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Mehr ausländische Beschäftigte als Arbeitslose in Sachsen

Beim 2. Fachkräftegipfel in Chemnitz zieht Sachsens Arbeitsminister eine Zwischenbilanz – und sieht mehr Fachkräftemangel voraus.

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht Josephin Rother und Natalie Lohs vom Institut Zefas auf einem Fachkräftegipfel
Was gehört zur internationalen Anwerbung? Auf dem Fachkräftegipfel sammeln Josephin Rother und Natalie Lohs vom Institut Zefas Ideen. © SZ/Georg Moeritz

Von Georg Moeritz

Chemnitz. Der Wettbewerb um ausländische Fachkräfte nimmt zu: Beim 2. Fachkräftegipfel in Chemnitz steht Thomas Tamme aus Görlitz an einem kleinen Messestand und wirbt für seinen Landkreis, der ihn als Unternehmenslotsen beschäftigt: Der Kreis Görlitz biete viel Fläche, kulturelle Möglichkeiten, Hochschule und Nähe zu Nachbarländern. Ein Welcome Center für ausländische Beschäftigte werde aufgebaut, sagt Tamme. Die Stadt Chemnitz hat ihres gerade in dieser Woche eröffnet und will dort Fachkräfte „direkt und persönlich rund um das Ankommen“ beraten.

Die Hilfe ist nötig: Sachsens Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Dulig (SPD) zählt zwar viele Institutionen und Vereinbarungen auf, die Sachsen in den vergangenen Jahren zu diesem Zweck geschaffen hat. Doch Dulig sagt auch, dass der Arbeitskräftemangel erst beginnt: „Wir stehen am Anfang eines Problems.“ In den nächsten zehn Jahren gehen 366.000 Menschen in Sachsen in den Ruhestand, mehr als die Hälfte davon sind Frauen. Der Nachwuchs reicht nicht aus, sie zu ersetzen. Die Zahl der Erwerbstätigen ist laut Dulig im vergangenen Monat erneut gestiegen, um rund 6.400 auf mehr als 2,07 Millionen.

Sachsen verzeichnet im Ländervergleich die höchste Beschäftigungsquote: 66,9 Prozent der Einwohner zwischen 15 und 65 Jahren sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Und zu dem Zuwachs trugen in letzter Zeit vor allem ausländische Beschäftigte bei. Inzwischen sind acht Prozent der Beschäftigten in Sachsen ausländische Staatsangehörige, allen voran Polen und Tschechen. Noch im Jahr 2013 waren es nur 1,8 Prozent.

Minister Dulig: „Die Arbeit wird uns nicht ausgehen“

Die Sachsen-Quote ist zwar weit entfernt vom deutschen Durchschnitt: 15 Prozent aller Beschäftigten sind Ausländer. Da sieht der Minister für Sachsen „noch Luft nach oben“. Doch Klaus-Peter Hansen, Sachsen-Chef der Bundesagentur für Arbeit, weist erst einmal auf einen Erfolg hin: „Wir haben mehr ausländische Beschäftigte als Arbeitslose.“ Die Massenarbeitslosigkeit ist vorbei. „Die Arbeit wird uns nicht ausgehen“, sagt Minister Dulig.

Minister und Behördenchef betonen, dass bei der Suche nach Arbeitskräften nicht nur ins Ausland geschaut werde: „Zuwendung zu den eigenen Leuten“ sei nötig, um sie in den Betrieben zu halten, sagt Dulig. Weiterbildung und Qualifizierung auch der inländischen Beschäftigten werde „das zentrale Thema der nächsten Jahre sein“. Zudem würden Roboter und Computer einen Teil der Arbeit übernehmen und damit Menschen auch entlasten.

Akzeptanz und Grillabende im Unternehmen helfen

Die Chemnitzer Tagung mit 200 Teilnehmern ist ausgebucht, trägt aber den Namen Fachkräftegipfel nicht zu Recht. Ministerpräsident und hochrangige Arbeitgebervertreter fehlen, es ist mehr eine Fachtagung. Anders war es im April vorigen Jahres, als auch Landeschef Michael Kretschmer (CDU) einen Pakt zur Gewinnung ausländischer Fach- und Arbeitskräfte mit unterschrieb. Die neuen Welcome Center für die Kommunen wurden damals beschlossen, auch mehr sächsische Verbindungsbüros im Ausland, Rekrutierung von Fachkräften beispielsweise in Vietnam. Eine Frau aus dem Iran ist es, die auf der Tagung denen eine Stimme gibt, um die es geht: Saba Abdollahi, seit zwölf Jahren in Deutschland und beschäftigt beim Chemnitzer Softwareunternehmen FD-Tech.

Erfahrung mit Sachsens Arbeitsmarkt: von links Vorstand Marko König, Elektro Zentrum Großenhain; Saba Abdollahi, FD-Tech; Moderatorin Blanka Weber.
© SZ/Georg Moeritz

Die gebürtige Iranerin mit deutscher Staatsbürgerschaft grüßt mit „Glückauf!“ und lobt die Grillabende in der Firma. Akzeptanz sei wichtig, um sich im Betrieb und im Land dazugehörig zu fühlen. Ihrer Ansicht nach dürften nur „Leute zu uns kommen, die unsere Werte und das Grundgesetz akzeptieren“. Als Arbeitgeber von In- und Ausländern berichtet Marko König, Vorstand der Genossenschaft Elektro Zentrum Großenhain mit 105 Beschäftigten, wegen Montageprojekten in den alten Ländern hätten seine Mitarbeiter schon in den frühen 90er-Jahren viel mit ausländischen Kollegen zusammengearbeitet. „Auch bei uns ist nicht alles Gold, aber wir brauchten keinen bewussten Schutzschirm über Migranten zu legen.“

DGB-Chef Schlimbach: Ausländer werden ausgebeutet

Sachsens DGB-Chef Markus Schlimbach weist darauf hin, dass ausländische Beschäftigte häufig in schlecht bezahlten Stellungen seien: „Das ist keine Willkommenskultur.“ Schlimbach spricht von Ausbeutung und nennt Beispiele: Bei einem Chemnitzer Fleischverarbeiter gebe es eine Verarbeitungsstrecke mit ausländischen Beschäftigten und eine mit einheimischen. Die Ausländer würden schlechter bezahlt und bekämen die langwierigere Arbeit. In den Warenlagern von Aldi und Amazon würden Migranten als billige Arbeitskräfte missbraucht, das sei keine Integration.

Staatssekretär Thomas Kralinski aus dem Wirtschaftsministerium warnt, dass Beschäftigte wieder weggehen, „wenn es hier nicht schön genug ist“. Doch derzeit komme die gesteuerte Zuwanderung in Gang, die Zahl der Arbeitserlaubnisse für Bewerber von außerhalb der EU nehme zu.

Die Industrie- und Handelskammer zu Leipzig (IHK) bestätigt der Landesregierung, bei der Umsetzung des Paktes zur Gewinnung internationaler Arbeits- und Fachkräfte auf dem richtigen Weg zu sein. Hauptgeschäftsführer Fabian Magerl schrieb per Pressemitteilung anlässlich des Fachkräftegipfels, die Bereitschaft zur Einstellung ausländischer Fachkräfte hat in der Wirtschaft spürbar zugenommen. Die IHK habe ihre Kapazitäten zur Fachkräftesicherung und Beratung aufgestockt. Eine große Herausforderung blieben die Sprachbarrieren, da seien mehr Angebote nötig. Die Kammer setze ihre Mitarbeit an Projekten zur Gewinnung von Fachkräften und Auszubildenden fort – unter anderem aus Vietnam, Ägypten und China.

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