Wie aufgetürmte Schneeflocken liegen weiße Daunen, Daunen-Federmischungen und weiche Gänsefedern in vier hölzernen Behältern. Das anschmiegsame Naturmaterial ist nach Qualitäten getrennt. Ganz rechts wartet die hundertprozentige Feder auf ihre Verarbeitung im Bettenhaus Heber in Bautzen. Ganz links wirbeln einige der beschwingten Daunen im Vorbeigehen nach oben. Jörg Heber greift ins das Kuschelweiche und zieht eine ganze Traube dieser filigranen Gebilde aus seinem gemütlichen Warteplatz. "Der Daunenkern gleicht einer Schneeflocke, drumherum gibt es 80 bis 100 Ärmchen, die die Stützkraft bringen und viel Luft speichern können", sagt der Geschäftsinhaber.
Mit einem Knopfdruck auf die Füllwaage ist die stille, federnde Flockenlandschaft Vergangenheit. Denn Jörg Heber stellt das Gefieder der masurischen Gänse nicht nur zum Schauen aus. Im vergangenen Jahr hat er die Daunenmanufaktur wiederbelebt, die einst sein Urgroßvater Otto Heber ins Leben rief. "Er war ein klassischer Quereinsteiger", sagt sein Ur-Enkel. Eine alte Schwarzweiß-Fotografie zeigt den Holzpantoffelmacher mit seiner Frau Maria vor dem Haus in der Wendischen Straße 9. Aus Cottbus kommend, richtet er dort im Jahr 1900 seine erste Werkstatt ein und fertigt Pantinen, die aber schon bald niemand mehr an den Füßen tragen wird.
Jörg Heber richtet noch schnell die Waage auf der Füllmaschine aus. 350 Gramm der Feder-Daunen-Mischung benötigen er und seine Mitarbeiterinnen zum Beispiel, um ein gängiges Kopfkissen für das Bett herzustellen, in ein Winterbett kommen dagegen 880 Gramm Daunen hinein, damit es schön warm und kuschelig wird. Jetzt füllt der 46-Jährige ein kleines Kopfkissen. Das Inlett ist fest an einem Ausgangsrohr gesichert. "Wenn diese Verbindung platzt, sieht es hier wirklich aus wie bei Frau Holle", sagt der Bautzener und hält einen beweglichen Schlauch in einen Federbehälter. Ein Feder-Flocken-Tanz beginnt. Auf der Straße dagegen vor der Tür beißt die Kälte lediglich in die Wangen.
Während sich das Federdepot leert, wird das Kissen immer praller. Es dauert einen Augenblick, dann schaltet Jörg Heber die Maschine ab. Gleich nebenan hängt ein Bild an der Wand. Es zeigt Federn und Daunen in Jutesäcken hinter einem hölzernen Tresen. Eine ausgestopfte Gans flattert am Bildrand. Urgroßvater Otto Heber muss sich, als seine Holzpantoffeln niemand mehr tragen will, nach einem neuen Geschäftsfeld umschauen. Bei Touren über die Lausitzer Dörfer mit seinen hölzernen Auslaufmodellen kommt ihm die Idee. Zweimal im Jahr beobachtet er die Bauern beim Gänseschlachten, erlebt er den Brauch des Schleißens, bei dem an langen Winterabenden die Mädchen aus dem Dorf die harten Kiele von den Federn entfernen.
Solche Federn müssen zum einem gereinigt werden, zum anderen werden Federbetten immer beliebter. "Er hat die Marktlücke erkannt", sagt Jörg Heber. Die Holzpantoffeln rücken in den Hintergrund. Stattdessen holt sich der Geschäftsmann mit seinem Sohn Günter 1923 direkt von der Messe in Leipzig eine Reinigungsmaschine. In ihrer Dampfkammer, die durch einen Ofen gefeuert wird, werden die Federn aufgefrischt. Per Handkarren bringen die Leute ihre Federbetten nach Bautzen ins "Spezialgeschäft für Bettfedern, Daunen, Steppdecken und Inlette".
Mitarbeiterin Claudia Lieschke kommt. Sie kümmert sich um die letzte Naht, um das frischgefüllte Kissen zu schließen. Ratternd fährt die alte Pfaff über den Stoff. "Wir fertigen neu. Wer mag, kann sogar selbst sein Bett füllen. Wir nehmen aber auch alte Exemplare an, um aus ihnen ein Neues zu machen. Viele sind erstaunt, was wir aus Omas altem Federbett noch herausholen", sagt Jörg Heber und verlässt die gläserne Daunenmanufaktur, um in die Reinigung unter dem Gewölbe im Patrizier-Haus aus dem Jahr 1661 zu gehen.
In Regalen stapeln sich die angenommenen Bettwaren. Manche brauchen lediglich eine Frischkur, andere sind schon hochbetagt und sollen umgearbeitet werden. Auf einen großen Arbeitstisch legt Jörg Heber zwei nur noch schlaff gefüllte, aber sehr schmale Vertreter. "Das sind Unterbetten. Aus diesen beiden Exemplaren sollen wir ein Federbett machen", sagt der Inhaber des Bettenhauses, klemmt sich einen Bettzipfel unter den Arm und greift nach einer scharfen Klinge. Entlang der Naht öffnet er das Inlett. Die ersten weißen Gänsefedern zeigen sich – leicht klumpig, aber von guter Qualität. Er nickt zufrieden.
