Von Annett Heyse
Karl Schober klettert auf den Mähdrescher und wirft den Motor an. Langsam setzt sich die Maschine in Bewegung, dreht Richtung Feld und rattert los. Mit lautem Krachen verschwinden die trockenen Halme im Schneidwerk. Es stiebt gewaltig. Erntezeit. Doch nicht Weizen oder Raps werden hier vom Feld geholt, sondern Mohn.
Jedoch sieht er längst nicht mehr so dekorativ aus, wie noch Anfang Juni. Damals entfalteten die üppig grünen Pflanzen ihre hell-violetten Blütenblätter. Nun steht der Mohn braun und dürr auf dem Feld, durch das der Mähdrescher inzwischen eine Schneise geschlagen hat.
Etwa zehn Minuten später rollt die riesige Maschine zu einem Container, der neben dem Feld steht. Der Arm schwenkt aus und mit einem Rauschen wird die schwarzgraue Masse entladen.
Genehmigung von der Bundesopiumstelle
Im dritten Jahr hintereinander wird auf den Feldern nahe dem Wilsdruffer Ortsteil Helbigsdorf Mohn angebaut. Es ist jedoch kein Schlafmohn wie in Afghanistan, aus dem das Rauschgift Opium extrahiert wird, sondern Backmohn.
„Wir haben nach einer Frucht gesucht, die wir zusätzlich zu Weizen, Hafer, Gerste und Mais noch anbauen können und sind auf den Mohn gekommen. Das passt auch ganz gut zu unseren Maschinen und Betriebsabläufen“, berichtet Karl Schober. Er ist der Junior-Chef von Schobers Hof, einem kleinen Landwirtschaftsbetrieb in Helbigsdorf.
Für den Mohnanbau mussten die Landwirte eine Genehmigung bei der Bundesopiumstelle beantragen und dafür auch ihre Führungszeugnisse vorlegen.
Bevor jedoch der erste Mohn ausgesät wurde, musste die Frage geklärt werden, wer die Ernte überhaupt abnimmt. Nachdem die Landwirte bei verschiedenen Bäckereien angeklopft hatten, meldete sich die Landbäckerei Schmidt aus der Sächsischen Schweiz.
„Wir arbeiten gerne mit regionalen Produzenten zusammen. Da sieht man, wo die Zutaten herkommen. Das Getreide für unser Mehl zum Beispiel wächst quasi vor unserer Bäckerei“, sagt Nicole Arko, Teil der Geschäftsführung der Landbäckerei Schmidt, die ihren Sitz in Leupoldishain bei Königstein hat und rund 40 Filialen betreibt.
Mohnpflanze liebt Wärme und viel Sonne
Im ersten Jahr wurde nur eine kleine Fläche als Testfeld mit Mohn bestellt. Die erste große Ernte fand dann 2022 statt. Die Ausbeute lag bei 19 Tonnen, wovon die Landbäckerei Schmidt acht Tonnen abnahm. Der Rest ging an andere Bäcker. Dieses Jahr rechnet man mit einer ähnlichen Größenordnung. „Und im nächsten Jahr bauen wir noch mehr Mohn an“, sagt Karl Schober.
Dem Mohnanbau gehört in Deutschland unter den sich verändernden Witterungsbedingungen gewissermaßen die Zukunft. Warum das so ist, kann Richard Kirmes erklären. Er ist Anbauberater und steht jetzt ebenfalls am Helbigsdorfer Mohnfeld. „Die Mohnpflanze bildet eine lange Wurzel und kommt deshalb auch bei großer Trockenheit noch an Wasser. Außerdem liebt sie trockene, heiße Frühsommer.“
Kein Wunder, dass die europäischen Hauptanbaugebiete für Mohn in Ländern wie Österreich, Ungarn, Tschechien und Frankreich liegen. Auch in Deutschland wurde immer Mohn angebaut, doch nur in vergleichsweise kleinen Mengen. Schober: „Das ist eine absolute Nische.“
Mohn muss noch vier Wochen lagern
Für den Anbau mussten die Helbigsdorfer zunächst investieren. Denn Aussaat- und Erntemaschinen für Getreide kann man nicht so ohne Weiteres auch für den Mohn verwenden. „Da musste einiges umgebaut und angepasst werden“, berichtet Richard Kirmes.
Zudem braucht es Lagerfläche. Der Mohn wird noch am Feld in große Container gefüllt, in denen er rund vier Wochen gut belüftet und vor Regen geschützt gelagert wird. Anschließend erfolgt eine grobe Reinigung, denn nach der Ernte befinden sich zwischen den Mohnsamen noch Hülsen der Mohnkapseln, die heraus gesiebt werden müssen. Eine zweite Feinreinigung übernimmt dann eine Spezialfirma, die den Mohn dann auch absackt.
So kommt er in die Landbäckerei Schmidt, die die Ölsaat zu Kuchen, Plunderschnecken und ab Herbst auch zu Mohnstollen verarbeitet. In Leupoldishain war man schon nach der Ernte im letzten Jahr begeistert. „Die Backeigenschaften sind besser als vom Mohn aus dem Großhandel. Der Helbisgdorfer Mohn quillt besser auf, dadurch werden die Kuchen feuchter. Für uns ist das qualitativ klar ein Plus“, sagt Nicole Arko.