Von Fabian Schaar
Ein bisschen verschmitzt erinnert sich Ofenbaumeister Martin Streit aus Obercunnersdorf an das halbe Jahr, in dem er seine Lehre hat schleifen lassen; und das auch noch beim eigenen Vater, erzählt er mit einem Augenzwinkern. Damals sei er schon drauf und dran gewesen, zum Arbeiten nach Kanada zu gehen – davon zeugen das Landschafts-Panorama und die Ahorn-Flagge auf dem Transporter, mit dem er heute zu seinen Einsätzen als Ofensetzer fährt.
Die Zeiten haben sich geändert, frei nach dem Motto: Kachelofen statt Kanada. Für Meister Streit und seinen Lehrling ging es in der vergangenen Woche nach Ostritz. Hier haben die beiden einen rustikalen Kachelherd saniert, ihn aus dem einen ins andere Zimmer umgesiedelt. Die beiden haben SZ verraten, was sie an ihrem Job reizt – und weswegen Holz- und Kohleöfen heute wieder angesagt sind.
Streit: „Zur Show bauen wir selten etwas“
Ein richtiges Multifunktionsgerät ist er, der weiße Kachelherd mit seinen schwarzen Metallklappen, an dem Martin Streit und sein Lehrling in der vergangenen Woche gewerkelt haben. Dabei stammt er aus einer Zeit, in der an Induktionsfeld und Thermomix noch gar nicht zu denken war: Neben den Kochplatten birgt der Kachelherd eine Backröhre und ein Warmhaltefach. Eigentlich ist sogar noch ein Behälter eingebaut, in dem Wasser erwärmt werden kann. Der ist den Umbauten zum Opfer gefallen und nun mit Sand zugeschüttet. Neu hinzu gekommen ist dafür eine Röhre, in der man zum Beispiel Trockenobst zubereiten könnte. Martin Streit findet: Von so einem Herd schmeckt sogar das Essen besser – wenn man damit umzugehen weiß.
Die Familie aus Ostritz möchte den Kachel-Kumpel unbedingt weiter zum Kochen nutzen – neben ihrem normalen Herd. „Zur Show bauen wir selten etwas“, sagt der Ofenbauer. So rustikale Küchenherde wie in Ostritz sind in der Region aber eher selten. Martin Streit war auch schon in Bayern unterwegs, wo derartige Küchenherde gängig sind. Bevor die Ostritzer Familie einzog und die frühere Küche zum Kinderzimmer machte, habe eine ältere Frau in dem Haus gewohnt. Sie habe den Herd bis ins hohe Alter genutzt, noch mit über neunzig Jahren. Ofenbauer Martin Streit kann das verstehen, mit Blick auf vergangene Tage: „Wenn du sowas hattest, warst du schon gut.“ Und noch heute sieht er oft das Glitzern in den Augen seiner Kunden, wenn ein Ofen fertig ist.
Familienbetrieb mit Feuereifer und Gänsefedern
Ob Küchenherd oder Speicherofen: Mit Kohle oder Holz zu heizen liegt wieder im Trend. Viele Familien wollen so unabhängiger sein, zum Beispiel von schwankenden Gaspreisen. Das lassen sie sich dann auch etwas kosten: Die Familie aus Ostritz bezahlt zum Beispiel um die 12.000 Euro. Ein großer Speicherofen kann auch mal über 20.000 Euro kosten. In Ostritz kommt noch dazu, dass die Metallteile des Ofens neu angefertigt werden mussten. Wenn Martin Streit von seiner Arbeit erzählt, kommt er schon ein bisschen ins Schwärmen. So ein klassischer Ofen spende die gesündeste Wärme, fast 24 Stunden lang mit einer Ladung Holz oder Kohle. Bei den weit verbreiteten Heizkörper sieht das wohl anders aus: Diese würden ohnehin trockene Luft nur noch weiter durchwirbeln.
Die Begeisterung für den Beruf wurde Martin Streit in die Wiege gelegt: Seit 1922 führt seine Familie den Ofenbau Streit – weitergegeben von Urgroßvater Alfred, zu Opa Heinz und schließlich zu Martin Streits Vater Christian. Auch wenn sein Berufsweg nicht ganz so gradlinig war: Seit 2016 ist es an Martin Streit, den Familienbetrieb zu lenken; zwei Jahre nach seiner Meisterprüfung. Heute zeigt er mit Elan sein Equipment als Ofenbauer; die Gänsefedern zum Beispiel, mit denen man beim Ofen putzen in jede Ecke kommt. Solchen Feuereifer kann Streit sicherlich gebrauchen: Von Acht-Stunden-Tagen kann er in seinem Beruf eigentlich nur träumen.
Auch der Lehrling will’s bis zum Meister bringen
Martin Streits Lehrling heißt mit Vornamen genau wie er – mit Nachnamen aber Burkhardt. Dass der Familienbetrieb Streit in ferner Zukunft vielleicht in andere Hände fallen könnte, macht dem Meister offenbar nichts aus, im Gegenteil: „Ohne Martin wär’s dünn“, so Streit. Und der hat einen besonderen Ansporn: Er ist in eine Handwerkerfamilie mit vielen Meistern geboren worden. Seit er in den Ferien bei Streit angepackt hat, begeistert er sich für den Beruf des Ofenbauers. Mittlerweile ist er schon im dritten Lehrjahr. Sein Ziel ist der Meisterbrief. Martin findet, wer Ofenbauer werden möchte, muss kreativ sein, räumlich denken können, willensstark sein und natürlich auch handwerklich begabt. Meister Streit freut sich, dass sein Lehrling in Ostritz einmal mehr zeigen konnte, was er gelernt hat. Und er bringt auf den Punkt, worauf es als Ofenbauer ankommt: „Das musst du auch voll wollen.“