Gerhard Zschau und Freundin Nadja sind noch am Räumen in ihrer neuen Wohnung. Vor drei Wochen sind sie mit ihrer kleinen Tochter von Berlin nach Görlitz gezogen, an die Dr.-Kahlbaum-Allee. Von Berlin mitgebracht haben sie unzählige T-Shirts, Pullover, Jute-Beutel, Anstecker. Nicht ihre privaten Sachen, sondern Fabrikate ihres Modelabels „Laba“. Dafür hat sich bereits ein Platz im neuen Zuhause gefunden. „Das war tatsächlich ein wichtiges Kriterium bei der Wohnungssuche, dass wir einen kleinen Lagerraum, oder einen trockenen Keller zur Verfügung haben würden“, erzählt Gerhard Zschau.
Auf einem der Beutel ist der Spree-Verlauf zu sehen, ein Anstecker zeigt eine kleine Zeichnung der Mittagsfrau mit ihrer Sichel, eine sorbische Sagenfigur. Auf einem T-Shirt ist ein Holzschnitt des Bautzner Hexenhäuschens vom 1994 verstorbenen Künstler Rudolf Warnecke zu sehen. Eigentlich sei er gar nicht sonderlich modeaffin, sagt Gerhard Zschau. Er ist auch kein Modedesigner und das Modelabel ist nicht sein Hauptberuf. „Aber Kleidung ist immer auch politisch“. Und darum geht es eher beim Modelabel „Laba“. Vor allem darum, Facetten der Oberlausitz zu zeigen, ihre Geschichten und Besonderheiten.
Gerhard Zschau ist selbst Oberlausitzer, er stammt aus Bautzen und ist eigentlich gelernter Fischer. Vor zehn Jahren ging er nach Berlin, studierte dort Bibliothekswissenschaften und Demokratiepädagogik. Er lernte seine Freundin Nadja kennen. Bautzen blieb er eng verbunden und startete 2009 den Internet-Blog „Laba“, die Abkürzung für „Lauter Bautzner“. In dem Blog ging es um aktuelle Geschehnisse und Neuigkeiten in Bautzen. „Das lief gut, wir haben auch über viele kritische Themen berichtet“, erzählt Gerhard Zschau. 2016 hat er trotzdem aufgehört mit dem Blog. Als Flüchtlinge durch die Stadt gejagt wurden, „das war das endgültige Finale“, erzählt er. „Ich habe zu der Zeit die Lust verloren. Es war unheimlich schwer für mich, diese Ereignisse sachlich aufzuarbeiten.“ Der heute 34-Jährige schloss den Blog.
In Berlin war er zwar weit weg von Bautzen, gedanklich aber oft noch dort. „Es war bei dem Blog so, dass oft negative Themen besonders viel geklickt wurden. Nach 2016 habe ich mich aber immer öfter gefragt: Was gibt es denn Positives bei uns?“ Traditionelles wie modernes Handwerk in der Oberlausitz fielen ihm ein, die Zweisprachigkeit, wachsende Kreativwirtschaft, interessante Vereine. Vor allem die Geschichten dahinter wollte er erzählen. Der Name „Laba“ blieb, das Medium änderte sich, vom Schreiben im Internet-Blog zu Grafiken auf Kleidung.
Alle Illustrationen stammen von Oberlausitzern, mit denen Zschau bereits in Berlin Kontakt aufgenommen hat: „Ein 14-jähriges Mädchen hat uns eine Illustration vom Wassermann, dem sorbischen Wodny Muz, gegeben“, erzählt er. René Seidel vom Verein „Löbau lebt“ hat einen Schriftzug gestaltet. Ein T-Shirt-Modell hat eine kleine Tasche aus Oberlausitzer Mangeltuch, „das haben wir auf einem Trödelmarkt von einer älteren Dame gekauft“. Die Sachen, auf die die Illustrationen gedruckt werden, stammen zum Teil ebenfalls aus der Region, „manches beziehen wir auch aus Bangladesch, aber ausschließlich aus Fair-Trade-Unternehmen“, sagt Zschau. Ein Produkt hat nichts mit Mode zu tun: Kaffeefilter aus Keramik. Die fertigt eine Neukircher Töpferei.
Als Flucht ins Schöne würde er das aber nicht bezeichnen, „nein, es geht mehr darum, zu zeigen, dass die Oberlausitz auch andere Facetten hat.“ Und darum, gesellschaftliches Engagement zu unterstützen. Die „Laba“-Sachen kann man im Internet kaufen, außerdem ist Gerhard Zschau auf manchen Märkten dabei, zum Beispiel bei der Konventa in Löbau. Ein Teil der Verkaufssumme geht an einen guten Zweck, darunter die Oberlausitzer Tafel in Zittau.
Der ausschlaggebende Grund für das Paar, jetzt zurück in die Oberlausitz, nach Görlitz, zu ziehen, war die Geburt ihrer Tochter. Für sie wollten die beiden gerne in Familien-Nähe ziehen. Es kamen Erlangen, Nadjas Heimat, oder die Oberlausitz in Frage. Bautzen stand aber nicht zur Debatte, sondern Görlitz. „Mein Eindruck ist, dass hier was im Aufbruch ist“, sagt Gerhard Zschau. Vielfältig findet er die Stadt mit ihrer Historie auf der einen und neu entstehenden Angeboten und Unternehmen, „Und Görlitz hat was Großstädtisches, finde ich.“ Vielleicht durch die Straßenarchitektur, „und Görlitz hat eine Straßenbahn“. Außerdem sei er hier nah dran an den Leuten, mit denen er für „Laba“ zusammenarbeitet. Eine Arbeit hat er auch in Aussicht, als Bibliotheksmitarbeiter. Und so fiel die Wahl auf Görlitz.
Von Susanne Sodan
Foto: © Nikolai Schmidt