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Haben Taxis in Sachsen noch eine Zukunft?

Andere Mobilitätsangebote werden zunehmend zur Konkurrenz. Der Noch-Monopolist fürchtet den Wettbewerb nicht – und sorgt sich dennoch.

Lesedauer: 4 Minuten

Henry Roßberg hat es kommen sehen: In der umkämpften Taxibranche haben strategische Aussagen und Versprechungen nur eine geringe Halbwertszeit. So öffnet der boomende Vermittler Mytaxi seine App im Sommer auch für Mietwagendienste und bringt sogar eine eigene Flotte an den Start. Man wolle „den Markt nicht den Mitbewerbern aus anderen Kontinenten überlassen“, verkündete das Unternehmen, das demnächst als Free now, eine Gemeinschaftsplattform von Daimler und BMW, auftritt, Ende April. Noch zehn Tage zuvor hatte Alexander Mönch, Mytaxi-Chef für Deutschland und Österreich, im Interview beteuert, nur Taxis zu vermitteln, nicht aber deren Konkurrenz.

„Solchen Anbietern geht es nur um den schnellen Euro durch einfache Fahrten von A nach B“, sagt Roßberg, Chef der Taxigenossenschaft Dresden und Vorstand des sächsischen Branchenverbands. Gehypte, app-basierte Wettbewerber kümmerten sich nicht um Einrichtung von Halteplätzen und Tarifanträge, würden sich nicht mit Kranken- und Rentenversicherern, Berufsgenossenschaften und Ausländerbehörden rumärgern, um Geld für Kranken- und Flüchtlingstransporte einzutreiben. 

Der Markt ist in Bewegung. Immer neue Player wollen etwas abhaben vom Kuchen, den der Unternehmensberater PwC 2030 in Europa mit 400 Millionen Euro taxiert – auch der Mietwagenverleiher Sixt und die Deutsche Bahn mit Clevershuttle. „Wie kann sich der defizitäre, steuerfinanzierte Konzern das leisten“, fragt Roßberg. Sie solle sich besser kümmern, wie sie Leute und Güter auf die Schiene bekomme.

Rückkehrpflicht ist Knackpunkt

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will den Fahrdienstmarkt reformieren und Beschränkungen für neue Anbieter lockern. Für den Noch-Monopolisten mit den elfenbeinfarbenen Autos würde das mehr Konkurrenz bedeuten. Experten vergleichen die Reform mit der Liberalisierung des Fernbusmarktes 2013 oder mit der Abschaffung des Meisterbriefs für 53 Handwerke 2004, die die Große Koalition nun in Teilen rückgängig machen will.

Wesentlicher Knackpunkt: die Rückkehrpflicht für bemannte Mietwagen. Während Taxis auf der Straße auf Kundschaft warten dürfen, müssen sie seit 1982 nach jeder Tour zu ihrem Hauptstandort zurückkehren. Fiele der Konkurrenzschutz für Taxis, könnten ihre Wettbewerber auch die lukrativen Hotspots der Städte bedienen und sich die Rosinen rauspicken. Sie sind noch dazu komplett preisflexibel, während Taxis am Tarif hängen, den die Kommunen und Landkreise festlegen.

Scheuer ist entschlossen, den Markt schon 2020 zu öffnen. Er hat ein Eckpunktepapier vorgelegt, aber nicht wirklich einen Plan. Mal sollten die Kommunen über die Rückkehrpflicht entscheiden, mal die Länder, moniert Sören Bartol, Fraktionsvize der SPD im Bundestag. Eine „Findungskommission“ mit Vertretern von Bundesländern und Parteien soll es nun richten.

Taxi Deutschland warnt vor einer Aufhebung der Rückkehrpflicht. Wartende und herumfahrende Mietwagen würden Innenstädte noch mehr verstopfen, argumentiert Vorstandschef Dieter Schlenker. Fahrdienste tummelten sich, wo viel Umsatz zu erwarten sei – „und das ist definitiv nicht die Kleinstadt oder das Dorf“. Taxis sind dort unterwegs, allein Krankenfahrten machen drei Viertel des Geschäfts aus.

Auf Augenhöhe mit Mytaxi

Der Monopolist ist unter Druck, nicht nur wegen akuten Personalmangels. Schon der Stunden-Mindestlohn habe Einsatzplanung nach Stoßzeiten und provisionsbasierte Vergütungsstruktur über den Haufen geworfen – und manchen Fahrer schlechter gestellt, sagt Thomas Voigt, Roßbergs Amtskollege für Leipzig und Chef der dortigen Taxizentrale 4884. Motivierte Fahrer, darunter zunehmend Ausländer, hätten mehr in der Tasche und ihr Auskommen.

