon, Bosch & Co verspricht sich die SBO einiges. Zur Ansiedlung von TSMC gebe es bereits erste Logistikkonzepte, sagt Vertriebschef Thiele. Der asiatische Halbleiterriese habe bereits angedeutet, seine Produkte per Container mitzubringen.

Vor wenigen Jahren hatte SBO-Chef Heiko Loroff auch von solchen „Huckepack-Zügen“ nach Verona in Italien geträumt, aber das sei bei Lkw Walter „nicht in der Prio 1“, so Schneider. Die Österreicher hätten zwar derzeit das Sagen bei dieser Art Verlade im Dresdner Hafen, aber keinesfalls das Monopol.

SBO-Verkaufsmanager Wolfgang Schneider freut sich über die gestiegene Kapazität am Alberthafen.
© Jürgen Lösel

„Wir sprechen auch mit anderen derartigen Dienstleistern und sind offen für neue Zugverbindungen“, sagt Manager Schneider. Mehr als nur Gedankenspiele? „Die Ost-West-Achse ist in Duisburg nicht zu Ende“, murmelt Frank Thiele vielsagend. Die „ARA-Häfen“ – Amsterdam, Antwerpen und vor allem Rotterdam – seien „definitiv spannend, oder für die Englandverkehre auch Cuxhaven“. Entscheidend sei die notwendige Auslastung, die sich ab 70 Prozent rechne.

Und wie steht es um den Urzweck der Häfen, in denen mangels Schiffsraum nur noch jede 33. Tonne aufs Wasser verladen wird? Chef Loroff sieht eine Rückverlagerung der Transporte von der Schiene auf die Straße – aufgrund von Unwägbarkeiten durch zahllose Baustellen im Bahnnetz.

Auch wegen geringerer Spritpreise in Polen und Tschechien würden Transporte auf der Straße billiger angeboten. Aber perspektivisch seien die Weichen auf kombinierten Verkehr gestellt, so Loroff, den „zahlreiche Avisierungen“ für Dresdens neuen Trailerport optimistisch stimmen.

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