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Schon sechs Insolvenzen: Geht der Gröner-Konzern unter?

Eine Insolvenznachricht nach der anderen für den bekannten Bauunternehmer Christoph Gröner: Woher rühren die inzwischen sechs Insolvenzverfahren und wie lange hält der 56-Jährige noch durch?

Lesedauer: 7 Minuten

Man sieht Christoph Gröner, der Gewinner beim Opernball 2021
Beim Opernball 2021 hatte Christoph Gröner (Mitte) den Hauptgewinn ersteigert. Für einen knallgelben Porsche Boxter bot er spontan120.000 Euro und bekam den Zuschlag. Beim Opernball 2024 hielt sich der hochgewachsene Bauunternehmer mehr im Hintergrund. Quelle: Volkmar Heinz / Leipzig report

Jens Rometsch

Leipzig. Natürlich war Christoph Gröner beim Leipziger Opernball 2024, hielt sich diesmal aber mehr im Hintergrund. Er wirkte kein bisschen nervös, scherzte und sprach viel mit anderen Gästen. Das Glamour-Ereignis in der Leipziger City wäre wohl die letzte Veranstaltung, bei welcher der bekannteste Bauunternehmer Deutschlands das Feld räumt. Schulden, Gläubiger, Insolvenzen hin oder her – schließlich hatte er den Ball einst gerettet.

2012 war die Party der Leipziger High Society wegen Geldmangels abgesagt worden. Das Aus für den Opernball schien nah. Doch dann stopften Baufirmen rings um Gröners CG-Gruppe das Loch in der Kasse. Seitdem galt er als großer Förderer der Veranstaltung, ersteigerte 2021 spontan einen knallgelben Porsche Boxster für 120.000 Euro, was für viel Aufsehen sorgte. Auf der Sponsorenwand prangten allerdings bald die Namen anderer Bauprojektentwickler aus Leipzig wie Arcadia, GRK, Hildebrand & Partner oder Vicus AG.

Derselbe vorläufige Insolvenzverwalter in allen Fällen

Alle diese Namen standen noch nie auf einer Liste im Internet, wo die Amtsgerichte alle Insolvenzeröffnungen bekannt geben. Seit Ende Oktober 2024 tauchten auf der Liste aber schon sechs Firmen auf, die sich Gröner zuordnen lassen. Stets kamen die Beschlüsse vom Leipziger Amtsgericht. Ebenso wurde jedes Mal der Berliner Jurist Philipp Hackländer von der Kanzlei White&Case zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.

Wenige Stunden vor dem Opernball am vergangenen Freitag gab es gleich zwei neue Meldungen. Diesmal traf es Projektgesellschaften für ein bestehendes Bürohaus in Mannheim (CG Dudenstraße II GmbH & Co. KG) und für den Umbau eines denkmalgeschützten Magazins im Kölner Stadtteil Mühlheim (CG MI6 Office GmbH & Co. KG).

Vor drei Jahren wurde der Hauptgewinn beim Leipziger Opernball für einen guten Zweck versteigert. Der Tombola-Gewinner hatte das so gewollt, weil seine Lose den ersten und den zweiten Preis gewonnen hatten. Den gelben Porsche Boxter ersteigerte schließlich für 120.000 Euro der Bauunternehmer Christoph Gröner (rechts).
Quelle: Volkmar Heinz / Leipzig report

Einst wurde auf dem Gelände in Köln Industriegeschichte geschrieben. Nikolaus August Otto entwickelte dort den Otto-Motor, auch die Waggons für die weltweit erste Schwebebahn in Wuppertal kamen aus der Fabrik an einer Straße zwischen Mühlheim und Deutz. Später stillgelegt, wollte Gröner die Brache für 210 Millionen Euro zum „Cologneo Campus“ verzaubern. Arbeiten begannen tatsächlich. Ein Bürohaus und eine Kita wurden fertiggestellt. Ziel war ein bunt gemischtes Quartier – ähnlich wie die Plagwitzer Höfe in Leipzig.

