Das Netzwerk Logistik Leipzig-Halle könnte schon bald Geschichte sein. Nein, es hat sich nicht aufgelöst, sondern umbenannt. Als das Netzwerk im Jahr 2008 gegründet wurde, geschah das auf Initiative von 20 Logistikern, vorwiegend aus dem Raum Leipzig und Halle. Mittlerweile ist die Mitgliederzahl auf 120 angewachsen. Sie kommen vorwiegend aus Sachsen, Thüringen und Sachsen- Anhalt. Ein zahlendes Mitglied hat seinen Hauptsitz sogar in Rumänien. Zusammen bringen es die Spediteure, Verlader, Häfen, Airports, Personal-, Postund Immobiliendienstleister auf rund 32 000 Beschäftigte und 2,5 Milliarden Euro jährlich.
„Es war an der Zeit, über den Namen neu nachzudenken“
sagt Netzwerk- Chef Toralf Weiße. Man wird sich künftig Netzwerk Logistik Mitteldeutschland nennen. Die Mitglieder haben diesen Schritt schon beschlossen. Es fehlt nur noch der Eintrag in das Vereinsregister. Eines aber hat sich in all den Jahren nicht verändert. Das Netzwerk versteht sich nicht nur als reine Interessenvertretung der Logistik-Firmen, von denen es nach Auskunft von Creditreform allein in Sachsen derzeit 5855 angemeldete Unternehmen gibt. „Wir wollen keinen Lobbyismus und endlos lange Diskussionen über die Maut, wir wollen Lösungen anbieten für die Herausforderungen, sind auf der Suche nach neuen Produkten, von denen die Mitglieder in unserem Netzwerk profitieren können“, so Weiße. Von Beginn an hatte man deshalb nicht nur Transportfirmen mit am Tisch, sondern auch Kommunen und Universitäten.
Toralf Weiße hat sich als Unternehmensberater auf die Logistikbranche spezialisiert. Er ist Gründungsmitglied des Netzwerkes und seit 19 Jahren auch dessen Vorsitzender.
Die Logistikbranche boomt. Das Frachtaufkommen explodiert, was zum einen an der guten Konjunktur liegt, zum anderen am deutlich veränderten Konsumentenverhalten. Ein Trend, der sich nach Ansicht von Toralf Weiße auch weiter fortsetzen wird. Das fordert das klassische Transportgewerbe, das mit Lkws oder Lieferfahrzeugen unterwegs ist. „Es wird immer schwerer, die Autos zu besetzen“, so der Netzwerkchef. Das Berufsbild des Kraftfahrers gilt in Deutschland als wenig attraktiv. Die Politik versuchte gegenzusteuern, ermöglicht beispielsweise den Lkw-Führerschein mit 18 Jahren. Doch das reicht nicht. Entsprechend bieten immer mehr ausländische Speditionen Frachtraum in der Region an. Erleichtert wird das von der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die seit Mai 2011 vollständig greift und bei nicht wenigen Frachtunternehmen eine deutliche Delle in die Jahresbilanzen gedrückt hat. Aber, so Weiße, man dürfe sich nicht täuschen. Viele der Lkws, die auf deutschen Autobahnen mit polnischen oder ukrainischen Kennzeichen unterwegs sind, fahren für deutsche Firmen. Es sind vor allem die Großen der Branche, die ihren Fuhrpark zumindest teilweise nach Osteuropa verlagert haben. Hier gibt es deutlich mehr Personal zu deutlich geringeren Preisen.
Neben der Mitarbeitergewinnung ist die Innovation eine große Herausforde rung für die Branche, erklärt Toralf Weiße. „Vernetzung wird ein zentrales Thema in den kommenden Jahren“, davon ist er überzeugt. Künftig könnte der Lkw-Fahrer schon auf der Autobahn ein Zeitfenster übermittelt bekommen, in dem er an der Laderampe seines Zielortes erwartet wird. Auch Frachtbörsen sind ein Thema. Toralf Weiße schätzt die Zahl der Leerfahrten von Lkws auf rund 30 Prozent. Das belastet nicht nur die Umwelt und verstopft die Straßen. Es kostet auch Geld. Durch eine Frachtbörse könnte die Zahl der Leerfahrten deutlich verringert werden. Und auch auf den Autobahnraststätten würde sich die Situation entspannen. Viele der dort abgeparkten Lkws mit ausländischen Kennzeichen stehen nicht nur, weil der Fahrer seine gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeit einhält. „Sie warten schlichtweg auf neue Fracht und das kann manchmal bis zu vier, fünf Tage dauern“, so Toralf Weiße. Die Margen im Transportgewerbe sind gering. „Wenn da fünf Prozent übrig bleiben, dann ist das auch heute noch viel“, so Weiße, der nicht nur seit über 19 Jahren das Netzwerk leitet, sondern der auch Unternehmen in Logistikfragen berät. Zwar seien die Frachtraten momentan wieder etwas höher und einen 40-Tonner von Dresden nach Hamburg bekommt man heute nicht mehr für 400 Euro. Aber der Preisdruck ist geblieben und er hat über die Jahre Opfer gefordert. Es gab auch im Netzwerk Unternehmer, die an der Reparaturrechnung der Werkstatt gescheitert sind und Insolvenz anmelden mussten.
Wer heute überleben will, muss sich nach Ansicht von Toralf Weiße neue Geschäftsfelder erschließen. Eine Idee sei, eine Art Plattform aufzubauen. „Man transportiert nicht mehr nur Waren für die Kunden, sondern bietet gleichzeitig auch die Bestellabwicklung, den Versand und die Rechnungslegung an. Quasi Amazon im Kleinen“, erklärt Toralf Weiße. Wer sich dann auf ganz spezielle Produktgruppen spezialisiert, beispielsweise auf den Medizinbereich, für den Weiße selbst lange Jahre tätig war, der habe gute Chancen am Markt, ist der Netzwerkchef überzeugt.
Die teuerste Transportvariante ist nach wie vor die Luftfracht. Sie hat auch in Sachsen nicht zuletzt durch den DHL Hub in Leipzig eine zentrale Bedeutung. Der Flughafen ist prädestiniert, noch mehr zu können, davon ist Weiße überzeugt. Und auch die Bundesregierung traut dem Hub noch mehr zu. CDU und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag einen Ausbau in Leipzig angekündigt. Insbesondere bei den Anwohnern stoßen diese Pläne nicht auf große Freude. „Die Entwicklung ist dennoch sinnvoll“, so Weiße. Gestartet und gelandet werde bislang üblicherweise nachts. Dass indes Drohnen die Paketzustellung übernehmen könnten, hält Weiße für eine Zukunftsvision, die vermutlich nur in Einzelfällen Realität werden wird. Im KEP-Bereich, also der Express- und Paketzustellung, sei die Frachtentwicklung noch dramatischer, so Weiße. DHL und auch Amazon suchen mit Experimenten, wie der Drohne, nach neuen Wegen, Güter zu befördern. Denn Beamen, so die Vermutung Weißes, werde wohl auch in 20 Jahren noch nicht funktionieren.
Redaktion: Ines Mallek-Klein
Bildquelle: mauritius images, Netzwerk Logistik