Jene, die nach dem Ende des Angriffskriegs in der Ukraine auf die Rückkehr zu billigen Gaslieferungen aus Russland hoffen, muss Ulf Heitmüller enttäuschen. „Ich halte eine Rückkehr für schwierig“, sagte der Vorstandsvorsitzende der VNG AG am Mittwoch bei der Vorlage der Geschäftsbilanz 2024. Russland habe die Lieferverträge einseitig und vertragswidrig gekündigt, erinnert Heitmüller, Chef des umsatzstärksten Unternehmens in Ostdeutschland. VNG erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Umsatz von 16,1 Milliarden Euro.
Auf die Frage, ob nach einem möglichen Waffenstillstand in der Ukraine russisches Gas wieder eine Option sein könne, stellte Heitmüller klar, man höre zwar viele Spekulationen dazu, habe selbst aber keine belastbaren Informationen. Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums hatte jüngst auch mögliche künftige Importe russischen Öls für die Raffinerie im brandenburgischen Schwedt ausgeschlossen. Es gebe keine derartigen Bestrebungen, auch nicht für den Import von Gas über noch bestehende Pipelines. Deutschland habe sich unter großen Anstrengungen von russischer Energie unabhängig gemacht.
Gas aus Algerien statt aus Russland
Das gilt auch für VNG. Der Spezialist für Gashandel und Gasinfrastruktur mit derzeit 1.900 Beschäftigten musste sich seit 2022 neu aufstellen. Statt russischem Gas wird jetzt Erdgas oder Flüssiggas aus Norwegen und Algerien importiert. Ziel sei es, die Versorgungssicherheit unabhängig von einzelnen Herkunftsländern langfristig zu sichern, betonte Heitmüller.
Eine zweite Aufgabe sieht er darin, dafür zu sorgen, dass die Industrie – insbesondere die Chemie-, Stahl- und Zementindustrie – in Deutschland bleiben können. Dafür braucht es grünen Wasserstoff, denn die Grundstoffindustrie lässt sich nicht elektrifizieren.
Hier schlägt unser Herz, hier bleiben wir, aber auch die Attraktivität als Arbeitgeber für die Beschäftigten erhöhen wir. – VNG-Vorstandsmitglied Bodo Rodestock über den Umzug ins Leipziger Zentrum
Die VNG will sich als Großlieferant für grünen Wasserstoff und Biogas positionieren. Dazu laufen große Investitionsprojekte. Über die VNG-Tochter Ontras bauen die Leipziger beispielsweise am Wasserstoffkernnetz mit. Am Mittwoch wurde ein erstes 25 Kilometer langes Teilstück zwischen dem Energiepark Bad Lauchstädt und dem Chemiepark Leuna in Betrieb genommen.
Milliarden-Investitionen in grünen Wandel
Insgesamt will der Energiekonzern bis zum Jahr 2035 fünf Milliarden Euro in den Wandel investieren – eine gigantische Summe. Das Geld in wirtschaftlich tragfähige Produkte zu investieren, ist auch im Interesse der Beschäftigten, damit ihre Jobs sicher bleiben. Dafür braucht es verlässliche Regelungen in der Energiepolitik. Die ersten Ergebnisse in den Koalitionsverhandlungen zeichneten ein „hoffnungsvolles Bild“, so Heitmüller. Das Bekenntnis zu Wasserstoff und Biogas sei erfreulich.
Ein stabiles Fundament für die Investitionen bildeten die guten Geschäftsergebnisse, hieß es in Leipzig. Der Konzerngewinn lag 2024 mit 232 Millionen Euro deutlich über den Erwartungen. VNG profitierte in den vergangenen zwei Jahren durch ein wachsendes Speichergeschäft, nicht zuletzt auch aus Angst vor einer Gasmangellage. Nach Ausbruch des Ukrainekrieges 2022 war der Gaspreis auf Rekordwerte von bis zu 300 Euro je Megawattstunde gestiegen. Inzwischen ist er auf einen Preiskorridor von 42 bis 50 Euro je Megawattstunde gesunken, sei aber immer noch doppelt so hoch wie vor dem Krieg.
2027 Umzug ins ehemalige Telekom-Gebäude
VNG verfolgt nicht nur Wasserstoffpläne, sondern auch Umzugspläne. 2027 will der Konzern vom Stadtrand in die Leipziger Innenstadt in das ehemalige Telekom-Gebäude ziehen. Seit Ende 2024 sei das Gebäude freigeräumt und der Umbau könne beginnen. Alles laufe nach Plan, betont Vorstandsmitglied Bodo Rodestock. Der Umzug soll ein starkes Signal an die Region sein: „Hier schlägt unser Herz, hier bleiben wir, aber auch die Attraktivität als Arbeitgeber für die Beschäftigten erhöhen wir“, so Rodestock.
SZ