Vorläufiger Insolvenzverwalter hat alle Fälle

Doch mit der Baukosten- und Immobilienkrise ab 2022 gerieten die Dinge in den bundesweit acht Niederlassungen des Konzerns ins Stocken. Immer öfter war von Stillstand oder Baustopps zu hören, von Zahlungsverzögerungen und von Gläubigern, die die Geduld verlieren. Noch vor wenigen Wochen teilte eine Sprecherin mit, der Konzern verfolge bundesweit 75 Projekte im Umfang von fünf Milliarden Euro. Davon seien acht bis zehn im Bau.

Inzwischen gibt es zur Zahl aktiver Baustellen keine Auskunft mehr. In Gröners Heimatstadt Karlsruhe ist der Fußballklub KSC vor Gericht gezogen. Er fordert mehr als eine Million Euro von seinem früheren Hauptsponsor. Eine Bank aus Franken betreibt unterdessen die Zwangsversteigerung eines Gröner-Grundstücks in Leipzig, auf dem vier Millionen Euro Grundschulden für eine Logistikhalle ruhen sollen. 730.000 Euro verlangt eine Baufirma aus Eutritzsch, die für ihn umfangreiche Arbeiten am früheren Leipziger Postbahnhof ausführte.

Viele Beobachter fragen sich schon, ob bald die ganze Gruppe über die Wupper geht. Zwar konnte Gröner in diesem Jahr bereits 13 Insolvenzverfahren gegen Tochterfirmen wieder abwenden, indem er Außenstände kurz vor Toresschluss doch noch bezahlte. Jedoch ging es da um fünf- bis maximal sechsstellige Beträge. Was in den vergangenen Tagen geschah, hatte eine neue Qualität. Und war sieben- bis achtstellig.

Laut Branchengerüchten steht der Südteil vom Leipziger Postbahnhof an der Adenauerallee unmittelbar vor dem Verkauf. Der Gröner-Konzern möchte sich zu diesem Thema nicht äußern. Er könnte dadurch aber wieder deutlich mehr Wasser untern Kiel bekommen.
Quelle: Wolfgang Sens

Am 4. November meldete der Chef erstmals selbst eine Insolvenz bei Gericht an. Nötig wurde dies, weil ein Risiko-Kapitalgeber namens Emerald Advisory GmbH Forderungen über 83 Millionen Euro fällig gestellt hatte. Trotz intensiver Verhandlungen habe sich der Gläubiger (Emerald heißt übersetzt Smaragd) nicht von dem Schritt abbringen lassen, berichtete eine Konzern-Sprecherin. So begann ein Insolvenzverfahren für die Gröner Group GmbH, das ist eine Finanzholding mit Sitz in der Leipziger Haferkornstraße. Ihre Rechtsform GmbH ist ein wichtiges Detail.

Verdacht einer Bad Bank für faule Kredite

Denn noch im Frühling hatte diese Gesellschaft ihren Sitz in Berlin und hieß etwas anders: Gröner Group AG. Sie galt als Flaggschiff des Konzerns, hatte mehr als 300 Millionen Euro an Krediten aufgenommen. Ihr unterstanden rund 100 Projektgesellschaften, also eine Art Beiboot für verschiedene Bauvorhaben in der halben Republik. Daneben steuerte das Flaggschiff auch noch die CG Elementum AG, welche ein Dutzend Handwerker-, Planungs- und Dienstleistungsfirmen bündelte. Wäre vor wenigen Tagen die alte, Berliner Gröner Group AG zahlungsunfähig geworden, hätte es wohl den Untergang der ganzen Armada bedeutet.

Laufende Bauprojekte sind von der Insolvenz nicht betroffen.

