Michael Rothe
Dresden. Bauen in Deutschland ist zu aufwendig, bürokratisch, langwierig und letztlich zu teuer. Darüber sind sich Protagonisten und Politik einig – von den Nutzern und Käufern ganz zu schweigen. Mit einer Gesetzesnovelle will die Ampel-Regierung nun den „Bau-Turbo“ anwerfen, um die Wohnungsnot zu bekämpfen.
Wie groß der Handlungsdruck ist, belegen am Freitag vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Zahlen. Demnach geht die Zahl der Baugenehmigungen weiter zurück. Wurden im bereits schwachen vorigen Jahr bis August noch 175.799 Wohnungen bewilligt, so sind es 2024 nur noch 141.915 Einheiten – also fast 33.900 weniger. In den Jahren zuvor waren in dem Zeitraum noch rund 240.000 Wohnungen genehmigt worden. Ursprünglich wollte die Bundesregierung 400.000 Wohnungen bauen, davon 100.000 Sozialwohnungen.
Debatte im Bundesrat
Das Bundeskabinett hatte Anfang September einen Gesetzentwurf zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung verabschiedet. Mit der umfangreichsten Novelle des Bauplanungsrechts der letzten 30 Jahre, sollen insbesondere der Wohnungsbau gefördert, Verfahren beschleunigt und digitalisiert sowie Baukosten gesenkt werden. Jener Entwurf mit wesentlichen Änderungen im Baugesetzbuch wurde am Freitag im Bundesrat debattiert.
„Der große Wurf ist nicht gelungen“, resümiert Sachsens Bauminister Thomas Schmidt (CDU) in seiner Rede im Länderparlament. Der Freistaat begrüße das grundsätzliche Ansinnen der Reform, so der Minister. Allerdings enthalte der Entwurf „nur Ansätze, um das Bauwesen in Deutschland zukunftsfähig zu gestalten, rechtliche Hürden abzubauen und Angebot und Nachfrage in angespannten Wohnlagen auszugleichen“. Es gelte dringend, die Versäumnisse des Bundes aufzuholen und endlich wirksam gegen die Bau- und Wohnungskrise vorzugehen, so Schmidt.
Nach seiner Ansicht muss der Bund „noch mehr rechtliche Voraussetzungen schaffen, damit wir als Bundesländer Genehmigungsverfahren weiter straffen, den Wohnungsbau privilegieren und die Bebauung von Baulücken noch mehr vereinfachen können“. Die Tatsache, dass es zum Gesetzentwurf 113 Änderungsanträge aus den Bundesländern gebe, belege erheblicher Nachbesserungsbedarf. „Ignoranz darf nicht die Antwort sein“, appelliert Sachsens Vertreter in der Länderkammer an den Bundestag, nachzuschärfen.
Verzicht auf Keller, Balkon und mehr
Im Vorfeld der Sitzung hatten sich auch Lobbyisten zu Wort gemeldet. So warnte der Eigentümerverband Haus & Grund davor, sanierungswilligen Gebäudeeigentümern mit einer geänderten Gefahrstoffverordnung weitere Hürden in den Weg zu stellen. Die von einigen Bundesratsausschüssen angedachte Asbest-Erkundungspflicht für Hauseigentümer würde energetische Sanierungsmaßnahmen weiter verteuern und verzögern, sagt Verbandspräsident Kai Warnecke. Es reiche, wenn Handwerker auf Basis des Baujahrs abschätzen, ob im Gebäude gefährliche Baustoffe verwendet wurden, so das Sprachrohr von über 936.000 Immobilieneigentümern.
Nach Ansicht von Beobachtern ist sich der Bundesrat einig, dass der vorgelegte Entwurf nicht reicht, um der Krise zu begegnen. Auch hätten sich die Länder eine vorherige Beteiligung gewünscht, heißt es. Ihre Anhörungsfrist betrug 14 Tage – in den Sommerferien. Auch wegen der vielen Einwände soll es nun in der Länderkammer eine zweite Lesung geben. Ihre abschließende Zustimmung für den Gesetzesbeschluss braucht es hingegen nicht.

Quelle: dpa
Der bis 2027 befristete „Bau-Turbo“ ist eine zentrale Neuerung im Baugesetzbuch und ermöglicht eine schnellere Umsetzung von Vorhaben in angespannten Wohnungsmärkten. Er macht es in bestimmten Fällen möglich, ohne gesonderten Bebauungsplan zu bauen, wenn die jeweilige Kommune zustimmt. Der „richtige Ansatz“ geht Schmidt aber nicht weit genug. Er werde nur von sehr wenigen Gemeinden in Sachsen genutzt werden können,
Gleiches gelte für die geplanten Erleichterungen bei der Nachverdichtung – etwa, dass Bestandsgebäude einfacher aufgestockt und Baulücken geschlossen werden können, so der Staatsminister. Dort dürfe die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur nicht zur Hürde werden. „Ein Baum kann nicht dem dringend benötigten Bau von Wohnraum im Wege stehen.“
Deutschlands Wohnungsbaukrise hält an“, kommentiert Felix Pakleppa, Chef des Zentralverbandes ZDB die jüngste Bau-Statistik. Er setzt auf einen Baustein der Offensive: „Der Gebäudetyp E wird hoffentlich Anfang November im Kabinett verabschiedet“, sagt er. Damit ein Befreiungsschlag gelinge, brauche es aber rechtliche Grundlagen im Bürgerlichen Gesetzbuch.
Nur durch eine Öffnungsklausel seien Baufirmen vor Schadensersatzansprüchen geschützt, wenn sie von den anerkannten Regeln der Technik abwichen. Parallel sollten die Länder solche Kriterien in ihre Landesbauordnungen aufnehmen, etwa zu Deckenstärken und Fassadenvorgaben.
Der Gebäudetyp E erlaubt auch, auf Keller, Balkone und anderes mehr zu verzichten. Das verkürzt die Bauzeit und reduziert die Kosten. Der ZDB, Interessenvertretung der Bauhandwerker, hofft, „dass es in dieser Legislaturperiode noch eine Schlussoffensive für den Wohnungsbau gibt“.