Bautzen. Ein Aufatmen war nicht zu hören, was nicht nur am fast zeitgleich über den Landkreis ziehenden Gewitter gelegen haben dürfte. Die drohenden Einfuhrzölle für Fahrzeugexporte in die USA sind nach einem Gespräch zwischen US-Präsident Donald Trump und EU-Chef Jean-Claude Juncker vorerst vom Tisch. Oder besser: Sie liegen auf Eis. Denn niemand weiß, wie sehr man dem Frieden trauen kann bei einem sprunghaften Politiker wie Trump …
Die Diskussion um Einfuhr- oder Strafzölle war eine Debatte, die dabei gerade im Landkreis Bautzen intensiv verfolgt wurde. Immerhin sind hier zahlreiche Autozulieferfirmen ansässig. Was also, wenn die Autohersteller kurzerhand erklären würden, künftig Fahrzeuge für den US-Markt ausschließlich vor Ort zu produzieren, um Zölle zu umgehen? Das hätte auch Auswirkungen auf die Auftragslage der Zulieferer. Negative. Und doch bleiben die hiesigen Firmen in der hitzigen Debatte erstaunlich kühl – und gelassen.
Denn zumindest direkt betroffen fühlen sich nur die wenigsten Zulieferer, wie eine Umfrage der SZ zeigt. Man liefere vorrangig für Fahrzeuge, die auf dem europäischen Markt verkauft werden, machen die meisten Firmen deutlich. Trotzdem schaut man genau hin. Wie beim Kunststoffverarbeiter Lakowa in Wilthen zum Beispiel. Hier werden Fahrzeuginnenausstattungen produziert, „aber eher für Ambulanz-Fahrzeuge, die selten in die USA exportiert werden“, so Prokuristin Dagmar Liebscher. Damit ist das Wilthener Unternehmen zwar nicht direkt von möglichen US-Einfuhrzöllen betroffen, „aber dennoch erzeugen solche Debatten eine generelle Unsicherheit im Bereich des Fahrzeugbaus“. Zu all dem komme außerdem noch die leidige Diskussion um Abgaswerte.
Kaum Zeit für Nachdenken
Mit dem Thema Export hat auch das Arbeitsgebiet der Firma Werkzeug- und Formenbau Spill in Bischofswerda wenig zu tun. Das Unternehmen baut Werkzeuge für die Produktion, unter anderem bei Audi. „Und wir kommen dabei, wenn überhaupt, nur indirekt mit eventuellen Einfuhrzöllen in Berührung“, sagt Firmenchef Alfons Spill. Zeit, ausführlich über die Debatte nachzudenken, bleibe im Moment ohnehin nicht, „wir haben zum Glück sehr gut zu tun“.
Dass es so überhaupt keine Auswirkungen geben könnte, sei allerdings eine eher trügerische Sicherheit, bleibt man zumindest bei KWD Automotive in Radeberg vorsichtig. Hier werden Karosserieteile für zahlreiche deutsche Autohersteller produziert. Autobauer reagieren sehr sensibel auf solche Diskussionen, wie die um eventuelle Zölle, heißt es aus dem Unternehmen. Wenn sich die Autoproduzenten daraufhin mit Stückzahlen zurückhalten, weil sie nicht wissen, wie der Export laufen wird, würden das letztlich auch die Zulieferer zu spüren bekommen. Deshalb seien schon jetzt Gedankenspiele nötig, um auf solche Eventualitäten vorbereitet zu sein. Und so denke man bei KWD natürlich über einen „Plan B“ nach, ob möglicherweise im Ernstfall mit Kurzarbeit reagiert werden könne oder andere Arbeitszeitmodelle gefunden werden. Aktuell laufe in Radeberg allerdings alles problemlos.
Auch bei der Handwerkskammer hat man die Diskussion nicht ganz so entspannt verfolgt. „Wir sind zufrieden, dass mögliche Strafzölle der USA auf Auto-Importe erst einmal vom Tisch sind“, unterstreicht Dr. Andreas Brzezinski, der Hauptgeschäftsführer der Dresdner Handwerkskammer. „Denn es ist ganz klar so, dass alles, was den freien Handel behindert, sich nachteilig auf die Wirtschaft – auch in unserer Region – auswirkt“, ist er überzeugt.
Hiesige Zulieferer müssen mitziehen
Und doch werden auch die Automobilzulieferer – völlig unabhängig von der Diskussion um mögliche Einfuhrzölle – über kurz oder lang darüber nachdenken müssen, „sich zu internationalisieren“, ist zumindest Andreas Wächtler vom Automobilzulieferernetzwerk Sachsen überzeugt. Der Verband kümmert sich um die Interessen der Branche und sieht schon seit Jahren die Tendenz, „dass die großen Autohersteller Werke für den jeweiligen Markt vor Ort bauen“. Wenn die hiesigen Zulieferer auch dort mit im Boot sitzen wollen, „müssen sie ebenfalls mitziehen“, gibt Andreas Wächtler die Richtung vor. Denn Zulieferteile erst über weite Strecken zu exportieren – und dafür dann letztlich auch eventuell Zölle zu zahlen –, bedeutet natürlich enorme Kosten. „Also setzen die Hersteller entweder auf Zulieferer aus den jeweiligen Ländern oder eben auf die bekannten Kontakte, die ihnen gefolgt sind und sich vor der Werktüre angesiedelt haben.“
Sogesehen könnte die Diskussion um mögliche Zölle unter Umständen auch eine Art Katalysator sein, diesen Trend weiter zu beschleunigen.
von Jens Fritzsche
Bildquelle: Uwe Soeder