Unternehmer Christoph Gröner

Zum Glück für Gröner und die angeblich noch immer 440 Beschäftigten hatte sein Konzern aber im Juli 2024 eine neue Struktur verpasst bekommen. Aus der Gröner Group AG wurde damals die Gröner Group GmbH mit Sitz in Leipzig. Sie behielt zwar Anteile an drei Zwischengesellschaften (CG Urban RE GmbH, CG Capital GmbH, CG Property Dev GmbH), welche früher den Kurs der insgesamt 100 Projektgesellschaften bestimmt hatten. Jedoch wurden einige Dutzend verkauft. Und etwa 60 Projektgesellschaften wanderten im Juli 2024 unter ein neues Dach mit dem leicht verwechselbaren Namen CG Group GmbH.

Organigram der Gröner-Unternehmensgruppe.
Quelle: Quelle: Gröner Group / Grafik: Matthias Puppe, LVZ

„Der Mann hat eine Bad Bank für Kredite mit hohen Zinsen gebaut, die er loswerden wollte“, sagt dazu ein Leipziger Branchenkenner. Der Begriff Bad Bank bedeutet schlechte Bank. Solche Institute wurden zum Beispiel während der Weltfinanzkrise 2007 bis 2009 geschaffen, um Banken vor dem Untergang zu bewahren, die zu viel gezockt hatten. In die schlechte Bank kamen dann faule Kredite, die keinen Wert mehr hatten. Die Verluste zahlte letztlich zum Großteil der Staat, also die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Steuern.

Gröner ist seit mehr als 30 Jahren im Baugeschäft, betont der Insider. „Er stand in Flautezeiten schon zweimal kurz vor dem Abgrund. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass er mit solchen Erfahrungen in zwei Jahren Baukrise keinen Plan B für sich und das Unternehmen entwickelt hat.“

Mehrere Kapitalgeber in Limburgerstraße

Tatsächlich verwies der 56-Jährige anlässlich seiner Insolvenzeröffnung darauf, dass die nun zahlungsunfähige Gröner Group GmbH keine rechtlichen Verbindungen zur CG Group GmbH, deren Beteiligungen und den 60 Projektgesellschaften habe. „Laufende Bauprojekte sind von der Insolvenz nicht betroffen.“

Trotzdem eröffnete das Amtsgericht kurz darauf weitere Insolvenzverfahren für insgesamt fünf Projektgesellschaften. Betroffen waren der Nordteil vom Leipziger Postbahnhof in der Adenauerallee 2 (CG Mariannen-Campus Nord GmbH & Co. KG) und das frühere Werk 2 der Goldeck-Schokoladenfabrik in der Pittlerstraße 33 (CG Pittlerstraße GmbH & Co. KG), außerdem ein renovierungsbedürftiges Bürohaus in Frankfurt am Main (CG Stützeläckerweg GmbH & Co. KG). Schließlich noch die Vorhaben in Mannheim und Köln.

An der Stelle muss erwähnt werden, dass die Entwickler größere Vorhaben in aller Regel zerschneiden, um für einzelne Bauabschnitte verschiedene und oft mehrere Kapitalgeber gewinnen zu können. Zu jeder Projektgesellschaft gehören normalerweise ein Grundstück und Geldeinlagen. Das soll auch Risiken verringern. Zum Beispiel hat Gröner beim Leipziger Postbahnhof in Schönefeld vier Projektgesellschaften für vier Teilbereiche am Start, beim Otto-Quartier in Stuttgart sind es fünf, beim geplanten Stadtviertel in Karlsfeld bei München elf und für die Plagwitzer Höfe in Leipzig in Summe 16.