Noch ist der umstrittene US-Fahrdienst Uber auch mit Studenten als Fahrer kein Thema in Sachsen. Andere, wie Clevershuttle, schon. Das Unternehmen fährt auch in Dresden und Leipzig mit Elektro- und Wasserstoffautos und wirbt dank gebündelter Fahrgäste mit halb so teuren Fahrten. Doch die Taxis halten mit „super Qualität“ dagegen, wie Wolfgang Oertel, Vorstand der Taxigenossenschaft Chemnitz, sagt. Er und seine Kollegen bekennen sich zur Daseinsvorsorge. So seien jüngst die Autokorsos in Dresden und Berlin auch kein Streik, die Verfügbarkeit nicht eingeschränkt gewesen. Der Landesverband der Taxi- und Mietwagenunternehmer ist stolz auf den hohen Organisationsgrad mit 1.000 Mitgliedern. „Unsere Fahrer tragen auch mal Koffer in den 5. Stock, helfen Behinderten, gehen mit ihnen einkaufen“, sagt Oertel. Dieses Portfolio könne keine App abdecken. Dabei müsse man sich technisch nicht verstecken. „Wir haben seit 2010 auch eine App und sind digital auf Augenhöhe mit Mytaxi“, sagt Henry Roßberg. Auch gebe es längst geteilte Touren: etwa für Dialyse-Patienten, als Zubringer für Reiseveranstalter oder mit dem „Alita-Taxi“als Busersatz im Linienverkehr von Dresden und Leipzig.

Die Etablierten fühlen sich in die Enge getrieben, aber nicht hilflos. „Wir haben keine Angst vor Wettbewerb, aber er muss fair sein“, sagt Thomas Voigt. Es brauche eine Beförderungspflicht für alle – auch für unlukrative Touren. „Die Liberalisierung wird kommen, aber wir wollen sie mitgestalten.“ Am Ende hat das Führungstrio der sächsischen Taxibranche noch eine frohe Kunde: 2019 sei nirgends im Freistaat eine Tariferhöhung beantragt worden. Aber, so Voigt: „Wegen der Unwägbarkeiten bei Mindestlohn und der Gesetzesreform können wir nur ein Jahr im Vorausplanen.“

 

Die Taxis und ihre Konkurrenten – Ein Überblick
● In Deutschland gibt es 255.000 Taxi-Fahrer, darunter 21.000 Einzelkämpfer mit einem Auto.

● In Dresden kommen auf ein Taxi 1.165 Einwohner. Das ist die geringste Taxidichte einer Großstadt. In Leipzig sind es 951, in Berlin 458, in München 457.

● Viele Fahrer sind in Genossenschaften organisiert, lassen sich von bundesweit 700 Taxizentralen vermitteln – einige zusätzlich über die App Mytaxi.

● Für den Taxiverkehr sind gut 53.000 Autos zugelassen, im Mietwagenverkehr waren es Ende 2016 (aktuellste Zahl) 40.000. Heute dürften es weit mehr sein.

● In Sachsen gibt es rund 2.500 Taxibetriebe – vom Einzelkämpfer bis zum Großunternehmen mit 40 bis 50 Fahrzeugen.

● Die Preise für Taxifahrten legen die Kommunen und Landkreise fest.

● Im Freistaat beträgt die Grundgebühr etwa 3,90 Euro. Die Kilometerpreise betragen um 1,90, zwei Euro. Nachts gibt es einen Aufschlag von zehn Cent.

● Carsharing-Firmen, Mobilitätsplattformen und Mietwagenvermittler wie Uber mit Sitz in den USA greifen den Monopolisten an.

● Hinter den meisten stehen Großunternehmen: z. B. Moia/Volkswagen, Ioki und Clevershuttle /jeweils Deutsche Bahn, Berlkönig/Berliner Verkehrsbetriebe.

● Ein Player ist der Chauffeur Service 8×8 in Dresden, der mit zwölf Limousinen und zwei Dutzend Fahrern zur DDV Mediengruppe gehört, die auch die Sächsische Zeitung und Wirtschaft in Sachsen herausgibt. 

 

Von Michael Rothe

Foto: © Norbert Millauer

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