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Hausbau mit Altpapier

In einem Buch entdeckte Thomas Thiel die Idee für die neuen Mauersteine. Die überzeugen mit einigen Vorteilen.

Lesedauer: 3 Minuten

Papierflieger gibt es, Papierhüte auch. Thomas Thiel sorgt dafür, dass es bald auch Papierhäuser gibt. Keine kleinen, die mit Leim und Bastelschere entstehen, sondern große, in denen Menschen leben und arbeiten können. Der wissenschaftliche Mitarbeiter an der Fakultät Bauingenieurwesen der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (HTW) hat eine neue Art von Leichtbeton entwickelt. Mauersteine, die aus Altpapier hergestellt werden können. Die Idee dazu fand er in Büchern.

Im großen Baustofflabor geht es handfest zu. Keine filigranen Reagenzgläser oder dünnwandige Pipetten kommen dort zum Einsatz. In den schweren Regalen stehen Eimer mit Zement neben Behältern mit Kies. Hier wird geschaufelt. Hier wird Beton geprüft, werden Mixturen für Baustoffe mit riesigen Rührgeräten vermengt. Das Mischen war auch erst einmal das Problem beim Altpapier-Projekt von Thomas Thiel. "Ich hatte gelesen, dass in den USA bereits in den 1920er-Jahren versucht wurde, einen Baustoff auf der Basis von Altpapier herzustellen", erzählt er. Dazu gibt es sogar ein Patent. Doch bisher hatte sich niemand wissenschaftlich mit dieser Möglichkeit beschäftigt. Die Idee war einfach in Vergessenheit geraten.

Die Herausforderung war anfangs, einen Faserbrei aus dem Papier herzustellen. Das erwies sich als Problem. Mit verschiedenen Geräten versuchte es Thiel. Allerdings erfolglos. Erst der Einsatz eines speziellen Mischers bringt das gewünschte Ergebnis. Damit lassen sich die Fasern aufspalten, lassen sie sich also so behandeln, dass der Zement zugemischt werden kann und sich die Materialien auch ordentlich verbinden. Mit verschiedenen Arten von Papieren hat Thiel das Ganze ausprobiert. Am besten eignen sich grafische Papiere, also Zeitungsdruckpapiere, hat er herausgefunden.

Papier besteht aus Cellulosefasern. Die sind für die Herstellung eines Leichtbetons durchaus ideal. Sie besitzen eine schlauchartige Gestalt und können deshalb einen beachtlichen Anteil von Wasser in ihrem Inneren binden. Nach der Herstellung müssen die neuartigen Mauersteine deshalb erst einmal über einem Siebboden getrocknet werden, damit das überschüssige Wasser ablaufen kann. "Aber durch diese Hohlfasern können die Steine direkt als Dämmstoff verwendet werden", erklärt der Bauingenieur. Sie speichern Wärme ähnlich so gut wie Holz und sind leicht. Je nach Herstellungsart, ob fein- oder grobporiger, wiegt der neue Leichtbeton zwischen 300 und 600 Kilogramm pro Kubikmeter.

Diese Vorteile hat auch das Betonwerk Schuster aus Cunewalde gesehen. Als Forschungspartner von Thomas Thiel stellte das Unternehmen die ersten Mauersteine aus Altpapier bereits unter Industriebedingungen her. Genau das war das Ziel des von der Europäischen Union und der Sächsischen Aufbaubank geförderten Forschungsprojekts: die Umsetzbarkeit unter Realbedingungen in einem Betonwerk.

Bauen lässt sich aus dem Material alles, was Wände braucht. "Gebäude sind also kein Problem", sagt Thiel. Bei denen sparen sich Bauherren sogar zusätzliche Dämmstoffe, wenn sie mit den Altpapier-Steinen bauen. Für große Festigkeiten, die zum Beispiel Brücken brauchen, ist der Baustoff allerdings nicht geeignet. In Hinblick auf die Eigenschaften beim Bauen wäre er mit schon existierendem Porenbeton vergleichbar, erklärt der Wissenschaftler. "Damit kann auch der gleiche Mörtel verwendet werden."

Der Leichtbeton aus Papier ist umweltfreundlich. Fast 250 Kilogramm Papier, Pappe und Karton verbraucht jeder Deutsche pro Jahr. Das Sammeln in Containern und der Blauen Tonne führt dazu, dass rund 75 Prozent des gesammelten Altpapiers in Deutschland, immerhin über 15 Millionen Tonnen jährlich, wiederverwendet werden. "Für einen Kubikmeter Baustoff brauchen wir ungefähr 100 Kilogramm Altpapier", rechnet Thiel vor. Das wäre Papier im Wert von rund zehn Euro. Hinzu kommen bei der Herstellung Kosten für den Zement sowie für Wasser und den Energiebedarf. Im Vergleich mit anderen Baustoffen ist das überschaubar.

Weil das Altpapier wiederverwendet werden kann, können Rohstoffe eingespart werden. "Außerdem sind die Cellulosefasern gesundheitlich absolut unbedenklich", erklärt Thomas Thiel. Cellulose darf sogar Arznei- und Lebensmitteln in unbegrenzter Menge zugegeben werden. Aufgrund der Fasergröße ist ebenfalls ausgeschlossen, dass die Fasern leicht in die Lunge gelangen. Ein Vorteil gegenüber anderen mineralischen Fasern.

Mit dem Betonwerk Schuster wird Thomas Thiel in nächster Zeit weiter an der Technik für die Herstellung feilen. Im Labor untersucht der Wissenschaftler parallel dazu die Eigenschaften in Sachen Schalldämpfung. Die ersten Ansätze versprechen Positives. "Der Baustoff könnte sich sehr gut für die Produktion von Schallschutzwänden eignen", erklärt er das neueste Projekt. Dazu sind jetzt aber erst einmal aufwendige Messungen notwendig. Letztlich muss noch geklärt werden, wie sich die riesigen Platten für solche Wände am besten produzieren lassen. Schon bald soll der neue Baustoff zertifiziert sein. Dann steht dem Bau von großen, festen Häusern aus Papier nichts mehr im Weg.

 

Von Jana Mundus

Foto: Sven Ellger

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