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IHK Dresden: Sachsen auf qualifizierte Zuwanderung angewiesen

Die Industrie- und Handelskammer Sachsens sieht die eigenen Fachkräfte-Reserven erschöpft. Bei der Rekrutierung hat sie einige Länder besonders im Blick.

Lesedauer: 3 Minuten

Drei Auszubildende stehen um eine Puppe im Krankenbett und üben für Ihre pflegerische Ausbildung.
Gunar Scheibe erläutert Phuoc Long Tieu (Mann) und Thi Huong Doan, die in Dresden als Pflegekräfte ausgebildet werden, an einer Puppe bestimmte Handgriffe. Vietnam sieht die IHK Dresden als ein Land, so Sachsen stärker werben sollte.

Von Nora Miethke

Der Handlungsdruck ist enorm. In Sachsen werden bis zum Jahr 2035 mehr als 900.000 Personen in den Ruhestand gehen. Das ist jeder fünfte Erwerbstätige. Der über Ausbildung und Studium kommende Nachwuchs oder das Heben stiller Reserven wie mehr Vollzeit arbeitende Frauen, länger arbeitende ältere Beschäftigte, umgeschulte Arbeitslose reichen nach Ansicht von Andreas Sperl nicht annähernd aus, die entstehende Lücke zu schließen. „Die inländischen Reserven sind aufgebraucht. Wir sind auf qualifizierte Fachkräfteeinwanderung angewiesen“, sagte der Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden am Donnerstag bei einem Pressegespräch.

Weder Deutschland insgesamt noch Sachsen gelinge es momentan, genügend qualifizierte Zuwanderer anzulocken und zu halten. Das liegt laut Sperl unter anderem daran, dass es keine gemeinsame Strategie gäbe, zu viele Akteure zum Teil gegeneinander agieren würden und der Prozess nicht gesteuert werde. Die IHK fordert eine „konzertierte Aktion mit einer abgestimmten Strategie, klaren Zielen und klar festgelegten Verantwortlichkeiten“.

Fachkräfteeinwanderungsgesetz geht in richtige Richtung

Grundlage wären das überarbeitete Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) und der sächsische Maßnahmenplan zur Gewinnung internationaler Arbeits- und Fachkräfte bringen. Für IHK-Hauptgeschäftsführer Lukas Rohleder geht das neue FEG in die richtige Richtung, in dem vor allem die Zuwanderung ohne in Deutschland anerkannte Berufsqualifikation erleichtert werde. Auch die sogenannte Chancenkarte nach kanadischem Vorbild begrüßt er, die die Einreise nach Deutschland zur Arbeitsplatzsuche möglich machen soll.

Kritisch sieht Rohleder allerdings die eingezogene Mindestverdienstgrenze von 3.260 Euro brutto im Monat, die an der Realität vieler dienstleistungsorientierter Branchen vorbei ginge. Ein großes Manko sei der Ausschluss von Zeitarbeitsfirmen sowie die unzureichenden personellen und technischen Ressourcen bei den Auslandvertretungen und den hiesigen Ausländerbehörden. Auch sei nicht geregelt, wer die Prüfung für die Punktebewertung übernehmen soll. Um den Spracherwerb zu verbessern, müssten zudem die Möglichkeiten zum Aufbau berufsbezogener Deutschkenntnisse im In- und Ausland massiv ausgebaut werden.

Licht und Schatten sieht Rohleder auch beim sächsischen Maßnahmenplan, an deren Ausarbeitung die Wirtschaftskammer nach eigenen Angaben nicht beteiligt war. Die enthaltenen Ziele, von einer weltoffenen Wahrnehmung des Freistaates über die Beschleunigung aufenthaltsrechtlicher Prozesse bis zur besseren Bindung ausländischer Studienabsolventen seien alle richtig. „Bislang hat das Dokument aber eher den Charakter einer Absichtserklärung, und lässt klare Zuständigkeiten, Fristen und Finanzierungsquellen vermissen“, so die Kritik Rohleders.

Ein aus Kammer- und Unternehmersicht ganz wichtiger Punkt sei nicht enthalten und das ist die Einrichtung jeweils einer zentralen Anlaufstelle für Betriebe und ausländische Fachkräfte in jedem Landkreis und jeder kreisfreien Stadt, die über den gesamten Prozessverlauf beraten und unterstützen, wozu auch alltagsintegrative Fragen gehören müssen.

Andreas Sperl, Präsident der IHK Dresden, vermisst eine richtige Steuerung im Prozess zur Gewinnung ausländischer Fach- und Arbeitskräfte. Foto: Steffen Füssel

Und was können die Wirtschaftskammern selbst beitragen? Man habe der Staatsregierung ein koordiniertes Vorgehen bei der Anwerbung von Schulabsolventen für Ausbildung und Studium sowie von Arbeitskräften in definierten Zielregionen vorgeschlagen. Sachsen sollte sich auf drei bis fünf Länder konzentrieren, wo ein Rekrutierung lohnenswert erscheint.

Für die IHK Dresden wären das Indien, Vietnam, die Türkei, Ägypten, aber auch Länder in Süd- und Mittelamerika. Die Kammer will auch ihre Expertise bei der Weiterbildung und Nachqualifizierung einbringen und ein eigenes Beratungsangebot für die Einstellung ausländischer Azubis und Arbeitskräften aufbauen. Das könnte laut Sperl auch zur Verbesserung der Willkommenskultur in Sachsen beitragen.

Bereits aktiv und erfolgreich ist die IHK Dresden als Pilotkammer beim Bundesprojekt ValiKom. Darüber können Beschäftigte, die teils seit vielen Jahren beruflich tätig sind, aber nie einen entsprechenden Abschluss erworben haben, mittels Test ihre Fähigkeiten dokumentiert bekommen. Zur Zielgruppe gehören inländische Arbeitskräfte mit gebrochenen Erwerbsbiographien genauso, wie Personen mit Flucht- und Migrationshintergrund, die sich in Sachsen aufhalten.

Im vergangenen Jahr führte die IHK 95 Validierungen durch, so viele wie in keinem anderen Bundesland. Allerdings soll Valikom bis Oktober 2024 als Pilotprojekt weiterlaufen. Sperl findet das zu lang und fordert, es schneller in ein Standardverfahren zu überführen. Denn solange die Validierungen im Zuge eines Pilotprojekts erfolgen, besitzen die Zertifikate keine rechtliche Verbindlichkeit.

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