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Katherina Reiches Kraftwerkstrategie: Wird der Osten benachteiligt?

Neue Gaskraftwerke werden überwiegend im Süden Deutschlands gebaut, so will es Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU). Gegen diesen „Südbonus“ regt sich Widerstand. Brandenburgs Wirtschaftsminister Keller (SPD) warnt vor „Regionalproporz“ und „horrenden Kosten“.

Lesedauer: 2 Minuten

Torsten Gellner

Potsdam. Die Pläne von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), neue Gaskraftwerke vor allem im Süden Deutschlands zu bauen, stoßen auf deutliche Kritik.

Brandenburgs Wirtschaftsminister Daniel Keller (SPD) pocht darauf, dass auch die Mark berücksichtigt wird. „Unser Ziel ist es, dass die Lausitz auch in Zukunft Energiestandort bleibt“, sagte er.

Die Vorteile lägen auf der Hand: „Hier existieren bereits viele der nötigen Anlagen und es gibt hier das qualifizierte Personal, um die neuen Kraftwerke zu betreiben“, so Keller.

„Demgegenüber macht es wenig Sinn – nur aus Gründen des Regionalproporz – Kraftwerke in Süddeutschland mit horrenden Kosten zu bauen, zumal dort überhaupt erst die planungsrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen wären“, sagte der Minister.

Kraftwerksstrategie: Südbonus für Markus Söder

Laut Koalitionsvertrag der Bundesregierung sollen in den nächsten Jahren bis zu 20 Gigawatt an neuen Gaskraftwerkskapazitäten entstehen. Das wäre deutlich mehr als das, was Reiches Amtsvorgänger Robert Habeck (Grüne) geplant hatte (12,5 Gigawatt) und würde rund 40 Anlagen entsprechen.

Bei einem Besuch am bayerischen Tegernsee hatte Reiche kürzlich im Beisein von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) einen „Südbonus“ angekündigt: Zwei Drittel der staatlich geförderten Kraftwerke sollen demnach im Süden Deutschlands entstehen.

Ich würde es für ein fatales Signal halten, wenn die Interessen Bayerns einseitig privilegiert werden. – Daniel Keller (SPD), Wirtschaftsminister

Nach Einschätzung des Brandenburger Wirtschaftsministeriums ist dieser Südbonus völlig überdimensioniert und führt zu Fehlanreizen.

Damit würden nicht die kosteneffizientesten Angebote den Zuschlag bekommen. Die Folge wären höhere Kosten und höhere Strompreise.

Gaskraftwerke vor allem im Süden: Keller sieht „fatales Signal“

Minister Keller verwies auf Vereinbarungen der Koalitionsverhandlungen, bei denen Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) in der Arbeitsgruppe Energie saß.

Im Koalitionsvertrag gelte die Vorgabe, „dass bei der Kraftwerksstrategie vorrangig bestehende Kraftwerksstandorte bevorzugt werden sollen“, so Keller. Die gebe es eben in der Lausitz.

So könnten die Kosten für den Anschluss von Kraftwerken an das Übertragungsnetz minimiert werden. „Ich würde es für ein fatales Signal halten, wenn die Interessen Bayerns ohne Abstimmung mit 15 weiteren Bundesländern einseitig privilegiert werden.“

Gaskraftwerke sollen die Stromversorgung sicherstellen, wenn es zu einer Dunkelflaute kommt, wenn also wenig Wind- und Sonnenstrom produziert wird. Auf absehbare Zeit wird nicht damit gerechnet, dass es ausreichend Stromspeicher geben wird, die eine längere Dunkelflaute ausgleichen könnten.

Leag-Beschäftigte von Katherina Reiche enttäuscht

In der Lausitz will die Leag in Schwarze Pumpe (Brandenburg) und Lippendorf (Sachsen) moderne Gaskraftwerke errichten. Dort ist der Ärger angesichts Reiches Südbonus groß.

„Fairplay sieht anders aus“, hatte der Konzernbetriebsratsvorsitzende Uwe Teubner vorigen Donnerstag bei einer Betriebsversammlung gesagt. Leag-Chef Adolf Roesch ergänzte: „Gaskraftwerke müssen gleichberechtigt in ganz Deutschland an Kraftwerksstandorten gebaut werden.“

Unverständnis herrscht auch beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB): „Es ist zutiefst beunruhigend, dass Ministerin Reiche, die ja selbst Brandenburgerin ist, an dieser Stelle vom Koalitionsvertrag abweichen will und den Süden der Republik bevorzugen möchte“, sagt Nele Techen, DGB-Vize-Chefin für Berlin und Brandenburg.

Die Beschäftigten in der Braunkohle hätten den Kohleausstieg akzeptiert – unter der Annahme, „dass man sich um ihre Arbeitsplätze kümmern werde“.

Sören Pellmann, Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag, mahnte, im Osten sei alles Nötige für die neuen Kraftwerke vorhanden: „Facharbeiterinnen und Facharbeiter, Netzanschluss, Gasleitungen und Infrastruktur.“ Reiches Pläne seien industrie- und energiepolitischer Unsinn. Damit werde das verfassungsmäßige Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse anzustreben, missachtet.

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