Dresden. Die Elbbrücke in Bad Schandau wegen gravierender Sicherheitsbedenken auf unbestimmte Zeit gesperrt. Die teilweise eingestürzte Carolabrücke in Dresden vor dem Totalabriss – was die kurzfristig dichtgemachte Querung der Bundesstraße 101 in Großenhain mittlerweile bereits hinter sich hat. Wohl nicht die letzte Hiobsbotschaft, denn insgesamt wurden und werden 19 Straßenbrücken in der Obhut des Freistaats einer Sonderprüfung unterzogen. Aber wie steht es in Sachsen um die 1.908 Eisenbahnbrücken im Portfolio der Deutschen Bahn (DB)?
Auf den ersten Blick gut. Der jüngste Zustandsbericht von Konzerntochter DB Infrago gibt dem Bahnnetz inklusive Brücken, Tunneln, Stellwerken, Gleisen usw. die Note 2,75. Das bedeutet im Länderranking Platz drei hinter Thüringen und Sachsen-Anhalt – und ist der umfangreichen Modernisierung des Netzes nach der Wende geschuldet. Demnach sind 520 Brücken „neuwertig“, mit allenfalls punktuellen Schäden und 858 in „gutem“ Zustand. 474 sind in Kategorie 3, „mittelmäßig“, eingruppiert – aber auch 54 Brücken in Stufe 4, also „schlecht“ und „mit gravierenden Schäden“.
Unterm Strich bleiben zwei Brücken, die sogar in die Rubrik „mangelhaft“ bzw. „einschränkend“ fallen. Auch auf wiederholte Nachfrage dieser Zeitung will die DB nicht verraten, um welche Bauwerke es sich handelt. Die Kategorisierung sei „eine statistische Auswertung“, sagt eine Sprecherin. Die Instandhaltung arbeite mit den Kategorien 1 bis 4, die für alle im Portal einsehbar seien.
Eine interaktive Karte mit allen Eisenbahn-Brücken finden Sie hier
„Aus diesem Grund weisen wir Ihnen die Brücken nicht einzeln aus.“ Auch Sachsens neuem Infrastrukturministerium „liegen keine Informationen zum Zustand der Bauwerke vor, die über die Angaben des Brückenportals hinausgehen“.
Bahn: Unvermittelte Sperrungen drohen nicht
Brücken dieser Kategorie und schlechter – bundesweit 1.564 Querungen – sind laut Definition „erneuerungsbedürftig“. Mit 5 und 6 benotete Bauten hätten sogar längst erneuert oder gesperrt werden müssen. Ad-hoc-Sperrungen wie zuletzt bei den beiden Straßenbrücken in Ostsachsen drohen den Angaben zufolge nicht.
„An sämtlichen Eisenbahnbrücken der DB werden alle sechs Jahre Begutachtungen durchgeführt und um drei Jahre versetzt Untersuchungen vorgenommen“, sagt die Sprecherin. Zudem gebe es eine laufende Überwachung bei Gleisbegehungen. „Die Stand-, Verkehrs- und Betriebssicherheit jeder einzelnen Brücke ist damit gewährleistet“, betont sie.
Bis 2029 will die Deutsche Bahn bundesweit über 2.000 ihrer 25.700 Brücken sanieren. Hinzu kommen Straßen- oder Fußgängerüberführungen sowie Neubaubrücken, die nicht auf die Qualitätskennzahl nicht angerechnet werden dürfen. Wegen fehlender Haushaltsbeschlüsse und anderer offener Fragen stünden wichtige Prämissen in der Finanzplanung des Konzerns noch nicht, so die Sprecherin. Daher könne sie keine verbindliche Aussage treffen, welche Brücken in den nächsten zehn Jahren im Freistaat saniert werden, was es kostet und wer das bezahlt. Eine Kompletterneuerung gebe es derzeit beim Kreuzungsbau westlich des Dresdner Hauptbahnhofs. 2024 seien sieben Überführungen in Leipzig-Stötteritz erneuert worden. Als spektakulärste Sanierungen nennt sie die Elstertalbrücke, das Chemnitzer Viadukt und weitere Brücken entlang des dortigen Bahnbogens.
Selbst schlechteste Bahnbrücken noch sicher
„Die Zustandskategorie allein steht nicht für die Betriebssicherheit“, betont die Sprecherin. Selbst Brücken der schlechtesten Kategorie seien sicher, „sonst würde hier kein Betrieb zugelassen“. Gleichwohl ist laut DB-Definition bereits in Stufe 4 „eine wirtschaftliche Instandsetzung nicht mehr möglich“, die Brücke praktisch abrissreif.
Laut der Bestandsaufnahme sind die Tunnel unter allen Ingenieurbauwerken der Bahn in Deutschland am besten in Schuss. Am schlechtesten schneiden die Stellwerke ab – Brücken, Gleise und Oberleitungen sind dazwischen eingestuft. Der Bericht beziffert den Nachholbedarf bei Brücken auf 28,4 Milliarden Euro, fast ein Drittel des benötigten Volumens für das gesamte Netz. Ihr Zustand hat sich in Jahresfrist weiter leicht verschlechtert, obwohl die technische Nutzungsdauer von Gewölbebrücken angehoben wurde.
An einen Einsturz kann sich bei der Allianz pro Schiene niemand erinnern. Dennoch sei die Infrastruktur oft sanierungsbedürftig, sagt Dirk Flege, Chef des gemeinnützigen Bündnisses aus 23 Non-Profit-Verbänden und 160 Unternehmen. Bundestag und Bundesregierung müssten sicherstellen, dass geplante Bauarbeiten nicht aufgrund unsicherer Haushaltslage ruhen müssen oder gar nicht erst angefangen werden können, fordert er und warnt: „Die Sanierung des Schienennetzes in Deutschland duldet keinen Aufschub.“
Fazit: Bahnbrücken in Sachsen sind etwas besserer erhalten als Straßenquerungen. Laut bundeseinheitlicher Bewertung sind rund 90 Prozent der 2.520 sächsischen Bundes- und Staatsstraßenbrücken in sehr gutem bis ausreichendem Zustand. Für den Rest gilt „nicht ausreichend“ oder „ungenügend“.
SZ