Der langjährige Chef Christian Heber kommt dazu. In diesem Jahr feiert er seinen 80. Geburtstag, vor 14 Jahren hat er das Geschäft an seinen Sohn übergeben. Der Senior greift ganz automatisch in das schmale Unterbett. "Das ist Schleiß, es ist kein Kiel mehr drin", sagt er, als könne er durch den Baumwollstoff hindurchblicken. "Das ist jahrelange Erfahrung. Ich könnte sogar die Farbe sagen … weiß, oder", sagt er augenzwinkernd. Nach einem kurzen Abstecher in ein eigenes Geschäft übernimmt er Mitte der 1970er-Jahre das Geschäft seines Vaters. Damals lief noch die Bettfedernreinigungsmaschine aus der Eisenacher Maschinenfabrik "August Wallmeyer".
Christian Heber streicht über das schrankähnliche Exemplar. "Nach dem Krieg brachten die Kunden drei Stück Kohle mit, damit wir sie überhaupt heizen konnten", sagt der 79-Jährige. Später baut er dann den Ofen aus und stattdessen sorgen künftig Heizspiralen einer tschechischen Waschmaschine für den nötigen Dampf. Dabei musste die Maschine Höchstleistungen vollbringen. Bis zur Wende vergab der "Better-Heber" im Januar Termine für die Bettfedernreinigung für das ganze Jahr. Die Menschen standen nicht etwa in Einer- oder Zweierreihen an. Zu dritt und vier nebeneinander harrte die Wartegemeinschaft oft aus, und der Andrang reichte gut 50 Meter hoch die Straße, erinnert sich der Senior. Abgeben durfte übrigens jeder nur zwei Betten und zwei Kissen.
Von diesen Schlangen gibt es keine Fotografien. Schließlich hatte Christian Heber alle Hände voll zu tun, die Kärtchen mit Tag und Zeit auszugeben. Zu spät kommen oder einen Termin verschieben, das traute sich niemand. Bis zur Wende gab es nur eine einzige Bettfedernreinigung in der Stadt. Heute, weiß der Junior, ist der Handwerkszweig in Sachsen und Südbrandenburg recht gut vertreten. "Es sind ländliche Regionen, im Norden, in Bayern und hier in unserer Gegend, wo sich diese Tradition erhalten hat. In anderen Ecken sucht man vergeblich nach solchen Betrieben wie diesem hier", sagt Jörg Heber. Sein Handwerk hat er sich von Kindesbeinen vom Vater abgeschaut.
Trotzdem hätte der Bautzener fast einen anderen Weg eingeschlagen. "In meiner Schulzeit habe ich mit Freunden Filme gedreht, kleine Dokumentationen genauso wie Animationen mit Knetefiguren", sagt der 46-Jährige. In der 11. Klasse bewirbt er sich sogar für eine Ausbildung zum Kameramann an der Filmhochschule in Babelsberg. Sein Vater fährt ihn mit seiner Bewerbung, einem Film über den slawischen Burgwall bei Niedergurig, sogar zum Tag der offenen Tür nach Potsdam. Aber es ist gerade das Jahr 1989, auch die Filmemacher von morgen wissen nicht, wie es weitergeht. So legt der Amateur die Kamera zur Seite und beginnt nach dem Abitur eine Lehre im Bettenfachgeschäft.
Allerdings schicken die Eltern ihren Sohn 1990 zu Kollegen nach Heilbronn, ein Betrieb mit 123 Mitarbeitern. "Von der Reinigung bis zur Prokura habe ich dort alles gemacht und viel gelernt", sagt der Chef in vierter Generation. Auch er betrachtet stolz den "Wallmeyer". Vor fünf Jahren haben die Hebers ihn aus dem Dienst genommen. Stattdessen setzt Jörg Heber nun eine "Lorch" aus Esslingen in Bewegung. "Das Schöne an dieser Maschine ist, dass gleich eine Waschmaschine dabei ist", sagt er. Zur Demonstration lässt der Daunenexperte diesen Vorgang ausfallen. Er öffnet die Klappe zum Reinigungsschacht und füllt einen Sack voller Federn hinein.
Es töst, die Federn suchen sich ihren Weg, um in die Dampfkammer zu gelangen. Dort bleiben die Luftikusse für etwa zehn Minuten. Währenddessen wendet sich Jörg Heber nochmals seinem Unterbett-Patienten zu. "Ich schätze die Federn sind um die 50 Jahre alt und sehr gut erhalten. Wir reinigen sie jetzt und verwenden sie dann in einem Oberbett. Bevor man alte Betten wegschmeißt, sollte man sie vorher lieber zu uns bringen", sagt er.
Die Dampfkammer ist ein Kupferkessel mit Rührwerk. Dort wird grober Schmutz aussortiert. Die weißen Leichtigkeiten wirbeln. Nach dem Sortieren landen die Federn per Knopfdruck zum Durchlüften in der Kühlkammer. Jörg Heber dreht an einem Rad. Die leichten Daunen wandern in die nächste Kammer, so lassen sich die Qualitäten einer abgegebenen Bettfedernmischung trennen. Ein befestigter Sack wartet schon im letzten Abteil der Reinigungsmaschine auf den duftigen Flaum. Die Daunen stoben noch einmal durcheinander. Der Wirbel der weichen Kristalle erinnert an einen Schneesturm, den der Juniorchef mit einem Handgriff beendet. Ihr letzter Weg führt sie zum Zwischenstopp in einen Sack, um dort zur Ruhe zu kommen. Später landet mithilfe der Füllwaage das duftende Federleicht im passenden Inlett. Dann muss die alte Pfaff noch einmal Surren und – aus Großmutters ausrangiertem Bett ist ein traumhafter Luftikus mit ganz viel Geschichte geworden.
Von Miriam Schönbach und Uwe Soeder (Fotos)