In einer früheren Schokoladenfabrik an der Leipziger Pittlerstraße wollte der Gröner-Konzern 28.400 Quadratmeter Gewerbeflächen schaffen – zum Teil in vorhandenen, denkmalgeschützten Klinkerbauten.
Quelle: Wikipedia (gemeinfrei, Giorgio Michele)

Auf dem Grundstück Limburgerstraße in Leipzig stocken die Arbeiten für 105 neue Wohnungen seit Monaten. Allein auf diesem Baufeld (hinter dem Rewe-Markt in Plagwitz) ruhen fast 30 Millionen Euro Grundschulden. Nach Recherchen des Manager Magazins stammte das so besicherte Kapital aus drei Quellen: von der Raiffeisenbank Wien, von der HPG Capital aus Hamburg sowie vom Bauträger Baywobau aus München (mit Niederlassung in Leipzig). Das Beispiel dürfte typisch sein.

Verkaufsgerücht zum alten Postbahnhof

Konstruktionen mit mehreren Geldgebern ermöglichen oft eine hohe Eigenkapitalrendite für den Entwickler. Gröner sagte der LVZ vor längerer Zeit, seine Gruppe arbeite mit etwa 40 Banken zusammen. Für Außenstehende dürfte es daher kaum möglich sein, seine wahre Finanzkraft zuverlässig einzuschätzen. Fakt ist, dass Gröner jüngst schon Traumvillen an der Cote d‘Azur verkauft hat, die seiner Familienholding gehörten. Auch Fahrzeuge aus seiner Porsche-Sammlung ließ er veräußern, um Finanzlöcher im Konzern zu stopfen.

Gröners Anwalt Ben Irle versicherte gegenüber der LVZ, auch die Insolvenzverfahren bei den fünf Projektgesellschaften hingen mit der Zahlungsforderung über 83 Millionen Euro von Emerald zusammen. Laut Irle waren diese Verfahrenseröffnungen rechtswidrig, weshalb der Konzern dagegen juristisch vorgehen werde. Den Verdacht, Gröner habe bei der Umstrukturierung im Juli bereits bewusst für eine Insolvenz vorgesorgt, wies der Anwalt zurück. Es gebe keine Bad Bank. Die Umstrukturierung habe vielmehr dazu gedient, effizienter zu werden. Ziel sei immer gewesen, die Kredite zu stunden und möglichst bald zurückzuzahlen.

In der früheren Maschinenfabrik Christian Mansfeld an der Riesaer Straße 64 brennt Licht, gehen die Arbeiten nach längerer Pause nun wieder weiter. Ein Teil der Flächen soll bald der zur Familienholding gehörende Beherbergungsbetrieb Groners nutzen.
Quelle: Wolfgang Sens

Für diese Sichtweise spricht, dass Gröner bei der Strukturreform selbst als Geschäftsführer der Gröner Group GmbH an Bord blieb. Dagegen spricht dass sein vormaliger Co-Geschäftsführer und früherer Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) das Schiff wechselte. Pofalla ging zur neuen CG Group GmbH, die anscheinend nicht gefährdet war. Unklar ist, ob Gröner nun weiterhin versucht, eine Einigung mit den Geldverleihern der Smaragd-Firma zu finden. Laut Anwalt Irle liefen schon lange entsprechende Gespräche. Das sei auch der Grund dafür gewesen, weshalb zunächst die Emerald-Seite einen Insolvenzantrag für die Gröner Group GmbH eingereicht hatte. Gröner unternahm denselben Schritt erst fünf Tage danach.

Finanziell am Ende scheint der schillernde Bauunternehmer trotz allem nicht zu sein. Seiner Familienholding gehören unter anderem noch mehrere Hotels (mit dem Namen „Groners“) und Ferienanlagen in Leipzig, in Brandenburg, an der Ostsee, in Italien und in Süd-Frankreich. Auch hält sich seit Tagen hartnäckig das Gerücht, der einstige Retter des Opernballs sei gerade dabei, wertvolle Grundstücke zu verkaufen – darunter einen Teil vom Leipziger Postbahnhof. Der Konzern äußert sich dazu nicht. Vielleicht bekommt Gröner den Tanker mit seinen Anfangsbuchstaben am Bug doch wieder flott – oder zumindest ein Rettungsboot?

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