Von Irmela Hennig
Leag-Konzernchef Kramer stellt in Cottbus ehrgeizige Pläne bis 2040 vor, die sogar Google auf den Plan rufen. Und startet den Bau einer Fotovoltaik-Anlage mitten in einem künftigen Tagebau-See.
Keine fünf Minuten dauerte es, dann war Dalbe 33 versenkt. Zehn von 15 Metern Stahlrohr waren verschwunden im sandigen Boden des künftigen Cottbuser Ostsees. Insgesamt 34 solcher rostbrauner Rohre hat das Bergbauunternehmen Leag hier in den vergangenen Tagen in den Grund rammen lassen. Sie sollen künftig die sogenannten „Boote“ tragen, auf denen die Module einer schwimmenden Photovoltaik-Anlage befestigt werden. Ende 2024, so der ehrgeizige Zeitplan, soll dieser Baustein der Energiewende in Betrieb gehen. Rund 51.000 Module sollen dann jährlich bis zu 29.000 Megawattstunden Strom liefern. Wenn die Sonne scheint.
Das tat sie am Dienstag nur hinter Wolken. Die Lerchen zwitscherten trotzdem ausdauernd über dem ehemaligen Tagebaugelände Cottbus Ost, als die Leag das schon bekannte Projekt noch einmal präsentierte. Mit 16 Hektar Fläche entstehe die größte schwimmende Anlage dieser Art in Deutschland, so betonte Dominique Guillou vom Projektpartner EPNE aus Berlin. Rechnerisch könnten damit rund 8.250 Haushalte mit Strom versorgt werden. Doch die Energie soll vor allem das künftige Cottbuser Hafenquartier versorgen sowie im Idealfall eine Seewasser-Wärmepumpe, die die Stadtwerke Cottbus im Ostsee installieren wollen.
Die schwimmende Anlage, die vor der Flutung des Sees errichtet wird und mit steigendem Wasserspiegel nach oben treiben soll, sei in dieser Form etwas Neues. Neuland werde die Leag auch mit einem anderen Projekt betreten, das Leag-Vorstand Thorsten Kramer am Dienstag vorstellte. Zuammen mit einem Partner soll eine 500-Megawatt-Batterie wohl am Standort Cottbus entstehen. Es wäre die dritte nach der BigBattery in Schwarze Pumpe mit 50 Megawatt und einer geplanten in Boxberg mit inzwischen 130 Megawatt. Dort wird jeweils Kraftwerksstrom zwischengespeichert und bei Bedarf wieder eingespeist.
Leag plant Anlagen für 20 Gigawatt Öko-Strom bis 2040
Beim künftigen Vorhaben sprach Thorsten Kramer nun von einem Batterie-Park. Neben Lithium-Ionen-Speichern mit 400 Megawatt soll der auch aus 100 Megawatt Redox-Flow-Batterien entstehen. Dabei wird Energie in chemischen Verbindungen gespeichert. Man habe einen US-amerikanischen Partner, mit dem ein Teil des Projekts umgesetzt werden soll. Dafür könnte es Geld aus dem Breakthrough Energy Europe Fund von Microsoft-Gründer Bill Gates geben. Das ist ein Investmentfond von Gates und der EU über 100 Millionen Euro, mit denen sauberer Energietechnologien gefördert werden.
Insgesamt will die Leag bis 2040 Kapazitäten von rund 20 Gigawatt installierter Leistung an grüner Energie aufbauen. Wichtigster Baustein dafür seien Wind- und Fotovoltaik-Parks auf eigenen Flächen. Rund 33.000 Hektar Land besitze die Leag, vor allem ehemalige und noch genutzte Tagebaue. Hinzu kommen wohl zwei bis drei Gigawatt auf fremden Flächen sowie um die sechs Gigawatt Energie aus wasserstofffähigen Gaskraftwerken.
Leag-Chef Kramer nutzte ein neues Veranstaltungsformat der Firma für die Informationen. Erstmals hatte die Leag zu einer „New Energy Convention Lausitz“ nach Cottbus eingeladen. Man könnte von einer Art neuen Barbarafeier sprechen, dem Traditionsfest der Bergleute. Führungskräfte, Mitarbeiter der Leag, Politiker wie Michael Kellner, parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, und Unternehmenspartner waren im Spreeauenpark zusammengekommen.
Kramer präsentierte dabei eine Videosequenz, erzeugt mit Künstlicher Intelligenz, von einer Lausitz 2040 mit vielen Windrädern, PV-Flächen, Speicherblocks, einem Gaskraftwerk und vielen Seen. Staatssekretär Kellner hält all das nicht „für Hirngespinste“. Er sprach auch davon, dass die Produktion von Solarmodulen auch wieder in Deutschland laufen soll. Die Leag hatte Ende 2022 davon gesprochen, dass dies auch eine denkbare Perspektive sei für das Unternehmen.
Kommt Google in die Lausitz?
Die Pläne der Leag für den Ausstieg aus der Kohleverstromung, der gesetztlich vorgeschrieben ist, haben laut Thorsten Kramer auch den Internetkonzern Google aufmerksam gemacht. Google habe angefragt, ob die Leag 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche grünen Strom liefern könne. „Das geht aber nur mit Speicherung“, sagte Kramer. Jedenfalls sei Google an einem sogenannten Power Purchase Agreement interessiert. Das ist ein Vertrag zwischen Abnehmer und Erzeuger von erneuerbaren Energien über den Bezug zu einem vereinbarten Preis. Ob das bedeutet, das Google in der Lausitz aufschlägt, blieb offen. Thorsten Kramer hat nach eigenen Aussagen bei Gesprächen mit Landräten in den letzten Monaten aber immer wieder deutlich gehört, dass Unternehmen, wenn sie sich in der Region ansiedeln wollen, vor allem nach grüner Energie fragen.
Die kommt für die Leag nach jüngsten Aussagen derzeit erst nach 2038 komplett. Dann gehen die letzten Braunkohlekraftwerke des Konzerns vom Netz; die Gruben werden geschlossen. Einen früheren Ausstieg, wie ihn der Energielieferer RWE angekündigt hat, hält man bei der Lausitzer Energie- und Kraftwerke für unwahrscheinlich. Man brauche Zeit für die Transformation, so hatte Finanzvorstand Markus Binder vor wenigen Tagen gesagt.
Offen hingegen ist die Leag bei Themen wie Geothermie. Konkret geht es um ein Verfahren, bei dem mit einer Plasma-Bohrung ein relativ kleines Loch mit 30 Zentimetern Durchschnitt in den Boden gebohrt wird, mehrere tausend Meter tief. Ein Unternehmen im slowakischen Bratislava sei in dem Bereich tätig und gerade sehr aktiv in den USA. „Wenn es möglich ist, würden wir das auch in der Region machen“, so Kramer. In 10.000 Meter Tiefe habe man 400 Grad Celsius.