Leipzig. Die Altbauwohnung mit den hohen Decken gibt den Räumen von Modedesignerin Sylvia Michalk sofort das Flair einer Manufaktur. Die Nähmaschinen stehen dicht beieinander. Stoffrollen stapeln sich. Schnittstücke hängen an Kleiderhaken.
Und dazwischen liegt der pinkfarbene Triathlon-Anzug, mit dem alles begann. Mehrfach hat ihn Sylvia Michalk überarbeitet, bis er zu dem geworden ist, was die 43-jährige Leipzigerin ihren eigenen kleinen Ironman-Triathlon nennt. Doch mal der Reihe nach.

Quelle: Anja Jungnickel
Als Sylvia Michalk zum ersten Mal den Ironman in Frankfurt am Main gesehen hat, war sie „geflashed“ – um es in ihren Worten zu beschreiben. Anschließend kauft sie sich mit Mitte 20 ein Rennrad und startet mit dem Training. Schwimmen, Radeln, Laufen. Zu der Zeit studiert sie noch Internationale Wirtschaft. Später arbeitet sie bei der Siemens Bank in Leipzig – Vollzeit. Handelt Investitionsverträge mit Automobilunternehmen, Maschinenherstellern, Obstbauern aus, jongliert mit großen Zahlen.
Bevor sie zur Arbeit geht, schwimmt sie eine Runde. Nach Feierabend geht sie laufen. Am Wochenende radelt sie sechs bis sieben Stunden. Einen Ruhetag pro Woche gönnte sie sich. Ihr großer Traum: am Ironman teilnehmen. 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer laufen.
Triathlon-Anzüge sind für Männer gemacht
Doch während ihres Trainings stellt sie fest, dass Triathlon-Kleidung für Männer gemacht ist. „Es passte nicht so richtig, fühlte sich an wie geschrumpfte Männersachen.“ Sie suchte „eine coole Klamotte, die die Wichtigkeit meines Laufs und die Lebensfreude wiedergibt“.
Und noch etwas störte Michalk: Die Sportmodeindustrie besteht rein aus Plastik, ist nicht nachhaltig. Als sie zu Besuch in Mexiko war und den vielen Plastikmüll am Strand entdeckte, keimte in ihr die Idee – eine eigene nachhaltige Sportmodemarke zu entwickeln.
Der Sprung ins kalte Wasser: Warum machst du es nicht einfach?

Quelle: Anja Jungnickel
Auf einer Radtour ermutigte ein Freund sie und fragte: Warum machst du es nicht einfach?
Sylvia Michalk hat an diesem Punkt entschieden, den Versuch zu wagen. Sie will die Welt nachhaltiger machen und Sportmode für Frauen entwickeln. Neben ihrem Vollzeitjob sucht sie Produktionspartner im Erzgebirge. Sie möchte recycelte Stoffe nutzen. Denn regional, fair und nachhaltig soll es sein. „Es wäre einfach, in Fernost produzieren zu lassen.“ Sie nutzt Materialien aus recycelten Flaschen, die in Italien produziert werden. „Das ist energieintensiver und ein Drittel teurer“, gibt sie zu.
Sie tauft das Unternehmen auf Lanakila – ein hawaiianisches Wort für Sieger
In diesem Zeitraum hatte sie bereits ihren ersten Ironman absolviert und sich für die Weltmeisterschaft qualifiziert. Das war im Jahr 2016. „Zu der Zeit habe ich zwei Kinder gleichzeitig geboren“, erinnert sich Michalk. Denn sie musste auf die Weltmeisterschaft verzichten, weil sie schwanger war. Gleichzeitig meldete sie ihre Modemarke im Nebengeschäft an. Sie tauft das Unternehmen auf Lanakila – ein hawaiianisches Wort für Sieger, Kämpfer.

Quelle: Anja Jungnickel
Alleinerziehend geht sie lange zwei Wege parallel, als Modedesignerin und Bänkerin. 2021 kündigt sie bei der Siemens Bank. Die Dreifachbelastung war zu hoch. „Ich war fertig vom Druck.“ Die Modemarke wurde ihr eigener Lauf. „Für das harte Training hatte ich keine Zeit mehr.“ Ein Jahr erhält sie eine Gründerförderung von der Sächsischen Aufbaubank. „Damit konnte ich meine Miete zahlen.“
Für Michalk hat sich der Schritt in die Selbstständigkeit gelohnt, sagt sie. Sie entwirft die Designs am Computer und beschäftigt drei freiberufliche Näher und Näherinnen. Sie hält den neuesten Triathlon-Anzug mit violettem Blumenmuster nach oben. Ein Einteiler mit kurzer Hose. Schnell trocknen soll er nach dem Schwimmen. Polstern soll die Hose beim Fahrradfahren. Scheuern darf er beim Laufen nicht. Und dann noch die Aerodynamik. Man merkt schnell, dass es da um existenzielle Minuten geht.
Neben Sportoutfits für Frauen hat sie nun auch Männermode entwickelt – ihre Abnehmer sind besonders Triathletinnen, aber auch Läufer oder Schwimmerinnen. Ein großer Erfolg für Michalk. Sie sponsert die Profi-Triathletin Katharina Krüger. Die 23-Jährige erreichte im April den 12. Platz beim Ironman in Valencia – im Sportoutfit von Lanakila. Aber auch Leipziger Läufe unterstützt sie mit ihren T-Shirts. Michalks Ziel: die Sportmodeindustrie nachhaltiger machen. Und selbst weiter wachsen.
SZ


