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„Ich klebe nicht am Chefsessel“

Vor 30 Jahren hat Frank Gliemann das Gasthaus Zur Linde übernommen. Im nächsten Jahr stehen große Veränderungen an.

Lesedauer: 3 Minuten

Es ist erst 8.30 Uhr am Morgen, aber der Arbeitstag von Frank Gliemann läuft schon seit drei Stunden. Halb sechs hat der 59-Jährige angefangen, das Frühstücksbuffet für die Hotelgäste vorzubereiten, hat später dafür gesorgt, dass von allem immer reichlich da ist, hat Kaffee nachgeschenkt, die ersten Lieferungen angenommen. So geht das jeden Tag. Wegen des großen Andrangs derzeit ist er auch am Abend noch oft im Dienst und hilft im Biergarten mit. Gliemanns Arbeitstag endet selten vor 20 Uhr. „Nur mittags gönne ich mir eine Stunde Pause. Das braucht man in meinem Alter auch“, sagt er mit einem Lächeln, als er das erste Mal an diesem Tag etwas Ruhe findet.

Gastronomie ist kein Geschäft für Müßiggänger. Das weiß Gliemann, seit er im Hotel Newa in Dresden eine Ausbildung zum Koch gemacht hat, dann später Restaurantleiter in der Leutewitzer Mühle war und 1988, vor exakt 30 Jahren, das Gasthaus Zur Linde übernommen hat.

Über seinen Freitaler Friseur, der seine auffällige Lockenpracht damals in Form brachte, hörte er davon, dass der alte Linden-Wirt das Geschäft abgeben wollte. „Eigentlich hatte ich keine Lust“, sagt Gliemann. „Ich war Dresdner und wollte dort etwas übernehmen. Freital hatte nicht so den besten Ruf.“ Doch als Gliemann zusammen mit seiner ersten Ehefrau vor der „Linde“ stand, waren sie sofort verliebt. Am 28. Juli 1988 eröffneten sie das Freitaler Traditionshaus neu.

Neun Sprelacart-Tische für die Gäste, zwei Gasherde und ein Kohleherd in der Küche gab es damals. „Das war ausbaufähig“, sagt Gliemann. Gesagt, getan. Er nutzte die Nach-Wende-Euphorie und die Kreditlaune der Banken. 1991 begannen die Bauarbeiten für ein Hotel direkt neben dem Gasthaus. 1992 wurde es als eines der ersten neuen Hotels im Umkreis eröffnet. Wegen der geringen Konkurrenz lief das Geschäft anfangs fantastisch. Ende der 90er-Jahre, als auch in Dresden immer mehr Hotels entstehen, wurde es schwieriger. „Wir hatten zu tun“, sagt Gliemann. „Aber wir haben es irgendwie geschafft.“


Die Geschichte des Gebäudes reicht bis 1882 zurück.

Heute beschäftigen Gliemann und seine zweite Ehefrau Anne neun Angestellte und drei Lehrlinge. Aus dem Neun-Tische-Lokal ist durch Anbauten und den Biergarten ein Restaurant mit insgesamt 230 Plätzen geworden. Das Hotel hat 34 Zimmer. Gerade wurde es erneut mit der Bewertung „Drei Sterne Superior“ klassifiziert.

Gliemann lebt vor allem von Dresden-Touristen, aber auch von großen Feierlichkeiten für Hochzeiten und Geburtstage. Er achtet darauf, dass Hotel und Restaurant auf dem neusten Stand sind. Im nächsten Jahr soll zum Beispiel die Heizungsanlage erneuert werden. Im Restaurant setzt er auf saisonale Küche. Ihm ist es wichtig, Trends nicht zu verpassen. „Wenn mir mein Koch vor zehn Jahren gesagt hätte, dass er einen Burger auf die Karte setzen will, hätte ich ihn geschlagen“, sagt er mit einem Lachen. „Heute ist das trendy.“

Das ultimative Erfolgsgeheimnis des Gasthauses ist aber der Zusammenhalt der Familie. Neben der Ehefrau arbeiten drei Kinder im Geschäft – zwei Söhne in der Küche, die Tochter im Service. „Gerade in der derzeitigen Personallage hätten wir es sonst sehr schwer gehabt“, sagt Gliemann.

Ab dem kommenden Jahr will er das Geschäft Stück für Stück an die nächste Generation weitergeben. Tochter Maria und Sohn Sebastian werden Anfang 2019 zunächst die Geschäftsführung übernehmen und vier Jahre später, so der Plan, neue Inhaber des Gasthauses. „Ich klebe nicht am Chefsessel“, sagt Gliemann senior. „Es ist an der Zeit, dass die Jüngeren weitermachen.“

 

von Tobias Winzer

Bildquelle: K.-L. Oberthür, Archiv Gliemann

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